Stefan G. Rohr

Der Funke eines Augenblicks


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erwartet.

      „Sind die immer so höflich?“ fragte ich meinen Begleiter.

      „Sie haben halt viel Erfahrung.“ erwiderte er mir lächelnd. „Sie lernen überdies recht schnell die Vielfalt innerhalb des Publikums zu lesen.“

      „Nun, mit fulminanten Champagner-Bestellungen werden sie aber bei mir nicht rechnen können.“ antwortete ich ehrlich.

      „Darum geht es auch gar nicht.“ belehrte mich Rontrop trocken. „Den teuren Champagner, die Flaschen edelsten Cognacs, Hummer und Austern, Kaviar aus dem Iran oder vom Baikalsee werden die hier fast von selbst zu Hauf los. Die russischen Millionäre, die Scheichs aus dem Oman oder die Schickeria aus Mailand und London erledigen das für uns. Und die Zocker, zumindest, wenn sie gerade bei `Alles oder Nichts´ das `Alles´ für drei Stunden ihr Eigen nennen.“

      „Dann sind wir hier die Statisten und Komparsen?“ fragte ich zurück.

      „Mein lieber Ludwig.“ holte Rontrop nun aus. „Was bist Du nur für ein fantasieloser, spießiger Kleingeist.“ Er nahm einen großen Schluck Bier und schmatzte genüsslich, nach dem das Nass seine Kehle herunter gelaufen war. „Wir sind in diesem ganzen Possenspiel die wohltuenden Normalen.“ Er lachte laut los. „Verstehst Du? Du und ich haben keine Allüren, wir sagen `danke´ und `bitte´, meckern nicht herum, beschweren uns nicht über schmutzige Gläser oder einen falsch temperierten Bordeaux. Stattdessen haben wir ebensolche Fehler, wie sie selbst, vielleicht sogar die gleichen Sorgen. Und wir kommen, das gilt jedenfalls für mich, fast täglich wieder.“

      „Interessant!“ gab ich zu.

      „Nun ja, “ ergänzte Rontrop noch kurz, „ich habe sie natürlich noch ein klein wenig bestochen. Gestern.“

      „Du hast Ihnen Geld gegeben, damit sie freundlich sind?!“ Ich konnte es nicht fassen. „Wer von uns beiden ist hier der Kleingeist? Und ein Pharisäer dazu, mein Freund.“

      „Natürlich habe ich kein Geld investiert.“ erwiderte er trocken und verzog dabei keine Miene. „Ich habe Dich einfach interessant gemacht. Mehr nicht.“

      „Ich will aber gar nicht interessant sein!“ rief ich entsetzt. „Ganz und gar nicht.“

      „Du wirst es mir noch danken.“ Rontrop blieb völlig ruhig. „Ein klein wenig Anschubhilfe, sozusagen. Damit es mit Dir hier im Städtchen besser flutscht.“

      „Ja, um Gottes Willen, was hast Du denn über mich gesagt?“ wollte ich schnell wissen.

      „Höre, und sperre jetzt Deine Ohren gut auf.“ Rontrop rückte etwas näher an mich heran. „Ludwig Maler ist nur Dein Pseudonym. Ist doch klar. Wer kann schon so heißen.“ Erneut kam er näher. „In Wirklichkeit bis Du ein nicht näher genannt sein wollendes Mitglied des Hochadels. Ich habe selbstverständlich erwähnt, dass ich Deinen wirklichen Namen und Titel kenne. Schließlich hast Du mich, wie könnte es auch anders sein, sehr schnell als Vertrauensperson identifiziert und mich in Deine Pläne eingeweiht.“

      „Was für Pläne denn bloß! Du hast ja einen totalen Knall!“ rief ich halblaut.

      „Warte, warte doch.“ Jetzt begann Rontrop zu flüstern. „Dein Name, und höre eben gut zu, ist `Ludwig Christian Ritter von Luessow zu Schulenburg´. Kapiert?!“

      „Wer soll sich so einen Namen merken können? Hättest Du es nicht wenigstens bei `Fürst Pückler´ oder `Graf Zeppelin´ belassen können?“ Ich war jetzt noch entsetzter als zuvor.

      „Es geht doch noch weiter, Ludwig, höre zu!“ Auf seinem Gesicht machte sich ein diebisches Grinsen breit. „Also, was ist der Grund Deiner geheimen Mission? Ich sage es Dir. Alle zehn Jahre veranstaltet Deine Familie auf ihrem Schloss in der Pfalz zu Silvester ein großes Fest. Das ist zunächst wenig spektakulär, ich gebe es zu. Das Besondere allerdings ist Euer Rittersaal. Den funktioniert ihr dann nämlich zu einer Eisbahn um. Aber das Verrückte besteht in dem Umstand, dass Ihr dazu kein Wasser verwendet, sondern Champagner. Tausende Magnum Flaschen feinster Puffbrause, die ihr im Rittersaal verschüttet, die Fenster aufreißt und dann alles zu Eis gefrieren lasst. Und mit rotem Krimsekt malt ihr Ornamente, Sprüche und Euer Wappen in das gefrierende Eis. Hübsch, edel und total bekloppt. Und Du bist jetzt in der Region, um die ganze Chose zu organisieren, einschließlich den Champagner zu besorgen, Personal zu rekrutieren und eine Gästeliste aufzustellen.“

      „Hilfe! Ein Verrückter!“ rief ich laut und es drehten sich tatsächlich eine Reihe von Gästen zu uns um.

