Hans-Otto Kaufmann

Talare klaut man nicht


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      ... Ich hasse Spätschichten! Entweder ist gar nichts los oder es wird sofort hektisch...

      Steele schaute auf den Zettel: SENK, Krümelkämpe 7, Groß-Vortstein.

      ... Was ist das denn für ein Verein? ...

      Verwirrt schaltete er den PC aus, zog seinen Mantel über, schob den Rest vom

      Schokoriegel in den Mund und ging zu seinem Dienstwagen in der Tiefgarage.

      ... Volltreffer ... Da haben sie den Bock zum Gärtner gemacht! ... Nur, weil ich evange-

      lisch bin, bin ich dran? ... Dass ich nicht lache! ... Alles Vorwände! ... Nur, weil ich

      Spätschicht habe, bin ich dran! ... Sind die etwa alle katholisch? ... Die gehen bestimmt

      nicht häufiger zur Kirche als ich ... Ich wüsste nicht, dass ich jemals in kirchlichen

      Kreisen ermittelt hätte ... Kann mich beim besten Willen nicht erinnern ... Dass so etwas

      überhaupt in diesen Kreisen vorkommt: Gewalttaten, Verletzte, Tote!? ... Die Kirche ist

      doch immer erst nach Mord und Totschlag an der Reihe, nicht vorher! ... Das ist schon

      ziemlich ungewöhnlich ... Andererseits sind es auch nur Menschen wie du und ich, ob

      nun evangelisch oder katholisch.... Lass dich überraschen, Knut... Und behalt 'nen kla-

      ren Kopf ...

      3. KAPITEL

      Nach zwanzig Minuten Autofahrt hatte er den Ort erreicht.

      ... Wie heißt die Kirche nochmal? ... Ist gerade gemütlich warm in meinem Auto ... Hab'

      eigentlich keine Lust, bei der Kälte auszusteigen... Da! ... Eine Tankstelle ... Mal anhal-

      ten ... Die müssen es wissen ... Gar keine Bedienung hier? ... Gehen auf Nummer sicher

      ... Gegensprechanlage ... Sicherheitsglas ... Wie in einer Bank ... Haben vielleicht mal

      schlechte Erfahrungen bei einem Überfall gemacht ... Aussteigen...

      "Sagen sie, wie komme ich am schnellsten zur SENK-Kirche?"... Der scheint mich gar

      nicht zu bemerken ... Mikrophonanlage nicht eingeschaltet? ... "Wissen sie, wo die

      SENK-Kirche ist?“... Aha, er merkt, dass ich mit ihm spreche... "Krümelkämpe!!" ...

      "Was du wollen?“... Der hat aber 'ne lange Leitung ... "Wo finde ich die SENK-Kirche,

      Krümelkämpe?" ... Scheint nur Bahnhof zu verstehen ... "Ich Aushilfe, was du wollen?"

      ... Hat keinen Sinn ... "Geben sie mir einen Schokoriegel!“... Das hat er verstanden...

      Ab ins Auto ... Weiterfahren ... Ein Ehepaar ... Spaziergänger ... Bei der Kälte! ...

      Anhalten ... Rechts ran ... Scheibe runter kurbeln...

      "Können sie mir sagen, wo ich die SENK-Kirche finde?“... "Wie soll die heißen?“...

      "SENK!“... "Nie gehört. Du, Elfriede?" ... "Moment ... Ist das nicht `ne evangelische?"

      ... "Ja, eine evangelische, liegt in der Krümelkämpe.“... "Moment, Karl, das ist doch die

      beim Bäcker" ... "Bei welchem Bäcker?" ... "Na, bei Faltermeyer um die Ecke" ... "Da

      ist 'ne Kirche?" ... "Das ist doch die andere evangelische, Karl ... Also ... Da fahren sie

      jetzt an der nächsten Kreuzung rechts ab, dann links, dann wieder links und dann wie-

      der rechts, dann sind sie da" ... "Danke."

      Es war die falsche.

      Nach weiteren zehn Minuten Fragerei und Sucherei bog Kommissar Steele langsam in

      die Krümelkämpe ein und sah hinter einem alten VW-Polo den Polizeiwagen auf dem

      Parkstreifen stehen. Bei Dunkelheit und leichtem Nebel war von der Kirche nicht viel zu

      erkennen. Vorsichtig stieg er aus, ging zum Streifenwagen, in dem ein telefonierender

      Kollege saß, dann schritt er weiter auf eine spärlich beleuchtete Eingangstür zu. Kaum

      hatte er sie geöffnet, wurde er von einem Polizisten begrüßt.

      "N' Abend. Sie sind der Kollege von der Mordkommission?"

      Steele nickte.

      "Oskar Beller."

      Sie gaben sich die Hand.

      "Kommen sie doch sofort mit zum Tatort."

      Fast im Laufschritt durchmaßen sie den geräumigen Flur.

      Vor der Tür zur Sakristei stoppte der Polizist.

      "Der Verletzte ist natürlich längst ins Krankenhaus gebracht worden."

      "Was ist ihm denn passiert?"

      " Zwei schwere Kopfverletzungen.“

      "Vernehmungsfähig?"

      "Nein. Er war bewusstlos. Frühestens morgen Vormittag werden sie etwas aus ihm her-

      ausbekommen. Der Notarzt ist mitgefahren. Er wird ihnen einen Bericht zukommen

      lassen."

      "Wo ist es genau passiert?"

      "Hier in der Sakristei."

      Beller öffnete behutsam die Tür, als ginge es in den Tresorraum der Schweizer Bank.

      Steele hatte Gelegenheit, sich umzuschauen.

      ... Das also ist eine Sakristei...

      ... Sieht aus wie in einer Rumpelkammer ... Eine Art Miniküche mit Einbauschränken

      Ein schlichter Resopaltisch, darauf ein Bierkasten und mehrere Notenständer ... Tür

      zu einem Nebenraum ... Oberlicht voller Spinnweben ... Offener, niedriger Schrank mit

      merkwürdigen Handtüchern, Bastel- und Malsachen ... Wer ist denn das? ... Vergoldeter

      Holzrahmen, neben dem großen Schalterkasten. ... Das Portrait eines Mannes, der so

      etwas wie eine Baskenmütze trägt ... Er lächelt sympathisch, bartlos ... Daneben auf

      gleicher Höhe ein Rasierspiegel in dunkelroter Plastikfassung ... An einem Nagel ein

      Kleiderbügel ...Ein Kruzifix an der einen Wand, an der anderen ein gerahmter Spruch:

      ICH HABE MICH MÜDE GESCHRIEN

      MEIN HALS IST HEISER.

      MEINE AUGEN SIND TRÜBE GEWORDEN,

      WEIL ICH SO LANGE HARREN MUSS AUF MEINEN GOTT.

      Psalm 69,4

      "Wohin führt die andere Tür?"

      "In den Gemeinderaum."

      "Haben sie den Namen des Verletzten?"

      "Werner Paselmann."

      "Angehörige?"

      "Er lebt allein. Wohnt aber im gleichen Haus wie sein Bruder. Der ist bereits informiert

      worden."

      "Und wie hat man sich den Tathergang vorzustellen?"

      "Da fragen sie am ..."

      Sie vernahmen schwere Schritte aus dem Flur. Ein Hüne von mindestens zwei Metern

      Körpergröße schritt langsam und händeringend auf die Polizisten zu.

      'wenn man vom Pastor