Marcel Kircher

Die Chroniken von Eskandria


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wenig. „Du kennst ihn ja schon ein wenig. Er ist ziemlich grobschlächtig und bärbeißig. Seiner Meinung nach gehören Frauen an die Feuerstelle und nicht in irgendwelche Zauberschulen.“

      „Der Arme hätte mit diesem Denken in meiner Welt einen ganz schweren Stand“, erwiderte ich lachend.

      „Es gibt heute in der Küche der Schule Hirschbraten. Ich werde sehen, dass ich ein besonders gutes Stück für dich ergattern kann“, bot sie mir grinsend an.

       Ich wollte noch etwas erwidern, doch dann war sie mit ihrem elfengleichen Gang schon den Korridor hinuntergelaufen. Fasziniert blickte ich Tamina hinterher. Hatte ich meine Entscheidung den Smorländern zu helfen nur mit der Tatsache auf Rettung aus dieser Welt zu tun gehabt? Oder hatte ich diese Entscheidung wegen ihr getroffen?

       Im Süden des Landes, in einer dunklen Taverne. Die Abenddämmerung hatte bereits eingesetzt. Eine schwarzhaarige junge Frau betrat das Lokal. Sofort hatte sie die Blicke sämtlicher anwesender Männer auf sich gezogen, was sie genoss und ihr gleichzeitig leicht peinlich war.

      „Fünf Silberstücke und wenn die Nacht gut war, leg ich nochmal das Doppelte oben drauf“, rief ein grobschlächtiger Mann mit Zahnlücke.

       Die Frau drehte sich in einer raschen Bewegung um, griff in die Innentasche ihrer Weste, zog einen Dolch heraus und hielt diesen dem Mann an die Kehle.

      „Selbst, wenn du mir die Schatzkammer des Königs zahlen würdest, würde ich mit einem so hässlichen Troll wie dir nicht ins Bett steigen“, zischte sie und verstärkte den Druck auf den Dolch. Blut trat aus dem Druckpunkt heraus und floss langsam herab.

       Geschockt blickte der Mann die Frau an. Er versuchte zu schlucken, doch der Dolch auf dem Kehlkopf verhinderte den Reflex. „Ich… bitte dich. Lass Gnade … walten“, erklang es stockend.

       Die Frau verstärkte noch etwas den Druck, ehe sie den Dolch zurück in sein Futteral steckte. Triumphierend blickte sie in die Runde, ehe sie sich an den Lüstling wandte. „Da wurden sie ganz klein, deine großen Worte und dein Schwanz. Vielleicht denkst du an unser Treffen, wenn du über eine billige Straßendirne steigst.“

       Mit diesen Worten ließ die schwarzhaarige Frau den Mann stehen, setzte sich an den Tresen und bestellte beim Wirt etwas zu essen und zu trinken, sowie ein Zimmer für die Nacht.

       Nach einem ausgiebigen Mahl begab sie sich auf ihr Zimmer. Es war bereits dunkel geworden. Fackeln legten den Korridor in flackerndes diffuses Licht. Schließlich fand sie ihr Zimmer, schloss es auf und wollte die Tür hinter sich schließen, als diese auf Widerstand traf. Eine dunkelgekleidete Gestalt mit Kapuzenumhang hatte seinen Stiefel in den Rahmen gestellt. Bereit zum Kampf zog sie ihren Dolch.

      „Warte“, entgegnete der Fremde. „Ich habe einen Auftrag für Euch.“

       Das Klimpern von Münzen in seinen Taschen ließ die Frau jegliche Angriffsbereitschaft vergessen. Sie senkte ihren Dolch.

      „Woher wisst Ihr, dass ich hier bin?“, fragte sie.

      „Mein Fürst hat seine Diener und seine Späher“, erwiderte die Gestalt.

       Die Frau blickte sich um. Auf dem Korridor näherten sich Stimmen. „Tretet ein“, flüsterte sie, „oder soll halb Smorland von diesen Geschäften erfahren?“

      „Kluges Mädchen“, meinte der Fremde, trat ein und schloss die Tür.

       Die Frau nahm auf dem Bett Platz, während die Kapuzengestalt sich auf den hölzernen Stuhl setzte.

