Rainer Seuring

Eringus - Freddoris magische Eiszeit


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er ständig wieder ab und dreht sich schon bald in einem sehr engen Kreis. Das gemeine Gelächter begleitet sein Mühen und reizt ihn nur noch mehr. Eringus hat aber schnell erkannt, dass er im Moment nicht fähig ist, dieses Gefängnis zu verlassen. Zuletzt wendet er sich dem Alb wieder zu. Gefährlich drohend blickt er die schwarze Gestalt an. Seine Augen haben sich zu dünnen Schlitzen verengt. Er lässt sich nieder, doch jeder Muskel ist deutlich sichtbar angespannt. Aus seinen Nüstern quillt dichter Rauch. Der Kragen um seinen Hals ist aufgestellt.

      „Braves Haustierchen, sehr brav.“, lobt der Alb in ironisch liebenswürdigem Ton.

      Erneut springt Eringus auf, doch die Sinnlosigkeit erkennend legt er sich widerstrebend wieder hin. Das Brummen, das von ihm ausgeht, verheißt nichts Gutes. Er ist kein Tier und schon gar kein Haustierchen.

      „Na, Sigurdchen, dämmert es? Auch wenn du damals nicht dabei warst, solltest du doch aus euren Analen den Alb Freddori kennen. Du würdest mich enttäuschen, wäre dem nicht so.“

      Nun will der König seinerseits versuchen, den Alb anzugreifen und greift zu seiner Waffe. Jener streckt nur den Arm aus und irgendetwas drückt den Zwergen wieder nieder. Die Hand ist am Schwertgriff fest gepresst, dass die Knöchel weiß hervortreten. Er kann die Finger nicht lösen.

      „Ach, ist das fein. Ohne euren Gabbro seid ihr Zwerge doch auch nur Kümmerlinge wie die Halblinge. Keiner von euch hier kann mir etwas anhaben. KEINER!“ Das letzte Wort hat der Alb geschrien. Dabei erreicht er eine derartige Lautstärke und Tonhöhe, dass allen die Ohren schmerzen. Es klingt wahnsinnig.

      „Seit der Schlacht damals habe ich viel dazu gelernt. Der Plan mit den Riesen war gut, doch nicht zu Ende gedacht. Kein Wesen, und sei es noch so groß, kann uns helfen. Wir selbst nur können Herren dieser Welt werden und die Seelen befreien, die die Götter in euren Körpern gefangen halten. Ach, ich vergas. Die Drachen sind ja gottlose Geschöpfe. Keiner von den Schöpfern der Erde wollte euch haben, als die Natur euch gebar. Mächtig seid ihr, wohl war. Doch selbst die Drachen haben ihre Gelegenheit verschlafen. Inzwischen reicht auch die Macht von euch allen nicht, mich allein zu besiegen. Wer sich feindselig mir nähert, wird von mir bemerkt, bevor er auch nur auf Pfeilschussnähe heran kommt. Selbst aus der Luft merke ich jeden Feind bis in Adlers Höhe. Ihr sucht einen Plan, mich zu besiegen? Vergesst es.“ Erneut lacht der Alb.

      Er hat den Arm wieder sinken lassen und Sigurd kann endlich die Hand vom Schwert nehmen. Vor Schmerzen schüttelt er sie, bleibt aber liegen. Nicht noch einmal dem immensen Druck aussetzen.

      „Ihr lernt schnell, Sigurd. Das ist gut so. Hoffentlich lernt ihr auch, mit dem Tode umzugehen. Er wird euch Zwerge langsam ereilen. Ich werde meine Rache für damals genießen. Nichts formt eine Seele so schön, wie die Trauer und der Schmerz um die Lieben, deren Elend und Tod man miterleben muss.

      Wisst ihr, König, der Krieg damals, das war nicht nach meinem Geschmack. Es ging alles viel zu schnell. Kein genussvolles Seelen befreien. Hieb, Stich, Tod und fertig. Nein, nein, Alamon hat das so gewollt. Wie dumm von ihm. Keine Ahnung wo er steckt. Wahrscheinlich hat sich noch kein neuer Körper für ihn gefunden. Der Ärmste.“ Der Tonfall des Alben wechselt beständig zwischen gespieltem Mitleid, Hohn, Gehässigkeit und schwärmerischer Gemeinheit hin und her.

      „Jetzt werde ich mir erst einmal eine hübsche Bleibe herrichten. Ich kann unmöglich den Ort meines Triumpfes vor dem Finale verlassen. Bis zum letzten Moment werde ich es auskosten, solange auch nur noch ein Zwerg lebt. Ach ja, bevor ich es vergesse. Ab morgen weht hier ein anderer Wind. Ich mag es gern behaglich und bin aus dem Norden ein anderes Klima gewohnt. Ein wenig frischer, wie ihr schon bald verstehen werdet.“

      Er wendet sich schon zum Gehen, als ihm noch etwas einfällt.

