Sabine von der Wellen

Das Vermächtnis aus der Vergangenheit


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sie nenne. Ich schließe meine Erzählung mit dem Auftauchen der drei in der JVA, als der Anwalt sie zu mir brachte. Alles weitere weiß sie selbst.

      „Das ist echt abgefahren! Und jetzt glaubst du, dass sie Sam und Teddy dafür bezahlt haben, um uns Samstag aus dem Weg zu räumen?“

      „Überleg doch mal. Erst lädt Sam uns zu seinem Geburtstag ein. Dann werdet ihr von der Polizei einkassiert, als sie auch mich kidnappen wollen. Naja, sie hätten kaum Chancen gehabt, wärt ihr den ganzen Abend bei mir gewesen. Und dann haben sie mir erzählt, sie hätten den Stoff von den Autos weggenommen, damit sie euch damit nicht belasten konnten. Aber Walter sagt, es gab keinen Stoff bei den Autos. Und ich glaube ihm. Woher sollten die Typen wissen, dass Stoff bei den Autos versteckt wurde und gleichzeitig die Bullen kommen, wenn sie ihn nicht selbst dort platziert haben und nicht selbst dafür sorgten, dass jemand die Bullen verständigt?“

      Ellen nickt nur und raunt: „Sie haben auch etwas gefunden, das sich letztendlich aber als Vitaminpulver herausgestellt hat. Sonst hätte dieser Anwalt uns nicht so einfach raushauen können.“

      Ich schüttele den Kopf. Wem kann man glauben und wer hat wirklich die Fäden gezogen?

      „Erik ist auf alle Fälle schwer geknickt, dass Sam und Teddy das mit ihm gemacht haben“, raune ich.

      Wieder nickt Ellen nur verstehend. „Sie waren seine Freunde. Fast so was wie Brüder“, murmelt sie.

      „Ich weiß!“

      Wir kommen vor dem Cafe an und ich sehe auf meine schöne Armbanduhr, die mir Erik zu meinem achtzehnten Geburtstag geschenkt hatte.

      „Oh Mann, ich muss mich beeilen.“ Ich drücke Ellen kurz an mich und hauche ihr ein „Danke!“ zu, weil sie mich hergebracht hat und mir wieder einmal ein offenes Ohr schenkte.

      „Bitte! Wir vier sind auch wie eine Familie. Da ist das selbstverständlich“, meint sie dazu nur.

      Ich nicke und drehe mich schnell um. Ihre Worte greifen mir ans Herz und sie hat recht! Wir sind wie eine kleine Familie ohne Eltern.

      Alessia empfängt mich wie immer freudestrahlend und wartet nur ab, bis ich umgezogen bin. Dann macht sie sich auch schon auf den Weg zu ihren Enkelkindern, mit denen sie an diesem Tag einen Kinonachmittag geplant hat.

      „Wir gehen in einen drolligen Kinderfilm. Niko, ein Rentier hebt ab. So heißt der“, sagt Alessia freudestrahlend und ich schaue sie nur lächelnd an. Seit sie Zeit mit den Kindern verbringt, scheint sie noch ein wenig gut gelaunter und energiegeladener zu sein. Ich freue mich darüber und bin stolz, dass ich ihr das ermögliche. Außerdem verdiene ich damit Geld, um mir einiges kaufen zu können. Aber mittlerweile ist klar, dass es keine Miete an Erik zu zahlen gibt und er übernimmt auch die Nebenkosten. Ich kann mich schon fast freuen, wenn ich mal etwas bezahlen darf.

      Aber Erik besteht darauf, mir mein kleines Budget zu erhalten und bei einem Streit vor einiger Zeit darüber hatte er geschimpft: „Das zahle ich allein. Ich bin schließlich auch die ganze Zeit hier und ich bin hier der uneingeschränkte Hausherr über die Wohnung, das Inventar und die Mieterin. Damit das klar ist. Und wenn du mir das streitig machst, kannst du auch gleich ein Messer nehmen und mir die Eier abschneiden.“

      Das wollte ich natürlich auf keinen Fall. Das wäre doch zu schade.

      Da war Erik noch hart und unerschütterlich gewesen. Doch die letzte Zeit hat ihn regelrecht niedergedrückt und erschreckend weichgemacht.

      Alessia sagt zum Abschied: „Okay! Ich gehe dann. Bis Freitag! Dann möchte ich mit meiner Tochter eine Wohnung anschauen gehen und am Abend kommt deine Mutter mich besuchen.“

      Ich schaue sie entgeistert an. „Meine Mutter?“

      „Ja, ich habe Sophie an deinem Geburtstag eingeladen und sie hat mich am Wochenende angerufen und wir gehen Freitag zusammen essen und dann auf ein Glas Wein zu mir. Dein Bruder nimmt sie dann wieder mit nach Hause.“

      Ich bin völlig perplex und Alessia lacht nur über meinen verdatterten Gesichtsausdruck.