      „Nun, Rapgone“, begann die Frau. „Ihr habt einen Auftrag für mich? Was soll ich tun?“

       Die roten Augen unter der Kapuze begannen im Halbdunkel des Zimmers zu leuchten und bedrohlich zu wirken. Der Rapgone warf einen Beutel mit Münzen auf das Bett. „Du sollst einen Mann töten, den mein Fürst loswerden möchte.“

       Die Frau musterte den Beutel und zählte seinen Inhalt. „400 Goldstücke? Nun, was soll ich für deinen Sumpfechsenfürsten tun?“

      „Beleidige nicht meinen Lord“, zischelte der Rapgone unter seiner Kapuze. „Ich bin dem großen Fürsten Goor persönlich unterstellt.“

       Die Frau schluckte. Jetzt hatte der Rapgone sie in der Hand. „Wessen Burg möchte Goor dieses Mal erobern?“

       Höhnisch blickten die roten Augen auf die attraktive schwarzhaarige Frau. Der Rapgone wusste, dass er im Zweikampf gegen sie keine Chance hatte. „Keine Burg, Shandra. Du sollst verhindern, dass sich eine alte Prophezeiung erfüllt.“

      „Es ist also eingetreten?“, wollte Shandra wissen. „Ein Auserwählter ist aus dem Nichts in unsere Welt eingedrungen, um das Drachenbündnis zu erneuern?“

      „So ist es. Mein Fürst wird diese Unterkunft für dich weiterhin bezahlen, ehe ich Informationen bekomme, wohin der Auserwählte und seine Begleiter ziehen. Dein Auftrag: Bring Goor den Kopf des Prophezeiten.“

       Der Rapgone stand auf und verließ das Zimmer. „Versagst du, werde ich bei meinem Fürsten darum bitten, dass ich mich persönlich um dich kümmern darf.“

      „Shandra hat noch nie versagt“, rief die Kopfgeldjägerin dem Rapgonen hinterher, doch erhielt sie keine weitere Antwort. Im diffusen Schein der Fackeln im Zimmer, wog sie den Beutel in der Hand und dachte an die Zukunft. Dieser Auserwählte würde gegen die Jägerin keinen Stich machen.

       Kaum war die Sonne aufgegangen, weckte mich Tamina und holte mich zum Frühstück. Nach einem sehr kargen Frühstück ohne Kaffee begab ich mich mit Balon nach draußen. In seiner Hand hielt er zwei Stöcke, mit denen er den Schwertkampf mit mir üben wollte. Ausgiebig wies er mich in die Techniken des Kampfes ein, bevor wir loslegten. Balon war ein strenger Lehrmeister, der mir im Training schon alles abverlangte.

      „Stock hoch! Konzentrier‘ dich! Vernachlässige nicht deine Deckung! Jetzt Schlag!“ Wie beim Militär brüllte Balon mir Anweisungen entgegen, während wir kämpften. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, wusste nicht, wie lange wir schon übten. Mit jeder Sekunde wurden die Arme immer schwerer und auch die Konzentration ging flöten.

      „Pass doch auf!“, brüllte Balon, als sein Schlag an meiner Deckung vorbei auf meine linke Schulter traf. „Würden wir mit echten Schwertern kämpfen, hätte ich dir jetzt den Arm abgeschlagen!“

      „Können wir vielleicht mal eine Pause machen“, gab ich schnaufend zurück. „Ist ja nicht jeder so austrainiert, wie du.“

      „Im Krieg gibt es keine Pause“, erwiderte Balon streng und sein Schlag brachte mich völlig aus dem Stand und ich ging zu Boden.

      „Es ist hoffnungslos“, sagte er enttäuscht und blickte mich an. „Du kämpfst ja noch schlechter als ein Waschweib.“

       Balon wandte mir den Rücken zu. „Wir machen eine Pause. Vielleicht bist du danach besser in Form.“

      „Ja, da könntest du Recht haben“, entgegnete ich leise, doch hatte ich einen Plan gefasst. Ich nutzte Balons Arglosigkeit aus, schlich mich an und schlug mit dem Stock zu. Das Holz prallte auf seinen Rücken, zerbrach in zwei Teile, während Balon zu Boden ging. Auf den Knien stützend blickte er mich verdutzt an.

      „Regel Nummer eins: Beleidige niemals einen Ingenieur und wende ihm den Rücken zu!“, meinte ich.