Anna-Sophie Wagner

Stationen einer Liebe


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gerne was für dich tun!“ „Das weiß ich!“ „Und warum ist es so schwierig Kontakt aufzunehmen? Ich meine wir leben doch im Zeitalter der Telekommunikation, oder?“, stellte Eva nun fest. „Ja, aber es sind zu viele Soldaten an seinem Stützpunkt stationiert. Die Leitungen würden zusammenbrechen und sind obendrein nicht sicher. Sie dürfen deshalb nur einmal im Monat mit ihren Familien telefonieren.“ „Woher weißt du das Sanne?“, fragte Eva etwas überrascht. „Na ja, wir sind jetzt zum altmodischen Briefeschreiben übergegangen. Aber das dauert ewig, bis die Post kommt. Ich würde so gerne seine Stimme hören und am Liebsten jede Sekunde wissen, ob es ihm gut geht und er sicher ist. Aber wie soll er sicher sein – in solch einem Land, wo der Terror an der Tagesordnung ist?“, wieder schossen ihr Tränen in die Augen. Auch Eva schaute ganz traurig drein. „Weißt du Eva – er gehört dort nicht hin. Passt dort nicht hin. Es ist so unfair!“, jetzt kullerten Susannes Tränen unaufhaltsam über ihr Gesicht.

      „Sanne! So hab ich dich noch nie gesehen. Dich hat es ja richtig erwischt! Du liebst ihn wirklich, oder?“ Susanne nickte. „Und du hast Recht, ich finde so was auch unfair! Hat er denn nicht irgendwann Urlaub?“, warf Eva nun ein. „Vielleicht - ich weiß es nicht!“, sagte Susanne, die sich jetzt wieder ein wenig beruhigt hatte.

      Dann kam das Essen und Eva versuchte Susanne mit anderen Themen abzulenken.

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      Der Samstag danach …

      Diese Nacht waren wieder viele Detonationen zu spüren. Irgendwie hatte Andreas dabei nie ein gutes Gefühl. Aber vor allem konnte er nicht so ruhig bleiben wie seine Kameraden. Er war jetzt schon über zwei Monate hier. Heute war der Hochzeitstag seiner Schwester. Es machte ihn traurig, bei der Hochzeit seiner einzigen Schwester mit seinem besten Freund, nicht dabei sein zu können. Um kurz vor vier Uhr machte er sich auf den Weg zur Streitkräftebasis.

      Offizier Sommer war nach Deutschland zurückgekehrt. Ihren Platz hatte jetzt Hauptfeldwebel Moser eingenommen. Er war ein eher gemütlicherer Geselle, ein Routinier, das elfte Mal nun schon im Auslandseinsatz. Er hatte schon alles Mögliche erlebt. Andreas konnte ihn gut leiden.

      „Hallooo Oberstabsarzt Falk! Ich habe sie schon erwartet – sie können jetzt telefonieren. Ich werde sie solange alleine lassen! Ihr Zeitfenster beträgt eine halbe Stunde“, mit diesen Worten verließ der Hauptfeldwebel die Basis. Es klingelte. Andreas Anruf war bei seinen Eltern angemeldet worden. Im Hause Falk standen alle wie Orgelpfeifen am Telefon. „Hallo?“, sagte eine weibliche Stimme aufgeregt. Mutter, dachte Andreas und musste lächeln. „Hallo“, sagte nun auch er. „Mein Junge! Wie geht es dir?“, fragte seine Mutter erleichtert seine Stimme zu hören. „Mir, geht es gut Mutter! Und wie geht es euch?“, fragte er zurück. „Uns geht es auch allen gut!“ Im Hintergrund hörte er seinen Vater, „Lass mich auch mal ran“, sagen. „Halloo?“, sagte nun die Stimme seines Vaters. „Halloo, Andreas?“, hörte Andreas seinen Vater nochmal sagen. „Hallo Vater, wie geht es dir?“, fragte er nun auch seinen Vater. „Mir geht es gut – abgesehen davon, dass ich mich jeden Tag um meinen Sohn sorge!“ „Vater du weißt ich pass auf mich auf, soweit ich kann! Mach dir bitte keine Sorgen!“, erklärte Andreas. „Was machst du denn den ganzen Tag dort?“, wollte Friedrich wissen. „Vater, ich darf dir das leider nicht sagen, das weißt du!“, erklärte Andreas. „Gar nichts?“, fragte sein Vater enttäuscht. „Fast! Heute haben wir einen Teamwechsel gehabt. Zwanzig Kameraden durften nach Hause. Sie waren schon seit fünf Monaten hier. Dafür sind dreiundzwanzig neue Kameraden angekommen. Man muss sich immer neue Namen merken“, erzählte Andreas, um seinen Vater ein wenig zu besänftigen. Gleichzeitig musste er lächeln, weil er sich seinen Gesichtsausdruck im Augenblick genau vorstellen konnte. Dieser schmollte sicherlich – weil ihm das nicht Information genug war. „Vater, ist Sophie in der Nähe?“, fragte er nun. „Ja sie steht hinter mir und will immer den Hörer haben. Aber ich bin noch nicht fertig – ich will noch mal mit dir sprechen, ja?“ „Ja, Vater!“ „Hallo Andreas?“, hörte er nun die aufgeregte Stimme seiner kleinen Schwester. „Hallo Kleine“, mit einem Mal meldete sich ein kleines Stechen aus seiner Herzgegend. „Sophie! Hast du auch wirklich ja gesagt?“, versuchte er zu scherzen. „Ja“, schluchzte Sophie nun aufgewühlt am anderen Ende der Leitung. „Kleine, ich wünsche euch beiden von ganzem Herzen, viel Glück für euren gemeinsamen Lebensweg! Ich wünsche euch, dass ihr alles zusammen in Angriff nehmen könnt und immer füreinander da seid. Ich hab dich sehr lieb!“ Am anderen Ende der Leitung hörte er sie jetzt noch mehr schluchzen. „Andreas, ich wünschte du wärst hier!“, sagte sie stockend. „Das wünschte ich auch“, gab er traurig zurück. „Ich danke dir für deine Glückwünsche Bruderherz und hoffe, dass du bald wieder zu Hause bist! Wobei mir am liebsten wäre, du würdest sagen, ja, ich stehe schon vor der Tür!“, schluchzte sie immer noch. „Ich weiß“, antwortete er leise. „Andreas, ich gebe dir jetzt Martin bitte pass auf dich auf! Ich hab dich auch lieb!“, mit diesen Worten gab sie den Hörer an Martin weiter. „Hallo mein Freund!“, hörte er Martin auf der anderen Seite der Leitung. „Hallo Martin, ich wünsch euch alles Glück auf Erden. Und du weißt ja, wehe du bist nicht gut zu meiner Schwester!“, scherzte er jetzt, nicht besonders überzeugend. „Andreas, ich bin jetzt in einem anderen Raum! Wie geht es dir?“, wollte er wissen. „Es ist alles okay“, antwortete Andreas. „Wirklich?“, hakte Martin nach, der das nicht ganz glaubte. „Ja, den Umständen entsprechend. Es wird hier nicht mein Lieblingsplatz, wenn du das meinst. Ich versuche mich zu arrangieren, mir bleibt nichts anderes übrig oder?“, entgegnete Andreas. „Ich weiß, mein Freund. Ich hätte dich so gerne hier. Du fehlst uns allen sehr!“ Stille. Dann brachte Andreas leise hervor: „Ich wäre auch gerne bei euch.“