      „Okay! Nah dann viel Spaß!“, kann ich dazu nur sagen.

      Am Abend holt mich Erik ab und wir gehen zusammen nach Hause. Aus der Küche duftet es nach Essen und ich sehe Erik erstaunt an.

      „Die letzte Vorlesung ist ausgefallen und ich habe uns ein paar Schnitzel vom Metzger geholt und gebraten. Den Kartoffelsalat habe ich allerdings fertig gekauft.“

      „Wow! Ich liebe es, wenn du kochst“, säusele ich und hauche ihm einen Kuss auf den Mund. Beim Essen raune ich ihm neckend zu: „Du bist mein Held! Wer hat schon einen Mann, der auch kochen kann?“

      Er grinst nur, sich ein großes Stück Fleisch in den Mund schiebend und ich sehe ihm an, dass er sich langsam wieder fängt. Den ersten Schock darüber, dass seine Zuhälterfamilie ihm eine Nacht in der JVA bescherte, scheint überwunden zu sein.

      An diesem Abend schmiege ich mich im Bett an ihn und sage ihm, was seine Schwester mir gesagt hat. „Ellen meint, wir vier sind eine Familie. Ist das nicht süß?“

      „Süß? Eher peinlich. Ellen ist doch wohl aus dem Alter raus, dass ihr so etwas noch wichtig ist“, murmelt er.

      Das sagt mein großer Gangster, der niemals aus diesem Alter herauszukommen scheint.

      Auch wenn Erik den harten Typen immer wieder rauskehrt, so lässt sich nicht verleugnen, dass er tief in seinem Inneren ein Junge ist, der sich mit fünf Jahren von einer liebevollen, fröhlichen Welt verabschieden musste, als ein durchgeknalltes Kindermädchen ihn entführte und böse verletzte.

      „Hm, ich finde den Gedanken schön“, antworte ich ihm. „Ich bin froh, euch drei zu haben.“

      Er drückt mich an sich und küsst mich auf die Stirn, sagt aber nichts.

      Erschöpft von den Auswirkungen des Wochenendes und dem Tag, der hinter uns liegt, liegen wir beide nur da und hängen unseren Gedanken nach, bis uns der Schlaf in seine Dimensionen lockt.

      Am nächsten Tag fahren Ellen und ich wieder zur Fahrschule. Es ist unsere dritte Theoriestunde und wir rauchen noch schnell eine Zigarette, bevor wir uns in das graue Gebäude mit der riesigen, gelben Aufschrift begeben. Die beiden Mädels, die mich am Donnerstag ansprachen, kommen an uns vorbei und ich frage sie, wie ihre ersten Fahrstunden waren.

      „Oh, schrecklich!“, sagt Nina und lässt ihre schiefen Hasenzähne aufblitzen. „Voll chaotisch! Ich dachte ständig, ich ramme was.“

      Sarah winkt ab. „Ach, Heulsuse! Ich fand das gestern voll cool. Ich glaube, ich bin echt gut!“

      Sarah macht mir Hoffnung und auch Ellen lassen ihre Worte nicht kalt. Sie hat noch viel mehr Angst vor dem Fahren als ich.

      Wir rauchen zu Ende und Sarah zieht ihre Freundin schon in das Gebäude der Fahrschule.

      Ich frage Ellen, den beiden hinterhersehend: „Wir müssen noch die Passbilder abgeben und wann wollen wir den Erste-Hilfe-Kurs machen?“

      Erik hatte mir am Morgen beim Frühstücken gesagt, dass ich in der Fahrschule nach einem Termin dafür fragen soll.

      Statt darauf zu antworten, knurrt Ellen: „Ne, nicht der schon wieder! Und sooo dreist! Unfassbar!“

      Ich sehe sie verunsichert an und drehe mich um, ihrem Blick folgend.

      Grinsend kommt Werner bei uns an, wirft seine lange, blonde Strähne etwas zur Seite, um seine grünen Augen eine freie Sicht zu bieten und sagt: „Hi, ihr zwei Hübschen. Unsere dritte Stunde! Und schon fleißig Fragenkataloge gewälzt?“

      „Was willst du denn schon wieder?“, knurrt Ellen nur, statt ihm zu antworten.

      Ich lächele ihn an und drehe mich zu ihm um. „Ne, noch gar nicht! Aber diese Woche muss ich ernsthaft damit anfangen.“

      „Aber bestimmt! Sonst ziehen wir nicht gleich, wenn du durch die erste Prüfung rasselst“, sagt er und lacht über meinen Gesichtsausdruck. Dabei