Manuela Tietsch

Der Gesang des Einhorns


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Fell glänzte, an den Stellen die nicht vom Blut befleckt waren, silbrig. Ihre Mähne hing ihr üppig, fein wie Menschenhaar, über beide Halsseiten, reichte beinahe bis zu ihren Kniegelenken. Wie pures Silber glänzten die nicht durch Blut verklebten Strähnen in der Sonne.

      Der Kleine sah ihr von der Färbung her gar nicht ähnlich. Sein dunkelbraunes Haarkleid wurde von vier weißen Beinen und einer riesigen Blesse unterbrochen, die gut den halben Kopf überzog. Die Stute war nicht sehr groß, um weniges größer als die Pferde die von den Inseln kamen und sehr viel kleiner als die Kampfrösser der Ritter. Trotzdem wirkte sie sehr edel, nicht wie die kleinen zotteligen, kurzbeinigen. Ihre Stirn wurde von einem leuchtend weißen, faustgroßen Stern überzogen. So eine Blesse hatte Malinda noch nie gesehen und erst Recht nicht auf einem weißen Pferd. Täuschte sie sich, oder schien das Weiß der Blesse zu leuchten?

      Noch immer schaute sie versonnen auf die beiden, als die Stute sich ihr unerwartet zuwandte. Sie schritt nahe an sie heran und senkte den Kopf zu ihr herunter. Malinda berührte sie sacht an der Stirn, geradewegs am Stern und ihr war, als führe ihr ein Blitz durch den Körper. Doch das Gefühl stärkte sie, es schwächte nicht.

      Fionna sah sich Malinda genauer an und lächelte innerlich über die Gedanken der jungen Frau. Ja, sie hatte recht, sehr ähnlich war ihr Sohn ihr nicht. Dafür aber seinem Vater um so mehr, bis auf das viele Weiß an den Beinen und am Kopf. Später würde er einmal ein stolzer Hengst werden wie sein Vater und sein Fell würde, wenn es aus dem Fohlenalter herausgewachsen war, in der Sonne glänzen, als wäre es schweißnass. Seine Mähne würde wie Flachs im Wind wehen. Seine Vorfahren waren edelster Herkunft. Schließlich gehörte sie der ältesten Einhornfamilie an, welche einst von den Inseln im Nordwesten herüberkamen. Und wenn sie um ihrer Liebe willen auf ihre Unsterblichkeit verzichtete, so gab es wenigstens einen Nachkommen von ihr und Donn ruadh. Jetzt, nachdem sie die Geburt hinter sich gebracht hatte, gab es nur noch ein Ziel für sie. Sie musste so schnell es ging zu ihm zurückkehren.

      Und Malinda würde mitgehen, dafür würde sie, Fionna von den Inseln, schon sorgen. Malinda lächelte sie an während sie in Gedanken mit ihr sprach. Gut, dass das Mädchen nicht ahnte, dass sie ihre Gedanken las.

       "Ich möchte mir jetzt einmal deine Wunden ansehen, bevor die Fliegen sich darin verewigen. Lässt du mich?"

      Die Stute nickte mit dem Kopf auf und ab, als hätte sie ihre unausgesprochenen Worte nicht nur gehört, sondern auch verstanden.

      Sie öffnete ihren Beutel, holte alles was sie zurzeit noch an Heilkräutern und Salben dabei hatte, heraus. Zaghaft begann sie mit dem Säubern der Wunden und salbte sie anschließend ein. In Gedanken suchte sie sich einen passenden Namen für die Stute, doch ihr fiel kein anderer als Tapferes Mädchen ein. Ihr Blick wanderte zu dem Fohlen, das wie tot in der Sonne lag, sich wärmte und schlief. Ihn taufte sie Kleiner Bruder. Die Sonne brannte inzwischen heiß herunter und Malinda beeilte sich mit der Versorgung der Wunden.

      Sie musste auf jeden Fall noch heute nach Kräutern suchen, mit dem bisschen Salbe kam sie nicht weit. Die Mengen die sie bei sich trug reichten für einen Menschen, aber nicht lange für einen Pferdeleib.

      Nach gut zwei Stunden hatte sie genügend Ringelblumen, Beinwell und Bergwohlverleih zusammen. Anschließend sammelte sie noch Nahrung für sich, sie war inzwischen hungrig geworden. Als sie die kleine Lichtung am Bach erreichte, war auch Tapferes Mädchen gerade mit Nahrungsaufnahme beschäftigt. Kleiner Bruder lag wieder wie erschlagen im Schatten der Bäume. Tapferes Mädchen schaute einen Augenblick zu ihr herüber, ehe sie weiter graste. Malinda verstaute die Kräuter luftig und trocken, jedoch sicher vor etwaigen anderen, unerwünschten Abnehmern. Zum Trocknen würde sie kaum kommen. Sie aß ihr letztes Birkenbrot und hatte das sichere Gefühl, dass sie sich so schnell kein neues würde herstellen können.

