Anna-Sophie Wagner

Stationen einer Liebe


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hier?“ „Ich bin dein Freund und ich werde dich nicht allein lassen, bevor ich nicht weiß, was hier vor sich geht!“, sagte Martin mit Nachdruck. „Du willst es wissen? Ja? Wirklich?“ So sarkastisch kannte er Andreas nicht und so langsam wurde selbst ihm mulmig zumute. Plötzlich stand Andreas auf „Ich muss jetzt meinen Vater anrufen“, sagte er und stapfte nach draußen zu den Telefonen.

      Andreas wählte die Nummer und konnte es läuten hören. „Falk“, ertönte eine Frauenstimme auf der anderen Seite. „Hallo Mutter“ „Mein Junge, das ist aber nett, dass du anrufst!“ „Mutter gib mir bitte Vater!“, sagte Andreas ungeduldig, während er sich kaum auf den Beinen halten konnte. Seine Mutter schien das gemerkt zu haben, weil der Hörer direkt weitergereicht wurde. „Falk“, ertönte nun die männliche Stimme auf die Andreas gewartet hatte. „Vater?“ „Mein Junge, schön dass du anrufst. Ist alles in Ordnung?“ Er erhielt keine Antwort. „Andreas! Ist alles in Ordnung?“, wieder erhielt er keine Antwort. „Andreas was ist los?“ Andreas atmete schwer. „Vater sie haben mich einberufen!“, sagte er nun verzweifelt. „Ich soll mitten ins Krisengebiet! Als Arzt. Und das auch noch für vier Jahre!“ Andreas hörte nichts als die unerträgliche Stille auf der anderen Seite. „Oh mein Gott, mein Junge – nicht das!“, sagte nun sein Vater. „Ich kann nichts tun Vater – ich habe überhaupt keine Wahl, sonst stecken sie mich für vier Jahre ins Gefängnis!“, stammelte Andreas. „Ich weiß Junge, ich weiß.“ „Was soll ich nur tun Vater – sie wollen bis heute Abend eine Entscheidung von mir“, sagte er nun. „Mein lieber Sohn, du hast keine Wahl! Sie lassen dich nicht aus. Du musst da durch!“, erklärte sein Vater schwach. Andreas war still und schluckte nur schwer. „Junge du musst jetzt tapfer sein! Aber ich weiß du kannst das schaffen!“, versuchte sein Vater ihn aufzubauen. Andreas sagte gar nichts. Nach einer Weile holte er tief Luft, so als hätte er sich nun in sein Schicksal gefügt und bat seinen Vater: „Sag bitte Mutter nichts – noch nicht.“ „Werd ich nicht mein Junge! Ich liebe dich!“ Andreas konnte darauf jetzt nicht antworten und legte wortlos auf.

      Martin war mit aus dem Büro Richtung Telefone gelaufen und hatte nun alles mit angehört. Er war kreidebleich und flüsterte nur: „Andreas. – sag dass das nicht wahr ist.“ Andreas schaute ihn direkt an – mit einem Blick aus dem jegliches Lachen und jeglicher Wille dagegen anzukämpfen, entfernt worden waren. Er konnte nur noch Wut und Aussichtslosigkeit in seinen Augen sehen. „Wann?“, flüsterte Martin, „Ich meine ab wann?“ „Juni“, gab Andreas knapp zurück. „Für wie lange?“ „Vier Jahre“, antwortete Andreas gebrochen. „Und du hast keine andere Wahl?“ „Nein, die Alternative wäre Arrest, für vier Jahre“, wiederholte Andreas. „Das darf einfach nicht wahr sein! Man muss doch irgendetwas tun können!“, regte sich Martin nun auf. „Vergiss es Martin. Ich habe keine Rechte. Das Interesse des Landes steht im Vordergrund!“ Sie gingen nach draußen und Martin kickte wütend eine Dose Richtung Mülleimer. „Verdammt!“, sagte er immer wieder, „Was wenn du abhaust?“ Im gleichen Moment wurde ihm klar, dass das eine total hirnverbrannte Idee war. „Martin“, sagte Andreas nur ruhig, „Ich muss mich fügen – hab keine Wahl!“

      Anschließend gingen sie wieder hinein und setzten sich in die Aula. „Weißt du was komisch ist?“, fragte Andreas Martin nach einer Weile, in der sie schweigend dagesessen hatten. „Vor zwei Monaten, als ich zu meinen Eltern nach Hause gefahren bin, hab ich auf der Hinfahrt in der Tram Susanne und Mia wiedergesehen. Wir haben besprochen, dass ich mal vorbei komme. Ich habe sie angesehen, wie damals an dem Abend in der Bar. Und Martin ich schwöre dir – da war auch jetzt noch was da. Ich hatte mir so fest vorgenommen dass ich mich nach der Spezialisierung endlich auf eine Beziehung einlassen werde. – Und jetzt? Jetzt, hat sich das wieder erledigt! Ich wollte doch auch endlich ein normales Leben führen“, gab Andreas jetzt zu. „Unsinn, Nichts hat sich erledigt! Du musst mit ihr reden, musst ihr die Wahrheit über den Einsatz und vor allem über deine Gefühle sagen. Vielleicht wartet sie ja auf dich?“ „Wer wartet denn schon vier Jahre? Außerdem hat sie eine kleine Tochter. Ich kann sie nicht so durcheinander bringen! Und außerdem hat sie schon lang genug gewartet“, wehrte Andreas ab. „Wenn sie dich liebt, wartet sie weiter, weil sie dann gar niemand anderen will!“, antwortete Martin.

