Rainer Seuring

Eringus - Freddoris magische Eiszeit


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sollen, als ich vorhin sagte, du sollst nach der schwarzen Wolke sehen.“

      „Das hätte doch nichts mehr gebracht. Der schwarze Alb war doch schon kurz danach hier. Außerdem war diese Begegnung unausweichlich. Er kann mich nicht als seinen Gegner frei umher laufen lassen.“

      „Trotzdem“, beginnt Jade, doch Eringus fällt ihr ins Wort.

      „Es gibt kein Trotzdem. Und jetzt ist Schluss. Willst du hier raus? Wie lange kannst du ohne Blütennektar leben? Also halt den Mund. Ich will in Ruhe denken.“, fordert er.

      Jade brummelt etwas. Leider muss sie dem Drachen recht geben. Wie gerne würde sie gerade jetzt leckeren Nektar naschen. Er hat ihr Hunger gemacht.

      „Und brummel nicht so laut. Hock dich in eine Eckchen und gib Ruhe.“

      „Ins Eckchen?“, fragt Jade nach.

      „Ja.“, knurrt Eringus.

      „Im runden Gefängnis ins Eckchen? Wirklich?“ Und dann beginnt Jade aus vollem Hals zu lachen und kann überhaupt nicht mehr aufhören. Sie lacht und lacht und lacht.

      Gequält verdreht Eringus die Augen.

      Erste Maßnahmen

      Jade hat sich dann doch wieder beruhigt. Sie hat auch tatsächlich ein Eckchen gefunden. Aber nicht im Gefängnis, sondern ein Besonderes auf Eringus Rücken. Sie hält ein Schläfchen. Jedenfalls hat Eringus nun seine Ruhe und kann ungestört seinen Gedanken nachhängen. Es ist dunkel geworden und die Sterne stehen am klaren Himmel.

      Nach seiner Begegnung mit einem Elben zu Beatas Geburt hat er nun einen Alben kennen gelernt. Die Umstände dazu sind im Moment nachrangig. Es ist ein weiterer Hinweis darauf, dass Waltruda im Buch über Utz viele, wenn nicht sogar nur Wahrheiten geschrieben hat und macht ein klärendes Gespräch zwingend notwendig. Eventuell ließe sich ja einiges aus dem Alben heraus locken, auch wenn dann jegliche Aussage gründlich durchleuchtet werden muss. Lug und Trug ist sicherlich ein großer Teil seines Wesens.

      Drachen sind gottlos hat er gesagt. Keiner will sie haben. Also haben alle anderen Geschöpfe einen Gott. Ein weit schweifendes Thema, das in viel Ruhe durchdacht werden will. Deshalb muss es hinten angestellt werden.

      Die Drachen haben ihre Gelegenheit verschlafen und keine Macht mehr gegen ihn. Welche Macht und welche Gelegenheit? Durch die Vererbung des Wissens, wie es bei Drachen natürlich ist, reicht Eringus Wissens- und Erfahrungsschatz unglaublich weit zurück in die Vergangenheit. Trotzdem findet er nichts darin, was auf irgendwelche Macht oder Kräfte hinweist. Eine Antwort darauf oder zumindest einen Hinweis kann ebenfalls nur der Alb geben. Das zu ergründen wird besonders schwer werden. Möglicher Weise ließe sich ja dadurch das Gefängnis sprengen und das ist mit absoluter Sicherheit nicht im Sinne des Alben.

      Ein leicht kitzelndes Tasten in seinem Kopf unterbricht den Drachen in seinen Gedankengängen. Es ist, wie wenn Jade ihn mit ihren Gedanken wecken will. Schleunigst blickt Eringus sich um und kann tatsächlich, wenn auch mit Mühe, im Schwarz zwischen den Bäumen das noch tiefere Schwarz des Gewandes des Alben erkennen.

      „Man merkt, dass du nicht gewohnt bist, deine Gedanken zu verbergen, Drache.“, vernimmt Eringus das Flüstern in seinem Kopf. „Aber du bist noch nicht völlig abgestumpft, wie ich sehe. Das macht sicher dein Umgang mit diesem Traumkrümel. Ich werde dich auch gerne belehren und deine Fragen klären. Noch habe ich viel Zeit bis zum großen Finale, denn das Drama hat eben erst begonnen und mein Genuss wird täglich größer werden. Je größer euer Leid, desto erregender meine Freude.

