Dorothy Ettrich

Eine amerikanische Liebe


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dass Sharadon mit Paul verabredet war! Was war denn hier los? Hatte er etwas verpasst? Schließlich ging nicht nur er davon aus, dass Paul und Sharadon heiraten würden und der heutige Abend perfekt für eine Verlobung wäre.

      „Hallo John, wie geht es deinem Vater? Du gehst mit Sharadon auf den Ball?“, fragte Charles und bemühte sich, sein Erstaunen nicht allzu offenkundig zu zeigen.

      „Dad lässt schön grüßen. Du siehst ihn ja auf dem Ball. Ja, und ich freue mich, mit dem schönsten Mädchen des Tals zum Ball zu gehen; wobei ihre Schwestern nicht minder schön sind“, entgegnete John freundlich Sabrina und Jessie. Dann trat er auf Sharadon zu, um ihren Arm zu nehmen.

      Sharadon ergriff Johns Arm, sie wusste, dass sie an diesem Abend die schönste Frau sein würde. Das Erstaunen und die Missbilligung ihres Vaters waren ihr nicht entgangen. Charles mochte John, aber er war für seine Älteste einfach nicht der richtige Mann. Was soll es, ich kann es im Moment nicht ändern, dachte Sharadon und zuckte innerlich mit den Achseln.

      „Dann wollen wir mal los, um die Eröffnung nicht zu verpassen“, rief Charles seinen Töchtern und John zu, wobei sich seine beiden jüngeren Töchter lachend bei ihrem Vater unterhakten. Fröhlich plaudernd verließen die Beringers das große Haus.

      Wie immer in solchen Momenten, vermisste Charles seine Frau. Susan war im vorletzten Jahr bei einem Reitunfall auf der Ranch ums Leben gekommen. Die Ärzte hatten wochenlang um das Leben seiner Frau gerungen, während sie im Koma gelegen hatte. Doch alle ärztliche Kunst und alles Geld hatten am Ende nichts bewirkt. Susan war nicht mehr aufgewacht. Aber selbst wenn sie überlebt hätte, wäre sie querschnittgelähmt geblieben. Sicherlich war die Ehe mit ihr nicht immer einfach gewesen. Susan hatte sich auf der einsam gelegenen Ranch in Montana oft gelangweilt. Sie stammte aus einer angesehenen Familie aus New York, war eine geborene Palmerton und die einzige Tochter ihrer Eltern gewesen. Diese waren immer noch untröstlich über den Verlust ihrer Tochter und es war fraglich, ob sie je über ihren Tod hinwegkommen würden. Im Stillen machten sie Charles für ihren Tod verantwortlich und waren seitdem nie wieder in Montana gewesen, auch die drei Enkeltöchter hatten es nicht vermocht, sie hierher zu locken. Sharadon war Susan zudem wie aus dem Gesicht geschnitten und trotzdem oder gerade deswegen war sie kein Trost für ihre Großeltern. Susan war den Mädchen eine gute Mutter gewesen und oft fehlte sie einfach als Gesprächspartnerin. Vordergründig kamen die Mädchen mit dem Verlust der Mutter zurecht; aber Charles wusste, dass Susan ihnen genauso oft fehlte wie ihm. Besonders die Jüngste, Jessie-Blue, hatte sehr unter dem Tod ihrer Mutter gelitten.

      Charles schüttelte seine düsteren Erinnerungen ab und stieg mit Sabrina und Jessie in den Mercedes, während Sharadon mit John in dessen Jeep einstiegen. Nach einer halbstündigen Fahrt waren sie in der Stadt und suchten vor der City-Hall nach einem Parkplatz.

      John hatte durchaus bemerkt, dass Charles über ihn als Begleiter von Sharadon nicht begeistert war. Während der ganzen Fahrt nach Ridgerock herrschte Schweigen im Auto, doch als sie auf dem Parkplatz hielten, wollte John es von Sharadon hören.

      „Dein Dad war ja nicht sonderlich erfreut, dass ich dich auf den Ball begleite, er hatte wohl jemand anderen erwartet“, sagte er.

      „Ach was, das bildest du dir nur ein“, erwiderte Sharadon unwillig. Sie war inzwischen schlechter Laune und fragte sich, warum sie überhaupt heute Abend auf diesen dummen Ball mitgegangen war. Sie ließ ihre Blicke über den Parkplatz schweifen. Pauls Wagen war nirgends zu entdecken. Wie gut, er war nicht da. Sharadon war erleichtert. Dann hatte er tatsächlich keine Lust gehabt, hier zu erscheinen, weil Paul, wie er sagte, sich aus diesen Veranstaltungen nicht viel mache. Aber warum nur war sie dann eigentlich hier? Sie beschloss so schnell wie möglich, wieder nach Hause zu fahren.

      Doch im Moment lächelte Sharadon John an: “Dann wollen wir mal sehen, ob wie jedes Jahr, alle wichtigen Menschen des Tals da sind.“ Der Spott in ihrer Stimme war unverkennbar.

