Rainer Seuring

Eringus - Freddoris magische Eiszeit


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      Mit dir, Sigurd, rede ich gleich.

      Dir, liebe Beata, will ich zunächst mein aufrichtiges Beileid aussprechen.“ Beipflichtendes Nicken von Gerbera und Sigurd, nebst: „Ja, von mir auch.“-Gemurmel. „Ich hasse solche Floskeln zwar, doch kommt es nun aus wahrlich tiefstem Herzen. Berichte, was ist passiert mit deiner Mutter?“

      Gerbera sollte sich eigentlich schon in ihr Dorf aufmachen, doch die Neugier hält sie fest und Beata erzählt, was sie über die Umstände, die zum Tode Magdas führten, weiß. Sie endet mit: „Also dachte ich, du könntest mir helfen. Unter deinem Druck wird jeder die Wahrheit sprechen.“

      „Also hast du einen Verdacht?“, fragt Eringus.

      „Es ist mehr eine Vermutung. Niemandem ist bekannt, wer einen Grund für die Tat hätte. Ich habe nur diesen Pfeil und die Beschreibung, die mir Frieder gegeben hat. Vielleicht, dass die in Lanczengeseze einen Grund hätten.“

      „Dann ist es aber ein Wunder, warum sie so lange gewartet haben sollten. Immerhin sind seit damals zwanzig Jahre vergangen. Es schadet nichts, dort nachzufragen, doch denke ich eher dass wir dort den Täter nicht finden werden. Du hast nur den Pfeil, wie du sagst. So nimm den Pfeil und wandere durchs Land, wer solch Geschoss schon mal gesehen haben mag. Triffst du auf den Täter, wirst du seine Lüge spüren. Diese Gabe hast du, auch wenn du keine Gedanken lesen kannst. Die andere Möglichkeit wäre, einen Wettbewerb zu veranstalten, für den besten Bogenschützen einen Preis aussetzen und die Pfeile prüfen. Mag sein, der Täter verrät sich dadurch. Ach, ja, noch Eines, bevor du gehst. Wie geht es mit deinen Brüdern und dem kleinen Mädchen weiter? Können sie sich selbst vorstehen?“

      „Mehr schlecht als recht, Eringus. Ich dachte Guda bei ihnen zu lassen, bis ich meine Suche beendet habe. Vor allem in der Verteidigung sind sie sehr ungeübt. Das hat Mutter leider versäumt.“

      „Dann schlage ich vor, dass sie von einem Zwerg unterrichtet werden. Es dauert zu lange, bis du wieder zu Hause sein wirst. Und einzeln verzögert ein Unterricht auch zu sehr den Erfolg. Doch auch die Arbeit auf dem Hof muss gemacht werden. Sigurd, mein Bester, meinst du, dein Sohn Gernhelm wäre bereit, sich der Knaben anzunehmen und sie zu unterrichten? Im Moment kann er für seine Schwester nur wenig tun, wie ich meine. Da mag es eine gute Ablenkung für ihn sein.“

      „Da hast du wohl, wie immer, recht, weiser Drache. Ich werde ihn nicht fragen. Ich werde ihm den königlichen Befehl geben, dem auch er gehorchen muss.“ Und zu Beata gewandt: „Ich werde ihn schicken, sobald ich wieder in Steinenaue bin.“

      „Ich danke euch beiden.“, sagt Beata. „Das hilft mir weiter. Doch was ist mit deinem Problem, Eringus?“

      „Dabei kannst du mir im Moment nicht helfen. Da vertraue ich auf die Zwerge und die Halblinge. Geh beruhigt deines Weges. Ich lasse dir Nachricht zu kommen, wenn ich deiner Hilfe bedarf.“

      „Vielen Dank, lieber Eringus. Am liebsten würde ich dich jetzt drücken, für deinen Beistand. Doch leider ... “ Der Rest bleibt ungesagt.

      „Bis bald, Eringus, hoffe ich.“, verabschiedet sich Guda mutiger geworden.

      „Ich freue mich schon.“, antwortet der Drache zuversichtlich. Endlich eilt auch Gerbera in ihr Dorf, nachdem sie durch einen Blick von Eringus an ihre Aufgabe erinnert wurde.

      Guda wendet sich noch einmal zurück. „Verzeiht, wenn ich nochmals störe.“, entschuldigt sie sich. „Großmächtiger, dürfte ich mir in Steinenaue einige Essenzen holen? Ich würde Magda gerne reinigen und einbalsamieren. Ich glaube, diese Ehrerbietung steht ihr zu.“

      „Selbstverständlich, Guda. Lasst euch vom Medicus das Beste vom Besten geben. Ihr habt völlig recht, das ist das Mindeste für meine Magda.“, erlaubt Sigurd. Es wird wohl selbst am letzten Tag seines hoffentlich noch langen Lebens >seine< Magda sein.

