Anna-Sophie Wagner

Stationen einer Liebe


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wollte. Das machte sie wütend. Plötzlich sah sie neben sich eine Flamme auf ihre Zigarette zusteuern. Martin war da. Er sagte nichts. Sie sagte nichts. Beide schauten sie nachdenklich in den Himmel. Sterne waren heute nicht viele zu sehen – dafür war es zu trüb. Wie passend, dachte Susanne. Plötzlich unterbrach Martin das Schweigen: „Hast du ihn noch gesehen, gestern?“ „Ja.“ „Und, hat er dir alles gesagt?“ „Alles?“ „Ich meine, hat er sich dir anvertraut? Hat er dir seine Gefühle gestanden?“ Sie spürte wie ihr die Tränen in die Augen stießen – sie konnte sie einfach nicht mehr zurück halten „Ja!“, schluchzte sie leise. Da nahm Martin sie in den Arm. Er sagte einfach gar nichts, sondern hielt sie nur fest, bis ihre Tränen versiegten. Sie schaute zu ihm hoch. „Ich weiß!“, sagte er nur. „Mach dir keine Sorgen – er ist härter als du denkst!“, versuchte er sie und auch sich selbst aufzubauen. Sie schluchzte immer noch – hatte Probleme zu atmen. „Er kommt zurück – glaube mir!“, bekräftigte er. „Und wenn nicht?“, sagte sie, „Oder was, wenn sie ihm etwas antun, was, wenn sie ihm wehtun? Wie wird er dann zurückkommen? Nein Martin, selbst wenn er zurückkommt, wird er nie mehr als der zurückkommen, als der er, gegangen ist! Das wissen wir beide.“ Martin konnte dem nichts mehr hinzufügen, weil auch er selbst so dachte. Er hatte nur versucht sie aufzubauen. „Oh Gott Martin! Warum gerade jetzt, wo wir uns endlich gefunden haben?“, fing sie jetzt wieder an. „Jetzt, wo wir beide wissen, was wir füreinander empfinden, wie viel wir uns bedeuten. Wir waren so schrecklich naiv, Martin. Konnten wir denn glauben, wir hätten noch genug Zeit uns zu finden? Keiner hat den Schritt nach vorne gewagt, obwohl wir beide es doch hätten spüren müssen. Schon lange!“ erklärte sie ihm verzweifelt, „Stattdessen, haben wir gedacht, wir hätten noch Zeit. Zeit bis nach unserem beruflichen Werdegang. Und nun?“ Sie schlug die Hände vor ihre Augen. Martin legte seinen Arm auf ihre Schultern. Er war irgendwie hilflos, wusste nicht wie er sie aufbauen sollte. Wenigstens um sie wollte er sich kümmern, wenn er seinem Freund schon sonst nicht zur Seite stehen konnte. Aber im Augenblick war er ratlos.

      So jetzt war es genug! Eva machte sich auf den Weg nach draußen. Sie musste jetzt wissen, was da los war. Die Gäste bekamen Gott sei Dank, von alledem nichts mit und amüsierten sich immer noch gut. Angekommen auf der Terrasse, traute sie ihren Augen nicht. Martin hatte den Arm um Susanne gelegt. Was war das nun wieder? Hatten die beiden etwa etwas miteinander? Aber danach sah es irgendwie nicht aus. Als sie ein paar Schritte weiter ging, konnte sie Susanne schluchzen hören.

      „Er kann dich anrufen – wusstest du das?“, fragte Martin nun. „Und, es gibt bei der Bundeswehr Familienbetreuungszentren.“ „Aber ich gehöre nicht zu seiner Familie – bestimmt werde ich dort die Letzte sein, der sie eine Auskunft geben!“, konterte sie, so als wäre er, an allem Schuld, was ihr gleich wieder leid tat. „Ihr könnt euch schreiben – ich habe die Adresse dabei. Auch ich werde ihm schreiben. Ihr beide müsst unbedingt Kontakt halten! Du brauchst ihn und er braucht dich!“, versuchte Martin sie nun zu überzeugen. Susanne seufzte nur laut. „Warum Martin? Warum er?“, fragte sie verzweifelt. „Ich weiß es nicht!“, sagte Martin gebrochen. Auch er vermisste seinen Freund jetzt schon.

      Eva blieb unschlüssig stehen. Sollte sie zu den beiden gehen? Sollte sie sich leise und respektvoll zurückziehen? Sie entschied sich für Letzteres. In einer ruhigen Minute würde sie mit Susanne schon noch reden können. Irgendwie konnte sie spüren, dass es hier um etwas Ernsteres ging.

      „Susanne, komm lass uns wieder rein gehen. Versuch den Abend noch ein bisschen zu genießen. Mia und dein Bruder wären sonst sicher enttäuscht“, sagte Martin nun. „Außerdem vermissen sie dich bestimmt schon. Aber, bevor wir rein gehen - hör mir bitte kurz zu. Wenn du jemanden zum reden brauchst – jemanden der ihn kennt und auch vermisst, dann ruf mich an. Ich werde für dich da sein, okay? Und wenn es neue Informationen gibt, oder wir etwas von ihm hören, werde ich dich sofort informieren, versprochen“ „Woher willst du als Freund Informationen kriegen? Wir sind ja nun beide keine Familienmitglieder oder?“ „Ich bin mit Andreas Schwester Sophie verlobt. Wir werden im August heiraten“ – nach einer kurzen Pause sprach er stockend, fast tonlos, weiter – „Eigentlich hätte er mein Trauzeuge sein sollen…“ Er seufzte. Instinktiv drückte sie ihm den Arm. Dann gingen sie wieder zurück zu ihrer Party. Wenigstens hatte sie in Martin jemanden gefunden – der wusste – wie sie sich fühlte und wie sehr sie Andreas jetzt schon vermisste, weil es ihm ähnlich ging.