      Die Tage vergingen wie im Flug, obwohl sie einen Großteil damit verbrachte die Heilkräuter für Tapferes Mädchen und Nahrung für sich zu sammeln. Sie hatte das Gefühl beim Heilen der Wunden zusehen zu können. Wie konnten die Wunden derart schnell heilen? Dass sie Tapferes Mädchen von den Kräutern zu essen gab, reichte nicht um die Heilung derart zu beschleunigen. Sie stand vor einem Rätsel. Die Tatsache, dass Tapferes Mädchen nun ohne ihre Hilfe zurechtkommen würde, half ihr bei der Entscheidung zu gehen. Sie hatte sich lange genug bei den Tieren aufgehalten, es zog sie weiter. Sie umarmte die Pferde am Hals, streichelte sie liebevoll und sagte ihnen in Gedanken Lebewohl. Die Wunden waren noch ein letztes Mal versorgt und gut geheilt. Sie konnte die beiden getrost sich selber überlassen.

       "Ich wünsche euch viel Glück. Wenn du mit ihm erst einmal im Wald bleibst, bist du vor den Menschen sicher. Leb wohl Tapferes Mädchen, leb wohl Kleiner Bruder!"

      Tränen drückten sie, aber sie würde nicht weinen können, auch wenn ihr danach war. Sie wandte sich unvermittelt ab, um ihr Bündel vom Boden aufzuheben und ging los. Die beiden waren ihr lieb und teuer, waren Freunde geworden, in einer sonst eher einsamen Welt.

      Nach wenigen Schritten hörte sie das dumpfe tappen von Pferdehufen auf Waldboden. Erstaunt drehte sie sich um. Bisher war Tapferes Mädchen ihr noch nie gefolgt, wenn sie sich auf die Suche nach den Kräutern gemacht hatte.

      „Nein, das geht nicht. Du kannst nicht mit mir gehen. Das würde nur Ärger geben." Sie sah Tapferes Mädchen streng an. "Es geht nicht, wirklich nicht. Sie würden versuchen euch zu stehlen, oder gar behaupten, dass ich euch gestohlen hätte.“ Ach könnte sie doch nur sprechen!

      Sie riss die Arme hoch, um sie fortzuscheuchen, doch Tapferes Mädchen ließ sich nicht im Mindesten beeindrucken. Sie zuckte nicht einmal zurück.

      „Verflucht,“ schimpfte Malinda wortlos. Im Grunde ihres Herzens war sie jedoch froh und auch ein bisschen stolz, dass die Tiere bei ihr bleiben wollten. So war sie nicht die einzige, die Freundschaft empfand. Halbherzig schüttelte sie noch einmal den Kopf, ehe sie nachgab. „Na gut, dann kommt eben mit. Aber ich sage dir gleich, dass ich nicht einmal weiß wohin mich meine Füße tragen werden.“

      Tapferes Mädchen wippte mit ihrem Kopf auf und ab als hätte sie Malinda verstanden.

      Nun, Malinda wusste nicht wohin, doch Fionna wusste es dafür umso besser. Und was Malinda noch nicht begriffen hatte, war, dass nicht Fionna diejenige war die folgen würde, sondern umgekehrt, Malinda ihr. Am ersten Tag würde sie Malinda noch das Gefühl lassen, dass ihre Füße die Richtung bestimmten, doch schon am zweiten würde sie die Führung übernehmen.

      Malinda war es einerlei, da sie kein festes Ziel vor Augen hatte und eine innere Stimme ihr zu sagen schien, dass die Stute hingegen sehr wohl wusste wohin sie wollte. Sie rasteten die erste Zeit oft, denn Kleiner Bruder musste noch kräftiger werden und brauchte viel Milch.

      Tapferes Mädchen graste, während Malinda sich ihre Nahrung suchte.

      Zwei Wochen zogen ereignislos ins Land, doch dann waren sie da, die Schwierigkeiten, die sie erwartet hatte.

      3 Freunde

      Am Waldrand, nahe der ersten Siedlung, begegneten ihnen reisende Adlige. Zu spät, um ihnen noch aus dem Weg zu gehen. Sie fügte sich dem was folgen würde.

      „He, Bursche!“

      Malinda blickte fragend zu dem feisten Mann in samtenen Gewändern hinauf. Sein starkes Roß stampfte auf der Stelle und schnaufte, weil der Mann an den Zügeln zog.

      „Ja du. Wem gehören die beiden Pferde?“

      Malinda Blickte ihm fest in die Augen, um ihn einschätzen zu können. Sie zeigte auf sich.

      „So ein Unsinn?“ Er wandte sich seinem Begleiter zu. „Sir Evert, was meint ihr? Glauben wir das diesem Taugenichts?“

      Der angesprochene, ein Mann in den fünfzigern, mit einem übergroßen Schnurrbart, der an beiden Seiten der Wangen herunterhing, schüttelte höhnisch grinsend den Kopf. „Kaum Sir Wilfried!“

      Malinda fluchte innerlich. Sie hatte es ja kommen sehen.

      Wäre