Ulrike Minge

Obscuritas


Скачать книгу

noch: Wie gut kannst du schwimmen?“

      Margret antwortete nur mit einem kurzen Nicken und schaute auf die Wand vor ihr.

      „Du musst in diese Wand hineingehen und sobald du durch die Oberfläche getaucht bist, musst du anfangen zu schwimmen“, erklärte Hubertus.

      In dem Moment, als die Information Margrets Gehirn zu erreichen schien, schob sich der Pflanzenvorhang zur Seite und die dunkle Wand, die sich dahinter auftat, begann sich in Wellen zu bewegen. Margret streckte eine Hand in Richtung der Wand. Die Berührung fühlte sich an wie fließendes Wasser.

      „Um dir die Frage in deinem Gesicht zu beantworten, mittels des Tamalins ist es uns Käferlingern möglich, ganz bestimmtes Gestein, das sich hier in dieser Höhle befindet, so zu beeinflussen, dass sich seine chemische Struktur so verändert, dass es sich verflüssigt. Flüssig wie schwarzes Wasser, durch das man dann hindurchschwimmen kann, um an einen anderen Ort zu gelangen. Es ist schwer zu erklären. Wir wollen zu den Squirels gelangen, doch zu ihnen führt kein Weg. Es ist ein Zauber, der sie schützt.“

      Frisches schwarzes Wasser umfloss ihre Hand.

      „Geh, Margret!“, forderte Hubertus sie auf.

      Margret mochte das kalte Wasser, doch sie beschlich ein sonderbares Gefühl, trotzdem stieg sie hinein und begann zu schwimmen. Sie schwebte, getragen vom Wasser.

      Da sah sie Hubertus neben sich, der elegant wie ein Vogel dahinflog.

      „Lass uns fliegen!“, hörte sie Hubertus in ihrem Kopf.

      Hubertus und Margret glitten durch das Gestein, wobei Hubertus die Richtung wies. Gleichmäßig schlug der Käferlinger mit seinen Beinen und wäre alleine wesentlich schneller vorangekommen. Margret genoss dieses neue Gefühl, noch nie hatte sie sich so federleicht gefühlt, viel zu schnell war es vorbei. „Mach dich bereit, unsere Reise wird nun zu Ende sein“, hörte Margret Hubertus neben sich. Margret schwebte für wenige Sekunden auf der Stelle.

      „Du musst wieder nur hindurchtreten, wie du es vorhin bereits getan hast.“

      Margret glitt durch das rauschende Wasser hindurch, erstaunt, nicht einen Tropfen Wasser an ihrem Körper zu spüren.

      Die Illusion war perfekt.

      „Wie ist das möglich, Hubertus? An mir ist nicht ein bisschen Wasser zu finden. Und woher wusstest du, dass wir an dieser Stelle hinaus mussten?“, fragte Margret.

      „Zum einen war es kein richtiges Wasser, auch wenn es dir ein solches Gefühl vermittelt hat. Und die Sache mit dem Ausgang hat etwas mit der Frequenz zu tun, die der Ton hat, den wir Käferlinger aussenden, um eine derartige Reise zu absolvieren. Der Ton zeigt das Ziel.“

      Margret und Hubertus fanden sich in einer viel größeren Höhle wieder. Man sah nicht einmal die Decke. Im Unterschied dazu stand kein großes Schloss in der Mitte, das die Höhle ausfüllte, sondern viele kleine Hütten, die sich aneinander kuschelten.

      Seltsam mutete die Architektur an, denn diese Häuser besaßen keine Ecken in dem Sinne, sie waren vollkommen rund gebaut und an der Stelle, an der eigentlich ein Dach hätte sein müssen, saß auf dem Haus eine große, runde Kugel auf.

      In dieser großen Kugel befand sich jeweils ein großes ebenso rundes Fenster aus Glas, durch das man, wenn man sich etwas Mühe gab, ins Innere des kleinen Hauses schauen konnte.

      Die beiden Reisenden standen abseits des Gewusels und Trubels, das in den Straßen vor sich ging. Lauter bunte Wesen mit kurzen Beinen gingen ihren Aufgaben nach und trugen Körbe und etliche andere Dinge durch die Gassen.