      „Andreas, ich habe hier noch jemanden, der gerne mit dir telefonieren möchte! Pass bitte auf dich auf und komm gut zurück, ja?“ „Ich tue mein Bestes!“, antwortete Andreas. „Ich gebe dich jetzt weiter“, sagte Martin nun. Und dann konnte er eine weibliche Stimme hören: „Hallo? Andreas?“ Susanne! Dachte er bei sich. „Hallo!“, flüsterte er und fühlte Tränen in sich hochsteigen während es ihm gleichzeitig warm ums Herz wurde. „Wie geht es dir?“, fragte sie. Plötzlich gab es wieder eine Detonation, Andreas konnte die Schallwellen spüren. „Susanne?“, rief er aber er konnte es nur noch rauschen hören und erhielt keine Antwort. Die Leitung war tot. Mist! Dachte er bei sich.

      Susanne hielt den Hörer ungläubig in der Hand. Sie hatte eine Explosion gehört und auf einmal war die Leitung tot. Andreas! Sie war kreidebleich und zitterte. Martin, der neben ihr stand, sah das und fragte: „Was ist? Habt ihr schon fertig telefoniert?“ „Nein!“, und sie erzählte Martin alles.

      Dieser ließ sich gleich mit dem Zentralstützpunkt in Frankfurt verbinden. „Susanne, kein Wort zu den anderen ja? Wir wollen sie nicht beunruhigen“, mahnte er, jetzt selbst kreidebleich. „Ja, ich hab verstanden“, flüsterte sie.

      Hauptfeldwebel Moser kam in die Basis zurück und fand Andreas ziemlich aufgewühlt vor. Dieser erzählte ihm von dem plötzlichen Zusammenbruch der Leitung und dem abrupten Ende des Telefonats. Zu Hause mussten sich alle Sorgen machen. Das begriff auch der Hauptfeldwebel schnell. Er versuchte die Leitung wieder aufzubauen, was nach anfänglichen Schwierigkeiten auch gelang.

      Vor der Basis wartete schon der nächste Telefonkandidat. Aber Andreas wollte wenigstens noch Bescheid geben, dass bei ihm alles in Ordnung war. Es hatte ihm so gut getan, sie alle zu hören. Gleichzeitig vermisste er sie alle jetzt noch mehr.

      Nach gut zehn Minuten stand die Leitung wieder und Hauptfeldwebel Moser ließ noch einmal die Nummer von Andreas Eltern wählen.

      Sofort wurde der Hörer abgenommen. „Andreas?“, hörte er die aufgebrachte Stimme von Martin. „Ja! Mir geht es gut Martin!“, sagte Andreas schnell. „Was, um Himmels Willen war das?“, fragte Martin. „Eine kontrollierte Sprengung, das passiert hier öfters. Dadurch wurde die Verbindung unterbrochen. Wir kriegen hier nur schwer eine sichere Leitung!“, entgegnete Andreas. „Okay, ich geb dich noch mal weiter. Bitte pass auf dich auf“, mahnte Martin noch einmal. „Warte! Sag bitte Vater und Mutter, dass ich sie liebe! Wir hören uns im September. Bis dann“, sagte Andreas noch. „Hallo?“, konnte er die wackelige