      Die anderen hatten anscheinend noch nichts von ihrem Fortgang bemerkt. Nur Eva sah sie mit ihrem typischen -Ich bin Deine beste Freundin und weiß alles -Blick an.

      Susanne versuchte die Party, dann doch noch ein wenig zu genießen. Um drei Uhr waren alle Gäste gegangen. Nur ihr Bruder Stefan mit Sandra und Eva und Alexander waren noch da. Die vier würden heute Nacht hier schlafen. Susanne hatte ihrem Bruder und Sandra ihr Zimmer überlassen. Und Eva und Alexander schliefen im Gästezimmer. Sie selbst, machte es sich auf dem Sofa bequem. Plötzlich war alles still. Die Lichter waren aus. Selbst aus der Bar drang nun kein Laut mehr hinauf. Und da war er wieder, dieser Schmerz. Susanne drehte sich auf die Seite, schloss die Augen und weinte sich in den Schlaf.

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      Kapitel 9

      Andreas lag auf seinem Feldbett und versuchte zu schlafen. Die ersten Tage hier hatte er im Lazarett viel zu organisieren gehabt. Er musste sich selber mit den Abläufen vertraut machen und dann auch sein Team einweisen.

      Er kümmerte sich sowohl um erkrankte Kameraden, als auch um Zivilisten die vermehrt kamen um sich medizinisch versorgen zu lassen. Heute Nacht als er im Halbschlaf war, wurde er von Hauptmann Berger geweckt. Eine syrische Familie war ins Lager gekommen mit ihrem Sohn und ihrer Tochter. Beide waren in Landminen getreten. Die Tochter hatte zum Glück nur ein paar Splitter abbekommen und Andreas konnte sie an seinen Sanitätsoffizier verweisen. Um den Sohn kümmerte er sich selber. Ihm hatte die Explosion fast das halbe Bein abgetrennt. Er versuchte Alles, um dem Jungen das Bein zu erhalten. Die Familie war völlig aufgebracht und hysterisch. Andreas musste sie von Unteroffizier Meier aus dem Lazarettcontainer entfernen lassen. Drei Stunden später hatte er es geschafft, und das Bein des Jungen hoffentlich gerettet. Als Andreas das Lazarett verließ dämmerte es schon. Viel geschlafen hatte er nicht diese Nacht. Und heute mussten sie zum ersten Mal mit dem Aufklärungstrupp auf Patrouille. Es waren Meldungen über feindliche Stellungen eingegangen und der Aufklärungstrupp sollte nun deren Posten suchen und die vermeintlichen Absichten der gegnerischen Kräfte in Erfahrung bringen. Als Sanitätskräfte hatten sie Befehl mitzukommen um für schnelle medizinische Hilfe im Gefechtsfall zu sorgen. Schon in einer Stunde sollte der Trupp starten. Na ja, wenig Schlaf war er ja von seiner Arbeit im Krankenhaus gewohnt. Trotzdem wollte er wenigstens noch ein bisschen versuchen die Augen zu schließen. Seine Ausrüstung, bestehend aus Waffe, Schutz- und Sanitätsausrüstung hatte er schon bereitgestellt. Interessehalber hatten sie die Ausrüstung gewogen und stellten dann erschüttert fest, dass sie insgesamt 90 kg zu tragen hatten.

      Andreas blieb noch kurz stehen bevor er in den Container ging und schaute sich um. Dieses Land – Syrien – war trist und kahl. Ein Teil der Vegetation verbrannt und wüstenartig, der andere Teil mit messerscharfen Felsen übersät. Das Klima hier im Westen war der Übergang zum Trockenklima. Östlich des Küstengebirges wurde es zunehmend trockener und heißer. Es gab kaum Niederschlag. Sie hatten mit Temperaturen zwischen vierzig und fünfundvierzig Grad, manchmal auch mehr, zu kämpfen. Durch die geringen Regenfälle war die Sonnenscheindauer deutlich länger als zu Hause. Vielen Soldaten machte das sehr zu schaffen. Fast täglich hatte Andreas mit Fällen von Dehydratation zu tun.

      Jetzt war es Zeit sich hinzulegen. Und so begab er sich zu seinem Feldbett. Er hatte gerade die Augen geschlossen als es eine Detonation gab, welche so laut war, dass er erschrocken hochschoss. Er konnte die Druckwelle unter seinen Beinen fühlen. Seine Kameraden schien das nicht zu stören. Einer von ihnen, Leutnant Böckl, erklärte ihm, dass es sich bei solchen Detonationen meistens um kontrollierte Sprengungen handele. Diese waren hier an der Tagesordnung, so dass wohl deshalb keiner mehr erschrak.

      Andreas legte sich wieder zurück. Diesmal ließ er die Augen offen, weil es ohnehin