Gerrit Hansen

Die kleinen unbedeutenden Fälle von Hauptkommissar Knut Hansen aus Kiel


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angerufen und die Karten sperren lassen. Vermutlich hatte der Dieb gedacht, es würde etwas länger dauern, bis das Ganze auffliegt. Wahrscheinlich ist der Wicht sogar noch hier auf dem Gelände. Ich wette, dass der hier noch unerkannt in feinster Gewandung herumspaziert und sich ins Fäustchen lacht. Wahrscheinlich klaut er jetzt gerade noch was und wir können nichts tun. Am liebsten würde ich mich mit ‚ner Streitaxt in der Hand direkt ans Drehkreuz stellen und am Ausgang jeden abtasten, der rauskommt. Aber das geht natürlich nicht – wenn sich herumspricht, dass hier im großen Stil geklaut wird, wäre der Schaden ungleich größer als er es jetzt ist. Es ist doch zum aus der Haut fahren! ... Ich ...“ die junge Frau brach in Tränen aus und wandte sich ab. „Aber, aber – holde Maid. Wer wird denn gleich weinen.“ Hansen setzte sich seinen Federhut auf und zwinkerte der Frau zu, wofür er ein zaghaftes Lächeln erntete. „Ich sage Ihnen‚ was – haben Sie eine Verbindung zur Kasse? Telefon, Funk oder so?“ Verunsichert blinzelte sie ihn an: „Wir haben Walkie Talkies, wieso?“ Der Kommissar fuhr fort: „Ich habe einen Verdacht – wäre ich als Polizist unterwegs, müsste ich jetzt Verstärkung von der zuständigen Wache holen und diversen komplizierten Richtlinien folgen. Bis das alles soweit organisiert ist, wäre der Kerl über alle Berge. Glücklicherweise bin ich heute nur Junker Hansen und dies hier ist finsterstes Mittelalter. Daher überlasse ich die Sache dem wütenden Mob. Das wollte ich immer schonmal tun.“ Er lachte gehässig: „Aber jetzt schnell: Funken Sie die Türsteher an, sie sollen sich mit ein paar Mann Verstärkung am Ausgang postieren und auf Heinrich, den Gemüsehändler warten. Mittelgroßer Kerl, schütteres Haar, blaues Gewand – zieht einen Karren mit abgedeckten Körben. Wenn ich mich nicht sehr irre, wird der ziemlich genau in diesem Moment fertig damit sein zu packen und sich in Richtung Ausgang bewegen. Wenn er kommt, sollen eure Leute ihn bestimmt, aber freundlich vom Publikumsverkehr wegbringen und mal einen Blick unter sein Gemüse werfen. Wenn ich mich irre, müsst ihr euch natürlich entschuldigen – kein Drama. Wenn ich aber recht habe und er hat das Diebesgut bei sich, behauptet ihr einfach, ihr hättet ihn beim Klauen gesehen und haltet ihn fest, bis die Polizei kommt – das dürft ihr dann ganz offiziell. Die Polizei solltet ihr in jedem Fall wegen der Diebstähle rufen. Irgendwer muss das Ganze ja aufnehmen – für den Fall, dass jemand mit den gesperrten Kreditkarten erwischt wird, oder so.“

      Die junge Frau machte sich sofort daran, Hansens Instruktionen umzusetzen. Danach kam sie noch einmal zurück.

      „Soll ich den Polizisten etwas von Ihnen ausrichten, Kommissar?“ Hansen zog seinen Federhut zurecht und winkte ab. „Nee, nee, regelt ihr das mal alleine – ich bin heute Junker Hansen. Mein Freund, der tapfere Recke Olaf und ich werden nochmal den Burgturm besteigen, ein bisschen Met trinken und dann verschwinden wir von hier. Wir haben heute frei.“

      Die beiden Polizisten ließen ihre Methörner auffüllen und bestiegen die Turmhügelburg. Von dort oben konnte man das ganze Gelände überschauen. Der Tag neigte sich dem Ende zu und ein angenehm kühler Abendwind strich den beiden über die sonnengeröteten Wangen. Lächelnd beobachteten sie den in diesem Moment am Ausgangsbereich abfahrenden Polizei-Einsatzwagen. Selbst auf diese Entfernung war Heinrich, der Gemüsehändler im Wageninneren zu erkennen, der gequält aus dem Fenster schaute. Sie sahen den Rücklichtern des Polizeiwagens nach, der sich langsam entfernte.

      Köppcke, von Hitze und Met schon arg mitgenommen, wandte sich fragend seinem Chef zu: „Wieder mal recht gehabt, Chef – Ich hab das wieder mal nicht so richtig mitgeschnitten – warum der Gemüsehändler? Warum nicht die Tänzerin oder der Mönch? Oder irgendwer anderes?

      „Na ja – da ergab einfach Eins das Andere. Hätte ich mir nach Täterprofil selber einen Täter ausdenken dürfen, wäre dabei zu 100 % Heinrich rausgekommen. Den Ausschlag hat aber wohl gegeben, dass er ganz offensichtlich weder einen blassen Schimmer von Gemüse noch vom Mittelalter hat ...“ Köppcke legte den Kopf schief: „Wieso war das offensichtlich? Waren die Kartoffeln schlecht, oder was?“ Hansen nippte an seinem Horn. „Nee, schlecht nicht – sie hätten gar nicht da sein dürfen. Der gute Mann hat uns eifrig angeblich mittelalterliche Sorten Kartoffeln, Tomaten und Paprika angepriesen – und damit 3 von 3 möglichen Fehlern gemacht ...“ Köppcke runzelte die Stirn und wartete mit verständnislosem Blick den Rest der Erklärung ab.

