Rainer Seuring

Eringus - Freddoris magische Eiszeit


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Alb zu verbergen und du wirst mir dabei helfen. Das wird bestimmt auch dir einmal von Nutzen sein.

      Und in mich rein hören will ich. Vielleicht hat der Alb damit zu viel verraten; hoffe ich.“

      „Sei mal still.“, verlangt Jade urplötzlich. „Hörst du das auch?“

      „Du meinst die da?“, fragt Eringus zurück und zeigt mit seiner Schwanzspitze auf einige Rudel Rehwild, die in geringer Entfernung zu Ihnen ruhig vorbei ziehen. Das mit der Schwanzspitze hat er sich angewöhnt, als er Magda unterwies. Es ist eine praktische Art zu zeigen, wenn man keine Hände hat.

      „Sowas hab ich gestern schon erlebt, aber heute sind es noch deutlich mehr. Mir scheint, als triebe jemand die Tiere vor sich her.“

      „Was hat das zu bedeuten? Hast du eine Ahnung.“

      Eringus hebt den Kopf und schnüffelt. „Nein, keine Ahnung. Einen Verdacht hatte ich gestern. Heute weiß ich es.“ Erneut nimmt er Witterung auf. „Riechst du es nicht? Von oben dringt ein Geruch herein. Schnee kommt.“

      „Jetzt, im Winnemond soll es schneien. Bei dir reißen die Witze in letzter Zeit aber gar nicht mehr ab.“

      „Riech und halt den Mund.“

      „Immer soll ich den Mund halten.“, protestiert Jade. Dann kann jeder, der ein so feines Gehör wie ein Drache hat, das leise Schnüffeln der kleinen Traumfee hören. „Nie hätte ich das geglaubt. Eringus, du hast recht. Und wie kommt das?“

      „Dass ich recht habe? Hab ich doch immer.“

      „Quatsch. Dass Schnee kommt.“

      „Die Prophezeiung. Der Alb ist die Prophezeiung. Er bringt uns den langen Winter und alles Wild, das äst, wandert dem Futter hinterher. Sicher kommt recht allmählich eine Schneefront auf uns zu. Sieh nach oben.“

      Quälend langsam schiebt sich die schwarze Wolke vor Mond und Sterne und taucht die Nacht in das schwärzeste Schwarz, das man sich nur vorstellen kann. Jade kann ihre Hand wirklich nur dann erahnen, wenn sie fast die Nasenspitze berührt.

      „Die Wolke ist nicht normal. Das ist vermutlich das, was ich weit im Osten gesehen habe.“, sagt Eringus in die Stille.

      „Klar, die ist viel zu schwarz.“, bestätigt Jade.

      „Das ist es nicht allein. Fällt dir nicht mehr auf?“

      „Wie soll mir jetzt im Dunkeln an einer dunklen Wolke etwas großartig auffallen?“

      „Die Wolke wandert gegen die normale Luftströmung. Sie ist sehr hoch, ich schätze mal etwa 25.000 Fuß und die Wolken die ich zuvor darunter gesehen habe, zogen von Nordwest nach Südost. Die stört sich nicht daran. Irgendwie hat die einen eigenen schleichenden Antrieb. Viel zu langsam, für eine echte Wolke. Außerdem ist die so schwarz, weil viele dicke und feste Teile drin sind. Das kann aber nicht sein. Auf ihrem Weg hierher, hätte Regen die schweren Teile heraus spülen müssen. Eine normale Wolke mit so viel Dreck drin, wäre gar nicht bis hierhergekommen, der wäre schon viel früher herunter gefallen. Das ist bestimmt eine Teufelei des Alben. Da würde ich drauf wetten. Alles so unnatürlich, wie das Unwetter bei seinem Auftritt.“

      „Wer wetten will, will auch betrügen, hat meine Mama immer gesagt.“, statuiert die Traumfee.

      „Ist 25.000 Fuß sehr hoch?“ Eine unvorstellbare Höhe für die kleine Jade, deren größte Flughöhe nur knapp über die höchsten Baumwipfel reicht.

      „Enorm hoch, meine Liebe. Da ist die Luft sehr sehr dünn. Nichts für kleine Traumfeen.“

      Die Tiere sind schon weiter gezogen. Sie fliehen vor der Bedrängnis, die von der Wolke ausgeht. Die tiefe Dunkelheit würde auch sie zur Bewegungsunfähigkeit verdammen. Jeder Schritt könnte einen Bruch der zarten Beine und damit unweigerlich den Tod bedeuten. Ein willkommenes Opfer all ihrer Jäger.

