Manuela Tietsch

Der Gesang des Einhorns


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Das diese beiden Kerle allerdings ernsthaft geglaubt hatten eine Belohnung zu erhalten, obwohl sie ihm eher schlechte Nachrichten gebracht hatten, erstaunte und verärgerte ihn gleichermaßen.

      „Sie haben allen ernstes geglaubt, ich würde ihnen nach dieser Zeit, eine Belohnung geben!“ Er blickte Nechtan frei heraus an. „Sie sollen sie haben, wenn ich Fionna durch ihre Hilfe zurückerhalte.“ Er blickte den Männern finster nach, als diese die Tür hinter sich schlossen.

      Nechtan empfand zwar nicht das Selbe wie Alasdair, doch er verstand ihn ein wenig, zumal es in dieser Gegend so und so etwas Besonderes war, Pferde, und erst recht solche Pferde zu besitzen. Fionna war außergewöhnlich, das stimmte schon. Donn ruadh führte nicht umsonst eine Einehe mit ihr, so ungewöhnlich das für einen Hengst auch war. Niemand wusste wo er Fionna begegnet war. Er erinnerte sich gut an den Tag, als Donn Ruadh mit ihr vom Hügel herabtrabte, und eine Ehrenrunde mit ihr drehte, um allen zu zeigen wen er sich da auserkoren hatte. Von diesem Tage an schaute er nach keiner anderen Stute mehr. Nicht einmal jetzt, nach ihrem verschwinden.

      Ein Mann aus den eigenen Reihen hatte Fionna gestohlen, aus Rache gegen Alasdairs Urteil vom Gerichtstag. Das Urteil war mehr als gerecht gewesen, darüber waren sich alle einig, doch der Kerl war verbohrt! Alasdair war ein guter Laird. Er hatte ein offenes Ohr für jeden, war gerecht und in seinen Entscheidungen weise und das obwohl er noch so jung war.

      Kein Mensch allerdings verstand seine Vernarrtheit in die Stute und seine unaufhörliche Suche nach ihr. Nechtan wusste, dass er in den Augen einiger Clanleute den Bogen weit überspannte und er wusste wie gleichgültig das Alasdair war. Er nahm sich dieses Recht als Laird. So lange niemand durch seine Handlungen Schaden erlitt, tat er was er wollte, warum auch nicht? Nechtan konnte in dieser Angelegenheit den Zorn seines Freundes verstehen. Jetzt suchte er schon seit über einem Jahr nach ihr, und da kamen diese beiden Männer und sagten ihm eiskalt, dass sie Fionna gesehen hatten. Nur leider zu spät.

      Niall trat ein und bohrte unabsichtlich in der Wunde. „Ich habe gehört, sie haben Fionna gefunden!“

      Nechtan verdrehte die Augen, gebärdete sich, als wollte er sich mit der Hand den Hals durchtrennen. Im selben Augenblick drehte Alasdair sich um und Niall wurde beim Gesichtsausdruck seines Bruders klar, dass er lieber geschwiegen hätte. „Sie haben sie also nicht gefunden,“ beantwortete er leise seine Frage selber.

      „Doch sie haben sie gefunden, aber vor zwei Monaten! Und sie ließen diesen miesen kleinen Dieb, samt Fionna und ihrem Fohlen wieder laufen.“

      „Sie hat ein Fohlen?“

      Nechtan überging Nialls Frage mit einer Feststellung. „Seltsam finde ich, dass er auf ihr geritten ist.“

      „Wahrscheinlich war sie es doch nicht?“ wagte Niall einen Einwurf.

      „Doch sie war es, das fühle ich.“ Alsadair starrte sinnierend auf den Boden.

      „Willst du hinreiten und nach ihr suchen?“

      „Nach der Zeit?“ Alsadair sah wieder auf, “Sinnlos! Der Kerl könnte inzwischen sonst wo sein.“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich vertraue Fionna. Sie wird den Weg zu Donn ruadh finden.“

      Er sah aus dem Lichteinwurf hinaus und beobachtete den Hengst, dessen flachsfarbene Mähne im Wind wehte und der immer wieder Richtung Süden blickte und ein schrilles Wiehern in die Ferne schrie. „Sie wird zurückfinden!“ Niedergeschlagen setzte er sich auf seinen Hocker.

      Er wirkte seltsam müde, so hatte Niall ihn noch nie erlebt. Alasdair strich sich die dunklen, kastanienbraunen Haare aus der Stirn und Niall tauschte einen Blick mit Nechtan.

      Nechtan verehrte seinen Freund, ja er liebte ihn wie einen Bruder. Der Kampf seines Lebens, während dem sie sich begegnet waren, kam ihm in den Sinn. Als sein eigenes Blut das Schlachtfeld färbte und er bereits mit dem Leben abgeschlossen hatte. Wie er in den trüben Himmel hinauf gestarrt hatte und das einzige Wort welches ihm noch über die Lippen kam „Wasser!“ war und unvermutet Alasdair breitbeinig über ihm gestanden hatte, sein Feind. Er hatte auf den Todesstoß gewartet, der unweigerlich folgen musste und blickte seinem Gegner mutig ins Gesicht, doch der Stoß kam nicht. Alasdair trug ihn vom Schlachtfeld, ließ ihn pflegen und fühlte ebenso wie er, als wären sie Brüder. Er spürte jedes Mal neu ein Ziehen in der Brust, wenn ihm diese Augenblicke in den Sinn kamen. Nach und nach passte er sich dem Leben der Scoten an, welches sich in manchen Dingen doch sehr von dem der Pikten unterschied.

