Christian Sternenfeuer

Das Magische Universum


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die Wahrheit gesagt, wir hauen ab.«

      Er sah den Auftrag anscheinend als gescheitert an, doch was

      nun folgte, war an brutaler Grausamkeit nicht zu überbieten. Er

      beugte sich hinab und durchtrennte mit einem einzigen Schnitt die

      Kehle seines gelähmten Mitstreiters. Fassungslos und mit angstgeweiteten

      Augen hatte der letzte der Schurken zugesehen, wie sein

      Anführer diese unmenschliche Tat verübte. Entsetzt schrie er auf,

      drehte sich um und verschwand mit wehendem Schal im Gewirr

      der Lagerschuppen. Hasserfüllt blickte der Mörder Aurelia ins

      Gesicht. Dabei wischte er den blutigen Dolch seelenruhig am Gewand

      des Toten ab und stieß hervor:

      »Diesmal hat es nicht geklappt, Kapitän Lethos. Doch seid gewiss,

      wir haben uns nicht das letzte Mal getroffen.«

      Nach diesen Worten erhob er sich und tauchte im entstandenen

      Getümmel unter. Zurück blieben zwei blutüberströmte Leichen sowie

      der schwer verletzte Leutnant Velaro. Jetzt endlich trauten sich

      die Umstehenden heran. Alle palaverten wild durcheinander während

      sie immer wieder klagend mit den Händen gestikulierten.

      »Holt einen Medicus«, verlangte Aurelia schwer atmend, immer

      noch benommen vom schrecklichen Geschehen. »Der Leutnant ist

      verletzt, er muss sofort versorgt werden – schnell, schnell.«

      Sie schob den Dolch, der sie auf so wundersame Weise gerettet

      hatte, zurück in die Scheide. Dann beugte sie sich über den leichenblassen

      Leutnant. Er war bewusstlos und röchelte leise, doch

      sein Atem ging fast normal. Dank Neptun blutete er kaum, denn

      das Messer, das ihm noch im Leib steckte, verschloss die Wunde

      wie ein Pfropf.

      Aurelia blickte auf den toten Magier hinab. Sie bückte sich und

      hob den Schal von seinem Gesicht. Überrascht schaute sie genauer

      hin. Jedoch es gab keinen Zweifel, es waren die Gesichtszüge einer

      Frau. Der Mann war eine Frau gewesen, unzweifelhaft. Allerdings

      war sie ihr vollkommen unbekannt. Mochte der Sicherheitsdienst

      von Joliko Gnorx herausfinden, wer die toten Angreifer waren oder

      in wessen Auftrag sie handelten. Obwohl sie bereits die Ahnung

      hatte, dass bei einer Untersuchung nicht viel herauskommen würde.

      Als sie den Medicus heraneilen sah, erhob sie sich und machte

      sich hastig auf, endlich ihr Schiff zu erreichen. An der Gangway

      empfing sie ihr erster Offizier de’Soto.

      »Was ist los, Käpt’n? Wir hörten von einem Tumult oder Überfall.

      Doch genaueres konnte ich bisher nicht in Erfahrung bringen.«

      »Viel hätte nicht gefehlt, de’Soto, dann hättet ihr das Kommando

      über die Heilige Kuh übernehmen müssen. Ja, es gab einen

      Überfall auf mich und meinen Begleiter. Wahrscheinlich sollten

      mir die Gegenstände geraubt werden, die mir Agent Gnorx übergeben

      hatte. Irgendjemand hat nicht dicht gehalten, denn sie wussten

      genau, was sie wollten. Doch lasst mich zuerst an Bord, hier auf

      dem Schiff fühle ich mich sicherer. Kommt in einer Stunde zu mir,

      de’Soto, dann werde ich euch Genaueres mitteilen. Wir werden

      beraten, wie wir weiter verfahren werden. Inzwischen fragt beim

      Hafenamt nach, ob der Überfall gemeldet wurde und wie es dem

      Leutnant Velaro geht. Vielleicht haben sie schon einen der geflüchteten

      Halunken gefasst, was ich jedoch sehr bezweifeln möchte.

      Noch eins, de’Soto, lasst eine Doppelwache an der Gangway aufstellen.

      Niemand darf an Bord gelangen, der keine Erlaubnis von

      mir oder euch erhalten hat.«

      Zustimmend nickte de’Soto. Rasch führte er den Befehl des

      Kapitäns aus, um sich anschließend selbst zum Hafenamt zu begeben …

      Zeit: Gegenwart minus drei Jahre

      Koordinate: Riva – Ladimara

      Unterdessen erreichte eine heimliche Nachricht das Hauptquartier

      der Diebesgilde in Ladimara und ein Botenwiesel machte sich

      mit einer wichtigen Mitteilung auf den Weg zum Hafenviertel, wo

      es eine bestimmte Taverne aufsuchte. Einige Zeit später verließ ein

      kleines Boot, besetzt mit drei Insassen, seinen Anlegeplatz. Es ruderte

      aus dem Hafen hinaus und verschwand im Gewirr der vielen

      Inselchen, die verstreut im großen Delta des gleichnamigen Ladimaraflusses

      lagen. Dieses Labyrinth bildete ein ideales Versteck für zwielichtige Gestalten.

      Die große Gestalt auf der Hinterbank des kleinen Ruderbootes,

      auffällig mit ihrer Augenkappe und dem dunklen Dreispitz auf

      dem Kopf, wusste nun Bescheid. Sie konnte in Erfahrung bringen,

      wofür sie die schmuddelige Hafentaverne aufgesucht hatte. Auch

      der hohe Betrag, den der Mann in Form von Juwelen auf den

      schmierigen Tresen des diebischen Wirtes legen musste, sollte sich

      mehr als auszahlen. In den nächsten Tagen, soviel war sicher, würde

      es zu ungewöhnlichen Aktivitäten kommen. Die Beute, hinter der

      er her war, befand sich in greifbarer Nähe. Der Kapitän dachte

      nicht daran, sie den verhassten Rotröcken zu überlassen. Seine Informanten

      hatten gute Arbeit geleistet, denn die erhaltene Mitteilung

      stammte aus verlässlicher Quelle und war fast unbezahlbar.

      Das kleine Beutelchen Juwelen war daher leicht zu verschmerzen.

      Es würde seinen Einsatz mit einem unendlich wertvolleren Gegenstand

      wieder einbringen. Der Pirat seufzte innerlich tief auf. Endlich

      – endlich war der solang gesuchte Gegenstand in Reichweite.

      Nun bedurfte es nur noch einer geschickten Aktion, um sich in

      den Besitz eines der seltensten Artefakte zu setzen, die das Magische

      Universum zu bieten hatte.

      Zwei Stunden ruderten die beiden kräftigen Matrosen durch

      das Labyrinth der verschlungenen Wasserwege, die sich durch das

      weitläufige Delta des Ladimaraflusses schlängelten. Immer wieder

      veränderte es mit dem Kommen und Gehen der Jahreszeiten