Marcel Kircher

Die Chroniken von Eskandria


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Die Technik hatte in dieser Welt ihren Geist aufgegeben. Tränen der Enttäuschung und des Zorns liefen über mein Gesicht und benetzten das Gerät. Zitternd streifte ich mir die Kette über den Kopf und ließ das Amulett über meiner Brust baumeln.

       In der großen Halle hatte Marcels Ausbruch entgeisterte Beteiligte zurückgelassen. Man war schockiert.

      „Ein ganz toller Auserwählter“, höhnte Rodge nach einer Weile des Schweigens. „Trotzig wie ein kleiner ungezogener Junge. Und der soll uns gegen die Rapgonen helfen?“

      „Unterschätze ihn nicht“, entgegnete Folrik freundlich. „Wir haben ihn mit unseren Informationen ein wenig überfordert. Vergiss nicht, dass seine Welt, nicht wie die Unsere ist.“

       „Woher weißt du das?“, fragte Balon.

      „Als Tamina ihn mir vorgeführt hat, trug er höchst eigentümliche Kleidung, die nichts mit den Unseren gemeinsam haben. Später schaute ich mir sein Gefährt an. Das ist höchst eigentümlich gearbeitet.“

      „Dennoch. Wer weiß, was Tamina da wahrgenommen hat. Jeder im Umkreis im Reich von Smorland weiß doch, dass sie nichts verträgt“, spottete Rodge.

      „Genug! Lass mich noch einmal mit Marcel reden. Ich denke, ich weiß wie ich ihn für unsere Sache gewinnen kann“, meinte Folrik lächelnd, ehe er das Thema wechselte. „Berichtet mir aber, was Sache mit den Rapgonen ist.“

      „Die Späher des Königs vermelden, dass sich die einzelnen Stämme zusammenrotten, um zu einem großen Schlag auszuholen. Sie berichten, dass sie einem Rapgonenfürst, namens Goor folgen. Ziel soll die Hauptstadt Eskandrias sein.“ Balon räusperte sich kurz, ehe fortfuhr: „Nach der Eroberung Tyrrells soll von dort ganz Eskandria unterworfen werden.“

      „Eskandria hat 10.000 Soldaten. Laut unseren Spähern verfügt Goor über ein Heer von 50.000 Kämpfern. Das heißt, wir sind Eins zu Fünf unterlegen. Jedoch sind die Rapgonen schlecht ausgerüstet. Ein guter Eskandria-Soldat kann durchaus mehrere Krieger aus Goors Truppen abschlachten“, ergänzte Rodge. „Jedoch soll dieser Reptilienfürst über schwarze Magie verfügen. Das macht die Sache unvorhersehbar für uns. Wenn wir die Drachen an unsere Seite bringen könnten …“

      „Würde das die Sache enorm erleichtern“, beendete Folrik nachdenklich den Satz. Seid unbesorgt. Ich werde dafür sorgen, dass unsere Mission nicht schon endet, bevor sie überhaupt beginnt. Und ganz wichtig: Verschweigt ihm den letzten Teil der Prophezeiung. Das würde alles zunichtemachen!“

       Mit diesen Worten ließ Folrik die beiden Krieger allein.

       An meiner verschlossenen Türe klopfte es, doch ich reagierte nicht. Schließlich konnte ich es mir schon denken, wer es war.

      „Marcel“, hörte ich Folriks Stimme dumpf durch das Holz klingen. „Öffne bitte, sodass ich mich dir erklären kann. Hör mich an und ich überlasse dir die Entscheidung.“

       Einen Moment hielt ich inne. Welchen Nutzen hatte ich davon hier eingesperrt zu warten? Früher oder später würde ich mich damit selbst gerichtet haben. Mit Folrik, der mir sehr weise erschien, konnte ich eine Rückkehr in meine Welt anstreben. Ich stand auf, ging zur Tür, drehte den Schlüssel und öffnete sie Folrik.