      „Du weißt, dass sie alle jedes Jahr da sind, es ist nun mal das wichtigste Ereignis im Tal“, erwiderte John gutmütig und half Sharadon aus dem Wagen. Auch er hatte bemerkt, dass sein Freund Paul nicht da war. Dann hat er es tatsächlich wahr gemacht und Sharadon versetzt, aber er weiß doch bestimmt, dass heute Abend das ganze Tal auf die Verlobung des Jahres lauert! Ihm war klar, dass er lediglich ein Lückenbüßer für den heutigen Abend war, wie auch so oft in den letzten vielen, vielen Jahren. Das ging schon so, seit sie Kinder gewesen waren. Paul, seine beiden jüngeren Brüder und natürlich Billy Henshaw waren immer die Anführer gewesen, wobei Sean eher mitgelaufen war. Die Mädchen aber scharten sich nur um Paul, um ihn anzuhimmeln. Sharadon war andererseits das Mädchen gewesen, in das alle Jungen verliebt gewesen waren. Was lag da näher, als dass Paul und Sharadon seit der Highschool zusammen waren? Die Collegezeit hatte die beiden getrennt. Paul hatte eine Ausbildung bei der „Futures Farmers Association (FFA)“ gemacht und war anschließend nach Texas gegangen, um Agrarökonomie und Betriebswirtschaft zu studieren, während Sharadon nach dem College auf die elterliche Ranch zurückgekehrt war. John selbst hatte nach dem College ebenfalls erwogen, zu studieren, so wie Sabrina, die inzwischen auf der Conzaga Assistentin war und dort promovierte. Nun war Bill auch wieder in der Stadt. Bill, der Einzige in der Runde, der sich Sharadons Zauber entzogen hatte. John erinnerte sich, dass damals, bevor Bill verschwand, viel über Bill und Sharadon gemunkelt wurde. Mich interessiert schon, was Billy jetzt macht. Ob er wohl auf den Ball kommt? John seufzte innerlich, als er in Sharadons Gesicht sah. Sie war erkennbar ungern hier. Dann wollen wir mal, wappnete er sich und sie gingen der Restfamilie Beringer entgegen, die gerade aus dem Auto ausstieg. Von allen Seiten wurde die Familie auf dem Parkplatz mit Hallo und Grüßen überschüttet und langsam füllte sich der Platz mit den Autos der Ballgäste. Gerade bog auch der Wagen der McGreggrans, ein großer BMW, um die Ecke und Matt McGreggan suchte nach einem freien Parkplatz.

      Charles blieb stehen und wartete auf seinen alten Freund und dessen Frau Ivy. „Geht ihr nur schon vor, ich komme mit Matt und Ivy nach“, sagte Charles seinen Töchtern und schob Sabrina und Jessie-Blue in die Richtung von John und Sharadon. John hakte die beiden älteren der Beringer-Mädchen unter. Er dachte wohl schon zum hundertsten Mal, wie nett Sabrina doch war und wie hübsch sie heute Abend aussah. Er nahm sich vor, unbedingt mit ihr zu tanzen. Jessie-Blue war schon mit ihren Freundinnen im Ballsaal verschwunden.

      „Hallo Matt, wie geht’s? Ihr seid nicht komplett in diesem Jahr?“, begrüßte Charles Matt, Ivy und Sean.

      „Guten Abend Charles, schön, dass ihr hier seid. Paul ist schon eine Weile unterwegs und ich nahm an, dass Sharadon der Grund wäre. Warum ist sie hier mit John?“, fragte Matt erstaunt.

      Auch Ivy wunderte sich. Als Paul heute Abend schick angezogen und fröhlich pfeifend das Haus verlassen hatte, war sie davon ausgegangen, dass er Sharadon abholen wollte und seine sehr gute Laune auf dem Entschluss beruhte, heute Abend die Verlobung mit ihr bekannt zu geben. Sicher, sie hatte zu Sharadon eine eher zwiespältige Einstellung, andererseits tändelte ihr Ältester nun schon so lange mit ihr herum, dass allmählich eine Entscheidung fällig wurde. Aber er war nicht da! Ivy ließ sich ihr Erstaunen nicht anmerken.

      „Wo ist er?“, raunte sie ihrem Mann zu.

      „Wenn ich das wüsste!“, antwortete Matt ebenso leise. Was ging hier vor, dachte er, auch sein Freund Charles schien erstaunt zu sein, dass Paul nicht mit Sharadon als Begleitung hier war. John als Begleiter von Sharadon?

      „Wie sehen deine Töchter wieder reizend aus, Charles“, lächelte Ivy den alten Freund der Familie an. Auch sie sah elegant und schön aus, in ihrem rosé und silberdurchwirkten Abendkleid. Es kontrastierte perfekt zu ihrem schwarzen Haar, das allerdings inzwischen mit grauen Strähnen durchzogen war. Ivy war immer noch schlank, obwohl sie auch schon ihren sechzigsten Geburtstag gefeiert hatte. Matt liebte seine Frau noch immer und war sehr stolz auf sie.

      Die anderen Gäste nach rechts und links begrüßend, folgten sie ihren Kindern in den Ballsaal. Alle Frauen trugen aufwendig gearbeitete Ballkleider, dem gesellschaftlichen Ereignis des Tals angemessen.

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      Paul und Marie fuhren von Ellas Haus in die Jefferson und von dort ein Stück hoch zum Glacier Strip, um dort in „Bernies Beer