      „Psssscht!“ lachte Rontrop. „Unser Fantomas handelt nebenbei mit Weinen und Champagner. Und natürlich fragte er mich gleich, ob er Dir ein Angebot machen könnte. Außerdem hat er die Hotelfachschule absolviert und wäre auch interessiert, bei der Party in Deinem Schloss die Aufsicht über das Personal zu übernehmen.“ Rontrop ließ seinen Blick in die Runde schweifen. „Hör zu, Du musst gar nichts machen. Ich habe allen gesagt, dass Du in jedem Fall inkognito bleiben willst. Aus gutem Grund, da bei Deiner Feier Leute wie die Bundeskanzlerin, Donald Trump oder Präsident Putin zugegen sein werden. Das verlangt nach Diskretion. Deinen Adelsnamen habe ich nur Fantomas mitgeteilt, unter absoluter Einhaltung seiner Verschwiegenheit, damit es schnellstmöglich auch die anderen zu wissen kriegen. Dass sie Bescheid wissen, werden sie Dir aber nicht gleich zeigen. Mache also einfach weiter Dein unscheinbares Gesicht, das wird Dir ja auch nicht schwerfallen. Und wenn Dich jemand anspricht, sagst Du einfach: Du weißt gar nicht, wovon er spräche.“ Rontrop setzte sich mit süffisantem Lächeln wieder zurück.

      „Eine kurze Recherche, und die Sache fliegt auf!“ sagte ich, war mir allerdings selbst gerade nicht klar, ob das einen Vorteil darstellen würde.

      „Sollen sie, sollen sie!“ Rontrops Augen nahmen die Form zweier Schlitze ein. „Hoch lebe das Gerücht. Denn wir befinden uns in einer Zeit, in der Fakten unwichtig geworden sind. An ihre Stelle sind digitale Herzchen und Daumen gerückt, der Manipulation Tür und Tor geöffnet. Scheiße muss gut schmecken, Millionen von Fliegen können nicht irren.“

      Für mich blieb es eine ziemlich dumme Idee. Allerdings war sie auch amüsant, ganz ohne Zweifel. „Ich stelle mir gerade vor, wie die Bundeskanzlerin mit Schlittschuhen über den Rittersaal fährt und eine Raute ins Eis kratzt …!“ Ich musste nun selbst schmunzeln.

      „Jaaaa, genau!“ flüsterte Rontrop nun wieder, und er freute sich, dass ich Spaß an seiner Geschichte zu bekommen schien. „Und was glaubst Du, wie die gestern alle geguckt haben, als ich davon berichtete, dass der Höhepunkt Deiner Party darin bestünde, dass nach Mitternacht die Fenster wieder geschlossen werden, der große Kamin angeworfen wird, und alle in dem langsam schmelzenden Eis zu baden beginnen, sich dabei wie blöd besaufen.“ Er konnte sein Lachen kaum noch bändigen. Er schaute mich nun prüfend an. „Wir haben gestern schon ordentlich gelacht. Und ich sage Dir, da werden noch viele mitmachen wollen. So was will sich doch keiner entgegen lassen. Und Du, lieber Ludwig, Ritter von Luessow zu Schulenburg, Du sitzt für die alle am Drücker. Herzchen und gehobene Daumen fliegen Dir zu. Damit bist Du wichtig. Und Du wirst lediglich nur aufpassen müssen, dass Du auf dem ganzen Schleim um Dich herum nicht ausrutscht und Dir die Knochen brichst.“

      Mein Kopf hatte sich heftig zu schütteln begonnen. Der Spaß würde erheblich zu weit gehen. „Ich muss das aufklären. Ich bin schließlich völlig unschuldig und habe bei einer Offenbarung nichts zu befürchten!“ konstatierte ich, allerdings dennoch nichts Gutes ahnend. „Ich tauge ganz sicher nicht zum Hochstapler.“

      „Papperlapapp! Du musst gar nichts!“ Rontrop hielt mich an meinem Arm fest. „Bleib´ einfach ganz normal. Wie gesagt, Dein Name ist Hase. Den Rest lass´ mich machen. Du wirst sehen, das wird eine Riesengaudi.“ Er ließ sich mit einem Ruck leicht nach Hinten fallen und verschränkte seine Arme. „Und Hochstapler, mein Freund? Davon, mein Bester, ist die ganze Stadt voll!“

      Ohne, dass wir nachbestellt hatten, wurden uns von Fantomas zwei weitere Getränke serviert. Ein Weizenbier für Rontrop, eine Flasche Riesling vom Weingut `Bimmerle, Schloss Neuweier´ des Jahrganges