      „Nun sind wir allein, Sigurd, und dein Problem soll besprochen werden.“, wendet sich Eringus dem Zwergenkönig zu, als Guda hinter Beata verschwunden ist.

      „Ich kann dir nicht erklären, was nicht erklärbar ist. Also kann ich dir auch nicht helfen. Nach den Gesetzen der Logik gibt es kein spurloses Verschwinden. Vielleicht solltest du die Haltung deiner Frau annehmen und in Gottvertrauen auf die Wiederkehr der beiden Vermissten warten.“

      In Sigurds Gesicht spiegelt sich grenzenloses Erstaunen. „Bist du jetzt auch schon unter die Hellseher gegangen?“

      „Nein,“, antwortet der Drache mit lächelndem Ton, „aber Hemma war schon vor Tagen hier. Du hast dir reichlich Zeit gelassen.“

      „Also, weißt du, das ist ein starkes Stück.“, empört sich Sigurd. „Dafür lässt du mich so lange warten.“

      „Es musste sein, denn, auch wenn ich dir nicht helfen kann, so kannst du doch zumindest mir vielleicht helfen.“

      „Ja, natürlich. Wie dumm von mir. Du sitzt ja auch nicht gerade bequem in der Klemme. Was kann ich für dich tun? Wie meinst du, hier wieder heraus zu kommen? Sollen wir versuchen, mit einem Rammbock die Wand zu zerstören?“

      „Bist du des Wahnsinns? Willst du Jade und mich verrückt machen oder taub?“

      Auf des Königs Gesicht spiegelt sich Unverständnis über diese so heftige Abwehr seiner Idee.

      „Hast du schon mal von außen gegen ein Fass geschlagen, während dein Kopf drinnen war?“

      Der Zwerg schüttelt den Kopf.

      „Den Gong, den euer Rammbock an dieser Kuppel hier verursachen würde, möchte ich lieber von draußen vernehmen, statt hier drin.“

      „Oh!“ Jetzt dämmert es Sigurd. „Wie dumm und unüberlegt von mir. Was hast du für Ideen?“

      „Das Ding hier ist enorm hoch. Selbst eure längste Sturmleiter wird nichts nutzen. Wenn ich aus dem, was ich mit Jades Hilfe erkennen konnte, die rechten Schlüsse ziehe, hat der Alb uns in eine Röhre eingesperrt, die er in der Mitte so eng zusammen drückte, dass ich auf keinen Fall heraus komme und so hoch, dass Jade nicht über den Rand fliegen kann.

      Wir brauchen also einen Turm, der mindestens 150 Fuß hoch ragt. Und er muss einen starken Sturm aushalten können. Ich fürchte, die Wetterkapriolen fangen erst noch an. Also muss der Turm auch mindestens 25 Fuß tief im Boden stehen. Das ergibt ein Bauwerk von 175 Fuß.“

      „Sowas können wir nicht, Eringus.“, stellt der König das, in seinen Augen, Unmögliche fest. „Wir sind Zwerge, die sich auf Stein verstehen.“

      „Aber die Halblinge. Die wissen, wie man sowas im Kleinen baut. Sie dir ihre Häuser an, dann verstehst du, was ich meine. Sie haben das Wissen, ihr die Kraft. Zusammen wird es euch gelingen.“

      „Wenn du der Meinung bist.“ Sigurd teilt Eringus Zuversicht nicht.

      „Ich bin mir sicher. Also schick auf schnellstem Wege so viel Zwerge, wie möglich. Es gilt Bäume zu fällen, grob zurecht zu hauen, zusammen zu bauen und Löcher für die Grundstützen zu graben. Ach ja, von wegen graben. Ein paar sollen direkt an der Wand dieses Gefängnisses versuchen, ob ein Entweichen nach unten möglich ist. Ich glaube es zwar nicht, doch man ist erst sicher, wenn man es geprüft hat. Also, mein Freund. Spute dich. Die Zeit ist nicht auf unserer Seite.“

      „Natürlich, Eringus. Ich fliege.“

      „Seit wann das denn?“, lacht der Drache.

      „Wie? Ach, du weißt doch, wie sowas gemeint ist. Bis Morgen.“

      Schleunigst eilt Sigurd zu seinem Volk, alle nötigen Anweisungen zu erteilen. Für seine Tochter kann er im Moment nichts tun. Sie wird schon unablässig gesucht. Die Hilfe für den Drachen wird ihn von seinen eigenen Sorgen ablenken.

      „Wir sind allein, Jade. Jetzt kann ich in Ruhe weiter überlegen, was diese Situation noch von uns verlangt.“

      „Du