Önne Hedlund

Die Götter mit den blauen Haaren


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und schon nutzt du das schamlos aus!“ „Ich konnte vor Schmerzen nicht mehr schlafen, außerdem musste ich mal und um dich nicht zu stören, bin ich nach unten gegangen und dann hier geblieben.“ Wehrt sich Miro, der sich einen Morgengruß anders vorgestellt hat, und kann sich nicht verkneifen anzufügen. „Sei nicht so hysterisch!“ Sie rast wie wild auf ihn zu, holt zu einer Ohrfeige aus und bleibt wie angewurzelt vor ihm stehen. „Beinah hätte ich dich geschlagen.“ Presst sie entsetzt hervor. Sie dreht sich um und verschwindet im Wohnzimmer. Miro hört sie dort schluchzen.

      Er ist sich unschlüssig, er möchte ihr nachgehen doch sie hat ihn auf die Knie befohlen und sie ist unberechenbar. Weil sie immer noch weint, folgt er ihr bis zur Wohnzimmertür und kniet davor nieder. „Darf ich reinkommen?“ fragt er vorsichtig. Alicia richtet sich auf, schnieft noch einmal und wischt ihre Tränen ab. „Es tut mir leid, wir sind wohl heute Morgen beide nicht gut drauf. Setz dich in den Sessel, ich mache Frühstück!“ „Entschuldige, ich hätte das nicht sagen dürfen, nach dem was du hinter dir hast.“ Bemüht sich auch Miro um Versöhnung und lässt sich in den Sessel fallen. Sie verlässt das Wohnzimmer doch Miro hört, dass sie es von außen abschließt.

      Nach einiger Zeit kommt sie zurück und löst den vorderen Knoten von Miros Fesseln. „Leg dich jetzt mit weit gespreizten Beinen auf den Bauch, dann mache ich dir die Hände los. Bleib aber bitte so liegen, bis ich dir erlaube aufzustehen.“ Sagt sie betont freundlich mit dem Elektroschocker in der Hand. Schnell ist Miro frei und darf auch aufstehen und sogar seine Kleidung wieder anlegen. Alicia achtet jedoch genau darauf, dass zwischen ihnen immer genug Reaktionsabstand liegt. Sie weist ihm seinen Platz an der einen Stirnseite des Küchentisches zu und setzt sich an die andere. Bei Miro der, seit dem einen Brot gestern Nachmittag, nichts mehr gegessen hat, meldet sich, beim Anblick der Speisen, der Hunger und er widmet sich zunächst dem Essen. Erst später kommen ihm abenteuerliche Gedanken, die Versuchung Alicia zu zeigen, dass ihr Misstrauen unbegründet ist, wächst. Wenn er es schaffen würde, sie zu überwältigen und sie dann frei gibt, müsste sie überzeugt sein.

      Er schätzt die Distanz zu ihr ab. Es sind mindestens vier Schritte notwendig, um sie zu erreichen und das muss so rasch geschehen, dass sie nicht inzwischen den neben ihr liegenden Schocker fassen kann. Miro schiebt seinen Stuhl unauffällig etwas zurück, um schneller aufspringen zu können, sein Überraschungsangriff läuft vor seinem geistigen Auge ab. Er braucht nur noch einen günstigen Zeitpunkt, dazu späht er nach Alicia und ihn verlässt der Mut. Sie erwartet bereits seinen Angriff, ihr Stuhl ist abgerückt, ihre rechte Hand ist nicht sichtbar, der Elektroschocker liegt nicht mehr auf dem Tisch und jeder Muskel ist gespannt. Miro weiß, wenn er scheitert, hat er ihr Misstrauen nur zementiert also richtet er seine Angriffslust lieber auf ein Käsebrötchen und sein verletztes Bein muss als Ausrede für sein Selbstgefühl herhalten.

      Der restliche Vormittag vergeht unter höchster Anspannung hinter einer freundlichen Fassade. Er darf zwar einige Hausarbeiten, für die er sich angetragen hat, ausführen aber sie belauert ihn auf Schritt und Tritt. Als er später im Auto sitzt und sich zur Heimfahrt wieder Kette und Handschellen angelegt hat, weiß er nicht, wer von ihnen beiden mehr erleichtert ist. Die Fahrt verläuft zunächst schweigsam, jeder hängt seinen Gedanken nach. Miro fasst sich ein Herz und beginnt: „So kann es mit uns doch nicht weitergehen, du sagst du liebst mich und belauerst mich gleichzeitig als wäre ich dein größter Feind.“ Diese Anklage steht lange im Raum, bevor sie antwortet. „Das hast du dir selbst zuzuschreiben, du sagst du liebst mich und doch wolltest du mich beim Frühstück anfallen, sei ehrlich und gib es zu.“ Er ist ertappt, fühlt, wie ihm das Blut in den Kopf schießt, und kann nur hoffen, dass er nicht zu Rot anläuft. „Wenn es mir gelungen wäre, hätte ich dich sofort wieder frei gelassen, um dir zu zeigen, dass ich dir nichts tue, auch wenn ich es könnte.“ Sie lächelt ihn an, aber ihr Lächeln ist eiskalt. „An so etwas darfst du in Zukunft nicht einmal denken! Auch wenn alles so gelaufen wäre wie du mir vorgibst ist das für mich kein Beweis deiner Harmlosigkeit. Ich erzähl dir was aus Walhalla:

      Ein Gott nahm sich eine Dienerin als Spielzeug. Im Gegensatz zu euch Dörflern dürfen sich Diener bei uns auch ohne Fesseln bewegen. Sie waren vierzehn Monate zusammen, er nahm sie überall hin mit und behandelte sie, meines Wissens, gut. Doch selbst nach dem langen Zusammenleben war er so vorsichtig, dass er sie zum Schlafen immer fesselte oder am Hals so ankettete, dass der Schlüssel für sie unerreichbar war. Eines Tages fand man beide, sie hatte heimlich ein Messer ins Schlafzimmer geschmuggelt, ihn bestialisch zerfleischt und sich dann selbst die Pulsadern aufgeschnitten, da sie sich nicht befreien konnte und die Strafe fürchtete. Was sagst du dazu?“

      Miro kontert. „Das hat nichts mit uns zu tun, ich kann nur wiederholen, ich werde dir nie etwas Böses antun. Aber wie kann ich dich davon überzeugen?“ Alicia schüttelt den Kopf. „Das kannst du nicht mit einer Tat, das geht nur über sehr lange Zeit, wahrscheinlich gelingt es dir nie.“ Miro ist damit nicht zufrieden, er will eine Entscheidung. „Nun gut, wenn ich das nicht kann, dann werde ich dich zu einem Entschluss für oder gegen mich zwingen. Wenn du mir nicht vertraust, werde ich dir meine Liebe entziehen und den Gehorsam verweigern. Dann musst du bestimmen, ob du mich so schlimm bestrafst, wie du es kannst!“ Er erwartet darauf eine klare Reaktion doch die Göttin meint nur. „Pah!“ Und lenkt das Auto in einen Feldweg. Weitab von der Straße parkt sie, nimmt ihre Handtasche, steigt aus und verschwindet wortlos im Wald. Der Wagen steht in praller Sonne doch die Kette ist lang genug, sodass Miro die Tür öffnen kann. Aus dem Sicherheitsgurt kommt er nicht heraus, denn dessen Verriegelung ist für ihn unerreichbar und kann daher nicht aussteigen. Er ist zum untätigen Warten verurteilt, sie will ihn weichkochen aber er findet diesen Versuch fast kindisch, sie kann auch nicht allzu lang im Wald spazieren gehen. Doch sie stellt seine Geduld etwas auf die Probe. Seine Phantasie geht mit ihm durch. Was wenn sie sich verlaufen hat, irgendwo abgestürzt ist oder aus anderen Gründen schwer verletzt im Wald liegt. Er kann ihr nicht helfen und sie ihn nicht losmachen, sie müssten dann beide verdursten.

      Es dämmert schon und Miro ist sehr erleichtert als sie endlich auftaucht doch er lässt sich nichts anmerken. Auch Alicia tut so, als ob nichts gewesen wäre, so sie setzen ihre Fahrt fort. Nachdem sie die Brücke, an der sie sich getroffen hatten, bereits hinter sich gelassen haben, beschleicht Miro ein ungutes Gefühl, wird sie ihn tatsächlich in sein Dorf fahren und dort seine Bestrafung verlangen?

      Alicia hat den Wagen an der Abzweigung zum Dorf geparkt, sie setzt sich etwas schief und lehnt sich halb an die Autotür und halb an die Lehne ihres Sitzes. Sie hat somit den Abstand zu Miro vergrößert aber sich ihm zugewandt, er dagegen blickt stoisch geradeaus. „Ich höre?“ Eröffnet sie das Gespräch und fährt fort, als er keine Reaktion zeigt. „Du hattest deine Chance also beschwer dich später nicht. Hör jetzt zu und rede mir nicht dazwischen! Du hast mich vor dem Vergewaltiger und höchstwahrscheinlich auch mein Leben, gerettet, dafür bin ich dir zu Dank verpflichtet. Du hast mich, deine Göttin, mit Gehorsamsverweigerung bedroht, du weißt, das ist eine Sünde, die ich schwer bestrafen muss. Ich sage nicht, dass wir quitt sind, weil ich es nicht tue, aber dein Guthaben ist stark geschrumpft. Allerdings ist beides Vergangenheit, jetzt rede ich über die Zukunft. Du kannst dir keine Frechheiten gegenüber mir, einer Göttin, herausnehmen oder gar versuchen mich mit Liebesentzug zu erpressen, ganz zu schweigen von Gehorsamsverweigerung, nur weil wir zusammen Sex hatten. Du musst dich völlig ändern. Ich wünsche mir deine Liebe, die ich nicht befehlen kann, aber ich verlange, dass du mir gegenüber gehorsam, fröhlich und willig bist. Das werde ich erzwingen. Ach, noch ein Tipp, wenn du glaubst, die Strafen eher ertragen zu können als dich zu beugen, knie dich mal heimlich in deinem Dorf in den Block. Schau, wie lange du es aushältst, und denke daran, dass ich dich darin verfaulen lassen kann. Ich befehle, dass du am Samstag in drei Wochen von acht Uhr früh bis acht Uhr abends hier auf mich wartest. Da hast du die Schlüssel, mach dich los und geh ohne Widerrede.“

      Miro tut wie ihm geheißen. Als er sein Dorf erreicht ist es stockdunkel, nur in zwei Häusern brennt noch Licht. Er geht an der Kirche vorbei und sein Blick fällt auf den Block. Wie jeder Dörfler war auch er, im Rahmen des Religionsunterrichtes, schon einmal für ein paar Minuten darin gefangen, es war unangenehm. Das war als Kind, jetzt ist er ein Mann und er will es wissen. Er hebt das obere Brett in der Führung hoch und steckt Hals und Hände in die dafür vorgesehenen Kerben, dann kniet er nieder und senkt dadurch das Oberteil ab. Er steckt