      Beginnen wir mit dem Göttern. Ja, Waltruda hat damals viele Wahrheiten erfahren und nieder geschrieben. Irandina, das dämliche Weib, hat uns verraten. Bei den Göttern und bei der Zwergin. Also: Götter gibt es. Die spielen ihre Spielchen und ihre Geschöpfe hier auf der Erde sind die Spielsachen. Es macht ihnen Freude, wenn die eigenen, selbst geschaffenen Wesen die der anderen beherrschen können. Sie dir nur mal die Geschichte von Flora und Favna, den dummen Gören, an. Fangen an zu spielen und brechen letztendlich einen Streit vom Zaun, in den sogar ihre Geschwister eingebunden werden. Die Mutter schläft angeblich immer noch. Und wer ist der Leidtragende? Alles, was du liebst, Drache. Blumen und Pflanzen und die Halblinge. Was sind das für Götter, frag ich dich? Keine Fürsorge für ihre Geschöpfe. Na gut, ab und zu lassen sie mal was von sich hören. Wie Gabbro damals. Aber danach hat man den Kerl auch nicht mehr gesehen. Was nutzt ein Gott, wenn er nicht für dich da ist? Viele Völker haben sogar mehr Götter als gut sein kann. Für jeden Scheiß ist ein Anderer zuständig und wenn du mal den Falschen um Hilfe bittest, kriegst du sogar noch eine auf‘s Hirn für den Fehler und der andere ist eingeschnappt. Und eben diese Götter strafen uns, weil wir ihr gemeines Spiel durchschaut haben und ihre Spielsachen aus dem irdischen Gefängnis befreien. Und dann sind wir auch noch die Bösen, weil wir uns bei der Befreiung selbst ein kleines bisschen Vergnügen machen. Jeder hält uns für Böse. Du doch auch, wie ich eben in deinen Gedanken lesen konnte. Lug und Trug unterstellst du mir. Dabei sollte man uns dankbar sein, aus diesem gemeinen göttlichen Spiel befreit zu werden.“

      Jeder Mensch hätte bei diesem Redefluss tief Luft holen müssen. Diese Unterhaltung aber findet ausschließlich auf gedanklichem Weg statt.

      Der Alb ist spürbar überzeugt von dem, was er sagt. Tonfall und Ausstrahlung beweisen das Eringus. „Und wir Drachen haben tatsächlich keinen Gott?“, will er wissen

      Ein abrupter Stimmungswechsel und mit triumphierendem Ton führt Freddori weiter aus: „Ihr Drachen seid ein Rülpser von Mutter Natur, wenn man so sagen will. Schwupps wart ihr da, doch keiner fühlt sich für euch zuständig, von diesen tollen Göttern. Dabei seid ihr im Grunde gar wunderbare Geschöpfe. Ein Ausbund an Kraft und Stärke, mit ständig zunehmender Klugheit und Geschicklichkeit, doch dumm, was eure innere Kraft angeht. So mancher Drache hat schon unachtsam seine Magie eingesetzt, ohne zu registrieren, was er da gerade tut. Deswegen war ich auch anfangs doch sehr enttäuscht, in euch keine Gegner zu finden. Du hättest meinen Zauber mit einem Lächeln abwehren können. In euch liegt auch die Kraft, eine Schutzwand zu wirken, die magische Angriffe abwehrt. Dieses Wissen hat euch keiner eröffnet. Deswegen verweigern sich auch die Götter, euch in Obhut zu nehmen. Ihr seid im Grunde zu mächtig für ihre Spielchen. Der Drache in der Titri, weit im Osten hatte auch keine Ahnung, bis ich ihm zum Schluss die Augen öffnete. Bei dem Drachen im Fergunna war ich schon darauf gefasst, leichtes Spiel zu haben. Doch so eine Drachenseele ist ein so herrliches Gebilde, dass es jede Enttäuschung wett macht. Ich freue mich schon auf die Deine.“

      „Und wie finde ich die Magie in mir?“

      Die Frage ist zu plump, wie Eringus sofort selbst feststellt. Entsprechend auch lautet die Antwort des Alben.

      „Nicht zu eilig mein Freund. Ich halte es, wie bei den anderen Drachen. Die letzte Wahrheit kommt zum Schluss. Hör doch mal in dich hinein. Vielleicht findest du ja etwas.

      Fürs Erste soll das aber nun mal genug sein. Du wirst sicher jetzt viel Denken müssen. Ihr Drachen seid nicht die Schnellsten in solchen Dingen. Ich geh derweil, mein Werk zu festigen. Viel Erfolg, weiser Drache.“

      Nach wenigen Schritten ist der Alb im Dunkel der Nacht verschwunden.

      „Und was machst du jetzt?“ Jade ist erwacht.

      „Schon lange zugehört?“

      „Die ganze Zeit. Ich bin erwacht, weil du zusammen gezuckt bist. War sehr überraschend, was?“

      „Was?“

      „Dass die schwarze Bestie auch Gedanken lesen kann.“

      „Das kannst du laut sagen.“

      „Willst du mich schon wieder zum Lachen bringen? Ich und laut sagen? Wenn ich schreie fällt nicht mal eine Fliege von der Wand.

      Lassen wir das. Laut Waltruda Harthieb hat Alamon auch mit den beiden gefangenen Zwergen Burck und Merkel gedanklich gesprochen. Daran hast du nicht gedacht, stimmt’s?