      „Reh und Hirsch sind zwar einfache Tiere, doch haben sie einen guten Fluchtinstinkt. Das ist ihnen angeboren. Außerdem sind auch einfache Tiere noch lange nicht dumm. Welche Hirschkuh kratzt mit ihren Hufen im Schnee nach Futter, wenn die gute Nase leckeres Grün in erreichbarer Nähe riecht. Bald werden sie rasten müssen, weil sie nichts mehr sehen.

      Er ist ein äußerst gefährliches Wesen, dieser Alb Freddori. Das Dunkel erlaubt ihm, ungesehen überall und zu jederzeit völlig überraschend aufzutauchen. Seine schwarze Kutte ist jetzt nicht einmal mehr für meine Augen sichtbar.

      Und es wird ein langer Winter. Er will alle hier ganz langsam verhungern lassen. Und damit die Menschen, Zwerge und Halblinge baldigst kein Jagdglück mehr haben, treibt er mit dem langsam voranschreitenden Winter alles Wild aus den Wäldern. Genauso hat er es auch mit den Vögeln gemacht. Alle Fliegenfresser sind weg, weil auch die Fliegen vor der Kälte fliehen. Ich muss unbedingt Sigurd morgen davon berichten. Es wird sicherlich von großer Bedeutung sein. Da wird der Turmbau noch ein wenig warten müssen.“

      „Oh, weh.“ Jade schwant fürchterliches.

      „Keine Zeit zu jammern, meine liebe Freundin. Wir haben zu tun. Viel zu tun und zu lernen.“

      „Was soll ich in meinem Alter noch lernen?!“

      „Du hast mir noch nie gesagt, wie alt du bist, fällt mir dabei gerade ein. Du bist schon sehr lange bei mir, aber so genau …“

      „Brauchst du es auch gar nicht zu wissen.“, fällt ihm die Traumfee ins Wort. „Eine Frau braucht ihre Geheimnisse.“

      „Oh, ja, ich vergas. Die Gnädigste ist schwirrig und launisch.“

      „Ich bin nicht launisch. Schwirrig ja, aber launisch Nein. Ach, was ich mich nach einem Traumfeer sehne.“

      „Nennt ihr so eure >Männer<?“ Eringus hat das Wort Männer etwas vorsichtig ausgesprochen. Er ist sich nicht im Klaren, ob dieser Ausdruck als passend empfunden wird.

      „Klar doch. Die Menschen hätten sich vielleicht jetzt einen Traumhexer oder sowas ausgedacht oder erwartet. Aber das ist, denke ich, die rechte Übersetzung. In unserer eigenen Traumsprache klingt das aber natürlich anders. Liebevoller, wenn du verstehst.“

      „Ich muss feststellen, dass ich mich noch viel zu wenig mit dir und eurem Volk beschäftigt habe. Das muss ich dringend nachholen.“

      „Ach, und das willst du jetzt lernen?“

      „Nein. Das muss leider auch warten, doch ich freue mich schon drauf. Jetzt erst einmal müssen wir üben, unsere Gedanken für uns zu behalten.“

      „Das ist leicht, das kann ich schon. Soll ich es dir beibringen?“

      Eringus ist erstaunt über diese mehr als überraschende Aussage.

      „Und wie machst du das?“, will er wissen.

      „Ich denke einfach nicht, wenn du da bist.“

      Selbst Eringus kann im Dunkeln das diebische Grinsen nicht sehen. Aber er hört es im Tonfall. „Ein bisschen mehr Ernst, meine Dame.“, fordert er, allerdings auch leicht amüsiert, um dann bestimmter fortzufahren: „Wir müssen lernen, uns vor dem Alb zu schützen. Er kann unsere Gefühle und Gedanken bestimmt noch deutlich besser verstehen und wahrnehmen als ich. Wir müssen lernen, uns vor ihm zu verbergen. Ich bin überzeugt, es wird die Zeit kommen, da wir dies können müssen. Unser Leben wird davon abhängen.“

      „Bist du jetzt auch unter die Propheten gegangen?“

      „Nein, dazu habe ich genug Wissen. Und ich habe gelernt, dass die Götter nicht nur mit uns spielen, wie er meint. Sie spielen auch mit ihm, sonst gäbe es nicht diese Voraussagen. Einiges war wohl wahr an dem, was er sagte. Nur sein Blickwinkel ist falsch.“

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