Marcel Kircher

Die Chroniken von Eskandria


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      „Marcel!“, rief Folrik mir zu und ich wandte mich kurz um. „Du wirst es schaffen. Glaube an dich und unser Glauben an dich wird dir helfen.“

      „Habt Dank, Meister Folrik. Auf Wiedersehen.“ Ich hob die Hand zum Zeichen des Abschieds und folgte Tamina mit meinem Gepäck.

       Es war ein ganzes Stück Weg von Folriks Zauberschloss zum Hafen. Das Morgenrot entwickelte sich langsam zu Tageslicht, als wir den Hafen erreichten. Schreiber, die auf ihren Hemden ein Wappen mit einer weißen Lilie, mit schwarzem Hirsch auf gelben Grund eingenäht hatten, hielten alles protokollarisch fest.

      „Der Heeresführer der königlichen Streitkräfte Balon mit seinem Adjutanten Rodge, der Zauberschülerin Tamina und Marcel bitte nach rechts gehen zum letzten Schiff“, sagte der Schreiberling kühl, ohne groß von seinem Pergament aufzuschauen.

       Balon folgte seiner Anweisung und führte uns zu unserem Schiff, wo wir über eine Holzplanke an Bord traten.

      „Jetzt beginnt der angenehme Teil der Reise“, sagte er leicht gelangweilt. „Die Fahrt über das Meer und für uns nichts zu tun.“

       Ich freute mich auf ein wenig Erholung, nach dem langen und intensiven Schwerttraining. Dreißig Tage auf dem freien, schier unendlich wirkenden Meer der Morgenröte. Ich nahm mir vor, meine Mitstreiter ein wenig näher kennenzulernen und so viel Wissen, wie möglich mitzunehmen. Schließlich wollte ich nicht unvorbereitet meine Mission bestreiten. Jedoch ahnte ich nicht, welch grausames Schicksal unserer Reise nach Tyrrell bevorstehen würde.

      Kapitel 2 – Schrecken des Meeres der Morgenröte

       Die aufgehende Sonne eröffnete den dritten Tag auf dem Meer. Die Segel der königlichen Schiffe waren eingefahren, da der Wind seit gestern Nachmittag eine Pause einlegte. Die Ruderer der königlichen Truppen gaben alles, um der Flotte mit Muskelkraft Vortrieb zu gewähren. Ich begab mich an Deck, wo Balon konzentriert auf einem erhöhten Punkt des Schiffes stand.

      „Kein Wind“, murmelte er, als er mich bemerkt hatte. „Das ist kein gutes Zeichen.“

      „Guten Morgen“, grüßte ich höflich. „Was meinst du, dass es kein gutes Zeichen ist?“

      „Unsere Smorland-Truppen sind ziemlich am Limit. Die Steuermänner geben ihr Bestes die Ruderzeiten für alle erträglich einzuteilen. Wir haben für die Hinfahrt Vorräte für 40 Tage eingepackt, eben um auf so eine Lage reagieren zu können. Jedoch, wenn es so bleibt …“

      „Sind auch vierzig Tage zu wenig Planung“, ergänzte ich den Satz.

       Balon nickte. „Nicht nur das. Die Ruderer brauchen natürlich mehr von den Rationen, als die normalen Mitfahrer. Das heißt, die Vorräte sind wahrscheinlich schneller verbraucht, als wir gedacht haben.“

      „Könnten unsere Magier die Speisen nicht vermehren?“, fragte ich naiv.

      „Das wäre eine Möglichkeit. Velrotach kränkelt jedoch und kriegt keinen Zauber zu Stande. Tamina ist fleißig und versucht sich in die Künste selbst einzulesen. Jedoch lässt der Erfolg noch zu wünschen übrig“, seufzte Balon.

       Eine Weile blickten wir schweigend auf die unendliche Weite des Meeres. Wie eine Schnecke bewegten sich die Schiffe langsam vorwärts. Getrieben von den Anstrengungen der Ruderer, die alles gaben. Plötzlich wurde es hektisch. Laute Töne eines Horns waren von allen Booten zu hören. Balon blickte gen Himmel und wurde kreidebleich. Ein schwarzer Schwarm riesiger Vögel, so schien es aus der Entfernung, hatte sich versammelt.