      „Herr Dahlmeier sie werden in OP 1 gebraucht! Herr Falk, Oberarzt Miller bittet sie zu dem Patienten in der zwölf.“ Damit hatte sie vorläufig beide der Alltag wieder eingeholt.

      Um fünf rief Andreas bei Braun an um ihm seine Entscheidung mitzuteilen. Der Kommentar von Braun war: „Das wusste ich doch, freut mich sie im Team begrüßen zu dürfen! Ich werde ihnen morgen jemanden schicken, der sich um alles Weitere, sowie auch um ihre Ausbildung kümmert.“

      Am nächsten Tag kam tatsächlich ein von Braun beauftragter - General Müller. Er vereinbarte mit der Klinikleitung, dass Andreas ab sofort nur noch Teilzeit – sprich einen halben Tag – in der Klinik arbeitete. Den restlichen Tag wurde er freigestellt um sich auf seinen Einsatz vorbereiten zu können.

      Andreas lernte also ab jetzt nachmittags den Umgang mit Schusswaffen und wurde im Nahkampf ausgebildet. Außerdem erfuhr er im Fach Psychologische Kriegsführung, dass in Gefahrensituationen jeder für die Kameraden mit verantwortlich war. Keiner sollte zurückgelassen werden. Er hoffte inständig solche Erfahrungen nicht machen zu müssen. Wusste aber instinktiv, dass sein Wunsch vergebens sein würde. So rückte der Tag der Abreise immer näher.

      Am letzten Wochenende war er noch einmal zu Besuch bei seiner Familie. Bei der Hochzeit seiner kleinen Schwester und Martin würde er schon nicht mehr dabei sein können. Sie hatten noch versucht einen anderen Termin zu wählen. Leider war das aber wegen der Kurzfristigkeit nicht mehr möglich.

      Mit Susanne hatte er keinen Kontakt mehr aufgenommen. Er dachte es wäre nicht fair ihr das anzutun. Und vor allem nicht Mia. Aber wenigstens verabschieden wollte er sich von den beiden. Sie noch einmal sehen. Aber er überlegte es sich dann doch wieder anders. Warum die beiden durcheinander bringen? Es war besser sie vergaßen ihn.

      Martin, Markus und Tom wollten den letzten Abend unbedingt mit ihm ins Luna´s. Martin überredete ihn dann doch, hoch zur Wohnung zu gehen und Tschüss zu sagen, einfach damit Susanne wusste, dass er an sie dachte, aber sich nicht meldete, weil er schlichtweg nicht konnte. Also nahm Andreas seinen ganzen Mut zusammen und klingelte. Da stand plötzlich ein Mann im Schlafanzug vor ihm.

      Sie hat einen Anderen, war sein erster Gedanke. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn. Jetzt hatte er nichts mehr zu verlieren, nichts mehr was ihn in Sachen Liebe hier hielt. Traurig gestand er sich ein, dass er nicht hätte herkommen sollen. „Hallo“, sagte der Mann. „Hallo“ „Sie wollen bestimmt zu Susanne, oder?“ „Ja - das heißt, nein – hat sich erledigt.“ „Sie ist leider nicht da, aber sie kommt übermorgen wieder“, beeilte sich der andere Mann zu sagen. „Übermorgen“, Übermorgen überlegte Andreas um zu antworten. „Übermorgen – da - ist es zu spät“, stammelte er bedrückt. „Kann ich ihr irgendetwas ausrichten?“, fragte nun der Andere. „Nein danke, wahrscheinlich ist es besser so!“, antwortete Andreas im Umdrehen und wollte die Treppen zur Bar hinunter. „Halt warten sie! Wissen sie, ich bin Susannes Bruder Stefan und passe auf Mia auf, während sie ihre mündlichen Prüfungen hat.“

      Susannes Bruder hatte das Gefühl, dass er diesen Mann nicht einfach so gehen lassen durfte. „Ich kann ihr wirklich gerne etwas ausrichten!“, wiederholte Stefan nun.

      Ihr Bruder! - dachte Andreas. Aber trotzdem „Nein, nein danke, es ist einfach zu spät. Ich hätte schon längst und viel früher mit ihr sprechen sollen. Trotzdem vielen Dank für ihre Mühe! Auf Wiedersehen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um als plötzlich ein Schrei aus dem inneren der Wohnung kam.

      „DOC!!!!“ Mia! Andreas drehte sich noch einmal um und sah das kleine Mädchen im Schlafanzug auf sich zu rennen. Sie streckte ihm die Arme entgegen und er hob sie hoch. Sie legte ihre kleinen Ärmchen um seinen Hals und drückte ihn. „Mensch Doc! Schön dass du da bist. Schade, dass du Mami verpasst hast – sie hätte sich so gefreut!“, sagte Mia voller Feuereifer. „Solltest du nicht schon schlafen junge Dame?“, sagte ihr Onkel in gespielter Strenge. Andreas drückte Mia, sah sie an und antwortete ihr: „Das glaube ich – ich finde es auch schade.“