      „Ein schweres Schicksal betrifft dich und viele fremde Dinge sind auf dich eingeprasselt“, begann er einfühlsam. „Ich kann durchaus verstehen, dass das zu viel für dich ist. Jedoch verstehe ich deine Entscheidung, wenn du wieder zurück in deine Welt möchtest.“

      „Wirklich? Dann helft mir bitte, das Ziel zu verwirklichen, Meister Folrik“, antwortete ich knapp.

      „Nun, ich kann es probieren. Schließlich bin ich der mächtigste Magier in Eskandria. Andererseits ist Magie über Dimensionen heraus schier unmöglich.“ Sein Blick haftete auf meinem Amulett und seine Miene hellte sich ein wenig auf. „Ein hübsches Amulett hast du da. Sehr schmückend.“

       Ich versteckte es mit meinen Händen, doch seine langen dürren Finger waren schneller. Vorsichtig prüfend wiegte er es in seinen Fingern und betrachtete es eingehend.

      „Weißt du, wo ich schon mal so eins gesehen habe?“, fragte mich Folrik.

      „Woher soll ich als Fremder das denn wissen?“

      „Bei meinem alten Freund, dem Magier Tumar“, entgegnete Folrik. „Er besitzt genauso ein Amulett, wie das deine.“

      „Aber woher …?“

      „Das kann ich dir nicht beantworten“, meinte Folrik lächelnd. „Jedoch, wenn du in die Hauptstadt Tyrrell reist, wirst du es ihn fragen können.“

       Skeptisch betrachtete ich den Magier. Ich musste ihm wohl trauen, wenn ich unbeschadet zurück in meine Welt kommen wollte. „Was wäre der Preis?“

      „Ich kenne Tumars Preise nicht“, erwiderte Folrik und ich bemerkte, dass meine Frage ihn leicht verwirrte, „jedoch könntest du unserem Land einen großen Dienst erweisen: Erneure das Drachenbündnis und verhelfe uns zum Sieg gegen die Rapgonen.“

       Ich blickte in die stahlgrauen Augen meines Gegenübers. Sie flehten mich an, ihnen zu helfen. Und es würde meine Chancen in meine Welt zurückzukehren enorm steigern.

      „Welch andere Wahl habe ich“, antwortete ich seufzend. „Ich helfe euren Truppen zum Sieg über die Rapgonen und Ihr helft mir mit Tumars Amulett zurück in meine Welt zu gelangen.“

      „Ausgezeichnet. Lasst uns sogleich zurück in die Halle gehen und Balon und Rodge über diese freudige Nachricht in Kenntnis setzen.“

       Wir begaben uns zurück in die Halle. Balon und Rodge hatten mittlerweile Gesellschaft von Tamina bekommen, die sich verzweifelt versuchte den Beschimpfungen von Rodge zu erwehren.

      „Es ist gut, Rodge“, sagte ich schließlich, „fahr mal runter. Ich werde euch helfen.“

       Skeptisch blickte der Krieger Folrik und mich an. „Kannst du überhaupt kämpfen?“

       Ich schüttelte den Kopf.

       Balon lächelte. „Dann erwartet dich Morgen ein hartes Training. Wir müssen dich im Schwertkampf ausbilden.“

      „Schwertkampf? Ich soll auch kämpfen?“

      „Nein, aber du solltest wissen, wie du dich verteidigen kannst“, entgegnete Balon.

      „Großartig“, murmelte ich. Davon hatte ich schon immer geträumt. Mit dem Schwert kämpfen in einer mittelalterlichen Welt und dann irgendwo aufgespießt verrecken. Es konnte ja nur besser werden.

      „Ich sehe, wir verstehen uns. Dann genießt den Rest vom Tag, ehe ab Morgen die Mission Drachenbund beginnt“, schloss Folrik.

       Tamina führte Balon, Rodge und mich zu den Gästezimmern. Die beiden Krieger würden mir gegenüber ihr Nachtlager beziehen.

      „Danke Tamina“, sagte Balon schließlich und schloss die Zimmertür. „Das ist dann alles.“

       Ich wollte mich gerade in mein Zimmer zurückziehen, als Tamina mich zurückhielt.

      „Warte bitte.“

      „Ja? Was ist?“, wollte ich wissen.

      „Danke, dass du mich vor Rodges Schimpftiraden