      „Wer aber, wie ich, zum Einen gerne isst und zum Anderen rudimentäre Kenntnisse über Seefahrt hat ...“, fuhr Hansen beschwingt fort „…der weiß, dass Tomaten, Paprika und Kartoffeln erst gegen 1500 von Kolumbus nach Europa eingeführt wurden und somit hier im Mittelalter unbekannt waren.“ Köppcke deutete eine Verbeugung an und prostete seinem Chef zu: „Ihr wart wieder einmal der Klügste und habt kühnen Kopf bewiesen, Junker Hansen!“ Lachend erhob der Hauptkommissar auch sein Horn: „Nenne er mich endlich Junker Knut – schließlich trinken wir Schulter an Schulter Met aus Hörnern, DAS tue ich nicht mit jedem. Wie sieht‘s aus, machen wir den Mönch mit dem Fass ausfindig und füllen nochmal nach?“ Köppcke hakte seinen Chef ein und gemeinsam wandten sie sich dem Abstieg zu. „Das ist ein Wort! Und danach rufe ich Jungfer Susie, auf dass sie uns abholen komme.“ Hauptkommissar Hansen fühlte sich gut wie lange nicht mehr: „Au ja – Ein Hoch auf Jungfer Susie für diesen wunderbaren, fremdartigen Tag!“

      Kapitel 5Fall 5: Gemälderaub im Strandhotel

      „Hmmm … Brötchen.“ Knut Hansen hatte wegen einer nervigen Steuerbetrugs-Angelegenheit im Kieler Stadtteil Strande ermittelt. Die Ermittlungen waren nach wochenlanger Kleinarbeit erfolgreich zu Ende gegangen und eine letzte abschließende Befragung hatte den Kommissar ins Strandhotel ‚Hof Ostsee‘ geführt. Beim Verlassen des Hotels war er durch die falsche Tür gegangen, stand nun im Speiseraum des Hotels und sog den Geruch von Kaffee und frischen Brötchen in sich auf. Ein freundliches Schild über dem Eingang wies darauf hin, dass das Frühstücksbuffet auch ‚Nichtgästen‘ zur Verfügung stehe und führte damit den Gedanken zu Ende, den der Geruch in Hansen ausgelöst hatte. Er blickte auf sein Handy. Die Mitteilung ‚15 Nachrichten‘ auf dem Display deprimierte ihn, daher schaltete er es aus und suchte sich einen schönen Tisch mit Strandblick am Fenster. Es war zurzeit die Hölle los im Präsidium und seit Wochen hatte er schon nicht mehr in Ruhe gefrühstückt. Das Geräusch des Messers im knusprigen Brötchen klang wie klassische Musik in seinen Ohren und beim Aufstreichen der Marmelade fühlte er sich wie ein Künstler, der gerade den letzten Pinselstrich vollführte. „Babababababam, getroffen!“, der Kommissar wurde jäh aus seinem Tagtraum gerissen und fast wäre ihm das Brötchen aus der Hand gefallen, als ein blonder Junge im Camouflage-Kampfanzug mit einem riesenhaften Plastikgewehr direkt in ihn hineinlief. Dieser ‚schoss‘ auf einen ebenfalls schwer gerüsteten Jungen mit schwarzen Haaren und dunklem Teint am anderen Ende des Saals.

      Ohne eine Entschuldigung stieß sich der Junge vom Inspektor ab und lief schnurstracks auf den anderen Jungen zu. „Leutnant Murat – fertig machen zur Operation Strandkorb.“ Der dunklere Junge brüllte zurück: „Alles klar, Commander Jan!“ und beide liefen in Richtung Ausgang, wobei sie unter lautem Getöse die Schwingtür zum Speiseraum aufstießen. Durch das Fenster konnte Hansen die beiden am Strand beobachten. Sie hatten die Waffen getauscht gegen Kompass, Fernglas und Schreibblock und veranstalteten wohl eine Art Schatzsuche zwischen den Strandkörben. Von den Erholung suchenden Kurgästen am Strand ließen sich die beiden nicht stören, während sie lautstark von einem Strandkorb zum anderen tobten.

      Der Kommissar lächelte, denn er musste an seine Kindheit auf Langeoog denken. Diese hatte er hauptsächlich damit zugebracht, auf den Fischkuttern zu helfen oder Kriminalromane zu lesen, aber einige Male hatte auch er mit den größeren Jungen Piraten gespielt. Zwar waren die ‚Waffen‘ damals selbst gebaut aus Ästen und Strandgut – aber im Kern hatte er den Eindruck, dass sich nicht viel geändert hatte. Er trank seinen zweiten Kaffee aus, stand auf und schlenderte gut gelaunt zur Garderobe. Während er noch versuchte aus mehreren nahezu identischen Jacken seine eigene herauszusuchen, wurde er unfreiwillig Zeuge eines Gespräches an der Rezeption. Eine Frau und ein Mann flüsterten aufgebracht: „Nicht schon wieder … das kann doch nicht angehen!“ „Doch! Der ‚Leuchtturm‘ im Flur und die ‚Segelschiffe‘ im Klo“. „Und mit Botschaft, wie immer?“ „Ja, der gleiche Unsinn wie bei den anderen …“

      Der