      Nun waren die gemeinsamen Kämpfe vorbei. Niemals mehr würden sie blau bemalt mit dem Saft der kleinen blauen Beeren, voll Kampfkraft und Abenteuerlust in den Kampf ziehen. Nie mehr halb nackt aufeinander zustürmen und die geheimnisvollen Worte in die Schilde rufen und dabei ohne Rücksicht auf den eigenen Körper kämpfen. Trotzdem, er spürte sein Blut in Wallung geraten bei seinen Gedanken. Nechtans Blick folgte dem Alasdairs, der schon wieder bei Donn ruadh weilte.

      Das Laub der wenigen Bäume, die um die Burgfeste standen, färbte sich bereits bunt und braun. Der Wind zerrte die Blätter unermüdlich herunter auf die Erde. Die Heide war schon nahezu verblüht, trotzdem leuchteten die Hügel in der Ferne noch lila, durchzogen vom gelb des Ginsters und dem grün der Disteln, die schon lange ihre beste Zeit hinter sich hatten. Der Himmel hing voll Wolken, die der Wind in hoher Geschwindigkeit über die Sichtgrenze jagte. Ein feiner, kaum spürbarer noch sichtbarer Regen fiel auf die Erde nieder, schon wieder einmal. Dort draußen, irgendwo, standen seine treue Fionna und ihr Fohlen.

      Donn ruadh erstarrte mitten in der Bewegung, ließ erneut ein schrilles Wiehern fahren, welches seinen ganzen Körper zum Erzittern brachte. Alasdair war stolz auf diesen wunderschönen, kraftvollen Hengst. Er blähte die Nüstern in den Wind und trauerte um seine Fionna.

      Ruckartig stand Alasdair auf. „Ich muss etwas tun. Kommt ihr mit zum Bogenschießen?“

      „Ein guter Gedanke,“ sagte Niall, „besonders bei diesem klaren Wetter!“ Er beeilte sich vor seinem Bruder hinauszugehen, um Alasdairs Gereiztheit und Entgegnung auf seine spöttischen Worte zu entgehen.

      Alasdair blickte ihm grimmig hinterher, ehe er sich an Nechtan wandte, „und du?“

      Nechtan nickte grinsend und entlockte Alasdair schließlich ein entspanntes Lachen.

      5 Entscheidungen

      Das Frühjahr zog schneller ein, als Malinda gehofft hatte. Überall zwängten sich die kleinen, hellgrünen Triebe durch die dunkle Erde an die Luft, um zu wachsen. Das Wetter wurde wieder freundlicher. Die Sonne gewann an Kraft. Doch mit jedem neuen Tag wurde ihr das Herz schwerer, denn sie wusste, dass bald ihre Entscheidung fallen müsste. Dann musste sie auch diese beiden Menschen, die ihr lieb und teuer geworden waren, wieder verlassen. Fedan und Dolina waren ihr eine zweite Familie geworden. Doch Tapferes Mädchen wurde zusehends unruhiger, schaute oft nach Norden und wieherte schrill, einem Unsichtbaren zu. War es der alte Laird dem sie entgegen fieberte? Oder war es der Vater von Kleiner Bruder?

      Auch Fedan bemerkte ihr Zaudern. Eines Abends sprach er sie an. „Mädchen, ich sehe du tust dich schwer die Entscheidung der Stute anzuerkennen, doch sie wartet auf deine Zustimmung.“ Er starrte einen Augenblick in die Flammen. „ Wenn du sie nicht unnötig peinigen willst, solltest du bald losziehen.“

      Malinda konnte nicht gegen ihre Traurigkeit ankämpfen, freilich hatte Fedan Recht. Weshalb schob sie also das unausweichliche vor sich her. Sie nickte ihm nachdenklich zu und hob drei Finger, um ihnen zu zeigen, dass sie in drei Tagen reisen wollte.

      Dolina schluckte schwer, sie hatte dieses Mädchen sehr lieb gewonnen. Ihr Angebot, ihr einen Féileadh mor zu geben, hatte sie ausgeschlagen, denn sie glaubte damit leichter als Mädchen entlarvt zu werden und meinte in der Kleidung der Sachsen sicherer zu sein und Dolina gab ihr im nachhinein Recht. Sicher hätte sie mehr Bewegungsfreiheit in einem großen Tuch, es war wie für das Hochland geschaffen, da sie jedoch so und so die meiste Zeit reiten würde, spielte es keine Rolle.

      Die nächsten Tage beschäftigten sie die Reisevorbereitungen für Malinda, was nicht die Schwermut aufhob,