      „SCHWARZDRACHEN!“, brüllte Balon. „Begib dich unter Deck.“

       Ich zögerte.

      „Das ist ein Befehl!“, setzte der Heeresführer nach.

       In der nächsten Sekunde folgte ich der Anweisung und begab mich unter Deck. Dann schien die Hölle über uns einzubrechen. Ich spürte die sengende Hitze des Feuers, sah verzweifelte Männer, die versuchten mit Löscheimern den Flammen Einhalt zu gebieten. Es war ein Kampf ums nackte Überleben. Tamina zog mich in ihre Kabine, die sie mit einem Schutzzauber belegt hatte.

      „Kannst du den Schutzzauber nicht vergrößern?“, fragte ich. „Zumindest auf die bereits gelöschten Teile des Schiffs.“

      „Ich versuche es. Jedoch weiß ich nicht, ob ich schon so viel Stärke besitze für so eine große Fläche“, antwortete die junge Zauberschülerin und sie konzentrierte sich. „Sagadu Glamsis Loosis.“

       Tatsächlich schien es zu funktionieren und wir verharrten bis der Angriff vorbei war. Danach wagten wir uns heraus. Als ich mich umblickte traf mich der Schlag. Die beiden Begleitschiffe waren verschwunden. Rauchschwaden, die über dem Meer sich auftaten, kündigten unheilvoll von dem grauenhaften Schicksal. Unser Schiff war stark beschädigt. Aus dem Unterdeck kletterte Balon hervor und schüttelte traurig den Kopf.

      „Es ist schrecklich“, murmelte er fassungslos. „Zwei Schiffe komplett zerstört. Dieses ist einigermaßen seetauglich. Jedoch kamen viele bei den Löscharbeiten ums Leben. Wir sind krachend gescheitert“, meinte er niedergeschlagen.

       Mit betretenen Mienen blickten wir uns um und begutachteten den Schaden. Trotzig setzte Rodge das zerfetzte Segel.

      „Wir müssen das Beste aus der Lage machen“, sagte er trotzig. „Wenn untergehen, dann mit wehenden Segeln.“

      „Wenigstens haben wir jetzt wieder etwas Wind“, nuschelte Balon. „Lasst es uns versuchen, Männer.“

       Das Schiff trieb langsam vorwärts, doch es herrschte überall ängstliches Schweigen.

      „Warum haben die anderen Schiffe keinen Schutzzauber durch ihre Magier eingesetzt?“, fragte Balon nach einer Weile.

       Tamina zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wurden sie im Schlaf überrascht. Wenn Marcel und du nicht schon auf den Beinen gewesen wärt, wäre es uns genauso gegangen.“

      „Der Rumpf ist einigermaßen intakt. Normalerweise zählen die königlichen Schiffe zu den schnellsten Schiffen in ganz Eskandria, aber jetzt müssen wir versuchen das Beste mit diesen Überresten zu erreichen“, meinte Rodge.

       Rodge hatte Recht. Wir hatten einen Auftrag und den galt es trotz dieses Tiefschlags zu bewältigen.

      „Wie sehen die Vorräte aus?“, fragte ich Balon.

      „Da haben wir Glück gehabt“, antwortete der Heeresführer. „Dadurch, dass der Rumpf kaum Schaden genommen hat, sind die meisten Vorräte ebenfalls unbeschädigt.“

      „Immerhin etwas“, nuschelte ich unmerklich.

      „Wir werden auf alle Fälle Wachposten postieren, dass so ein Angriff besser vorhergesehen werden kann“, befahl Balon. „Rodge, du übernimmst die Tagwache. Ich löse dich mit Sonnenuntergang ab.“

      „Verstanden.“

       Die Tage und Nächte gingen ins Land. Weitere Angriffe der Schwarzdrachen gab es nicht. Am zehnten Tag unserer Reise, die Sonne war gerade aufgegangen, passierte allerdings etwas, was unser Vorankommen erheblich beeinträchtigte.

      „Was ist das da im Wasser?“, rief Rodge plötzlich.

      „Versucht zu verlangsamen“, befahl