      „Ja sagt doch mal, sollte hier nicht auch noch eine kleine Traumfee herumschwirren? Ja wo ist denn die Kleine? Ach, sieh an, da bist du ja, du Hauch eines Träumchens. Hab ich dich aus Versehen mit dem Drachen eingesperrt? Hast dich wohl in der Nase des Drachen versteckt, wo es so schön warm ist. Sichere dir den Platz, du wirst ihn brauchen.“

      Anscheinend schwebend verlässt er die Wiese und taucht im dichten dunklen Wald unter. Sein Gelächter ist noch zu hören, als er schon längst den Blicken entschwunden ist.

      Die Stille, die sich nach des Alben Auftritt breit macht, ist belastend. Doch keiner ist in der Lage, etwas zu sagen. Noch völlig benommen sitzen oder liegen alle im Gras. Nur Eringus nicht. Der prüft sein Gefängnis, das ihm nur sehr wenig Platz lässt.

      „Jetzt sieh dir das einmal an.“, schimpft er und meint damit Jade. Er reckt den Hals nach vorn und drückt sich die Nase an einer klaren durchsichtigen Mauer platt. „Und guck mal hinten.“, nuschelt er dabei und presst seinen Schwanz an eben selbiger Wand krumm. „Vorne drei Schritt, hinten drei Schritt, mehr hat der Verbrecher mir nicht gelassen. Und das kreisrund. Ich kann mich drehen und wenden wie ich will. Die Flügel kann ich auch nicht ausbreiten. Versuch doch mal, ob du oben heraus kommst. Verletz dich aber nicht an der Wand. Wer weiß, ob die überall so glatt ist, wie hier unten. Vielleicht hat der Alb unsichtbare Spitzen oder Kanten eingebaut, die du nicht siehst.“

      Augenblicklich schwirrt Jade nach oben. „Autsch. Verdammt. Das war mein Kopf. Moment mal. Ich will mal tasten. Guck mir genau zu. Ich fliege jetzt an der Wand entlang nach oben.“

      Die Außenstehenden oder besser, die Außensitzenden können Jade nicht verfolgen, wohl aber der feinsichtige Drache. Er beobachtet, wie Jade sich immer mehr der Mitte des Kreises nähert, während sie immer höher steigt. Etwa auf Wipfelhöhe endlich geht es unbehindert aufwärts.

      „Hier komm ich raus.“, jubelt sie und beschleunigt ihren Flug. „Aua. Da ist schon wieder eine Mauer.“ Nachdem sich die Mauer kuppelförmig immer mehr nach oben verjüngt hat, strebt sie über den Bäumen in gleichem Maße wieder auseinander, wie Jades Testflug zeigt.

      „Ich kann nicht mehr, Eringus! Höher kann ich nicht!“, ruft sie nach unten. Dann schreit sie: „Ich bin gefangen. Hilfe, ich will hier raus!“

      „Komm wieder runter, Jade. Das bringt so nichts. Wir sitzen beide fest. Ich muss jetzt erst einmal überlegen. Ich kann nicht fliegen und außerdem ist der Durchlass für mich zu eng. Du kannst zwar fliegen und kommst durch, aber das Gefängnis ist viel zu hoch.“ Eringus hat sich wieder nieder gelassen.

      „So sieht also ein friedlicher Drache aus.“, flüstert Guda zu Beata, die zuerst wieder Worte findet.

      „Ja, so sieht ein friedlicher Drache aus.“ Nicht Beata, sondern Eringus gibt die Antwort. „Du musst Guda sein, Beatas Freundin. Ich freue mich, dich kennen zu lernen. Schade nur, dass die Umstände für uns alle mehr als beschissen sind. Verzeih das klare Wort. Tritt näher, auch wenn du Angst vor mir hast. Wie du siehst“, dabei gibt er einen klitzekleinen Feuerstoß in die Höhe ab, „es kann dir nichts passieren. Erst recht nicht, weil ich dir nichts tun will.“

      Mit ausgestreckten Armen geht Guda auf den Drachen zu, bis sie den Widerstand der Wand spürt.

      „Du siehst nett aus, Guda. Ich denke, ich werde mich gut mit dir vertragen können. Schade, dass ich nicht deinen Geruch aufnehmen kann. Diese vermaledeite Wand ist auch geruchsdicht. Da geht nichts rein und auch nichts raus.

      Hey, ihr da draußen. Würdet ihr vielleicht mal ein wenig näher kommen? Wir müssen Rat halten.“

      Langsam lösen sich alle aus ihrer Starre und treten an Eringus Gefängnis heran.

      „Bitte versammelt euch vor mir. Ich kann zwar trotz Bewegungseinschränkung meinen Kopf bewegen, doch mag ich nicht immer meine Nase an der Wand abputzen. Das sieht mit der Zeit sicher nicht gut aus.“

      Als alle vor ihm stehen fährt er fort: „Zur Lösung meines Problems werde ich etwas länger brauchen. Gerbera, mit dir mag ich beginnen. Geh bitte gleich ins Dorf und regele das Nötigste. Schick mir Meister Schachtelhalm. Er wird hier dringend benötigt und sollte morgen früh seine Arbeit beginnen können. Irgendwie müssen wir es hin bekommen, Jade hier heraus zu holen. Ich halte länger aus als sie. Sicher werde ich dich morgen hier auch wieder