      „Wir sind angekommen. Das, was du hier siehst, ist die Stadt der Squirels, Squirelton. Er steht öfter geschrieben, wenn es um die Felder und das Wunder von Squirilion geht“, erklärte ihr Hubertus. Margret hatte davon noch nie etwas gehört, doch der Anblick faszinierte sie. Sie konnte sich nicht satt sehen an den vielen Farben. Ein jeder von ihnen sah anders aus und wenn er sich nicht durch seine Farbe von einem anderen Artgenossen unterschied, so durch unzählige Formen. In der kurzen Zeit erspähte Margret einige, die Fell trugen, manche, die wiederum nur eine Haut hatten, und einen, der über den Körper verstreut leuchtende Schuppen trug. Dann lief ganz dicht an Margret ein blauer Bewohner vorbei, der lange Stacheln auf seinem gesamten Körper trug, doch bevor Margret auch nur einen Schritt zur Seite gehen konnte, in der Angst von den Stacheln getroffen zu werden, war dieser auch schon an ihr vorbeigeeilt und die anfänglich bedrohlich aussehenden Stacheln bogen sich ganz sanft an ihr vorbei.

      Sogleich eilte auch schon ein anderes gelbes, mit Fell bedecktes Kerlchen auf die beiden Neuankömmlinge zu.

      Sein Kopf, der mit einem langen Hals auf seinem runden Körper befestigt war, wackelte unaufhörlich hin und her, während er mit seinen kurzen Beinchen und den großen Füßen auf sie zu gelaufen kam. Er war gerade mal so groß, dass er Margret bis zur Hüfte reichte.

      „Hallo, seid herzlich willkommen, wer auch immer ihr beide sein mögt. Ich bin Squid, Gärtnermeister des dritten Feldes“, begrüßte der Squirel und stellte sich im gleichen Atemzug vor. „Wir hatten noch nie Fremde zu Besuch. Zumindest solange ich lebe“, sprudelte es aus seinem Mund heraus.

      „Ich bringe euch zum Squirelmeister, er ist für die Belange der Squirels und die der Stadt zu ständig. Diese Familie hat dieses Amt schon seit vielen Generationen inne.“

      Diesem konnten Margret und Hubertus kaum widersprechen, denn der Squirel hatte sich bereits wieder umgedreht und lief eilig Richtung Städtchen.

      Margret und Hubertus warfen sich kurz Blicke zu und holten das kleine Kerlchen schnell ein. Denn im Vergleich zu ihnen, kam Squid, der Squirel, wesentlich langsamer voran. Sie war erstaunt über die Gutmütigkeit dieses Squirels, der da so gut gelaunt vor ihr herlief und sie in das Herz des Städtchens führte, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Margret war irritiert, wie offen er auf sie zukam. Als wäre nie etwas Böses über diese Idylle gekommen.

      Keiner der anderen Bewohner, die auf den Straßen unterwegs waren, nahmen Anstoß an den ungewöhnlichen Besuchern. So schritten sie durch die Stadt, bis ins Innere hinein, bis sie vor einem Haus standen, dessen Größe die anderen kleinen um einiges überragte.

      Eine Tür eines Kugelkugelhäuschens öffnete sich und ein großer Bewohner trat hinaus. Er war in Form und Statur wesentlich größer als alle anderen Squirels, die Margret bis jetzt gesehen hatte. Obwohl er dadurch nicht so ein watschelndes Auftreten hatte, sorgte seine füllige Form dafür, dass seine Bewegungen unbeholfen wirkten. In diesem Moment schwirrte ein leuchtendes Insekt an Margrets Gesicht vorbei, das ihre Aufmerksamkeit in seinen Bann zog und ihren Blick hinauflenkte. Sie sah einen Teppich von leuchtenden, kleinen Tieren, die ihr Licht in die Höhle aussandten.

      „Wie ich sehe, haben sie schon unsere kleinen Untermieter kennen gelernt, junge Dame“, wandte sich der Squirelmeister an sie. „Wir leben in Symbiose mit diesen Leuchtwürmchen. Sie spenden seit Generationen ihr Licht für uns und wir versorgen sie gleichermaßen mit Nahrung und bauen ihnen Unterkünfte. Doch dies wird sicher nicht der Grund sein, der euch zu uns führt. Wie auch immer ihr den Weg hierher gefunden habt“, erklärte der große blaue Squirel und Margret verspürte Argwohn in seiner Stimme.

      „Wenn wir uns vorstellen dürfen, mein Name ist Hubertus von Marbius, ich gehöre zu der Gattung der Smaragdkäferlinger und bei meiner Begleitung handelt es sich um Margret Choclair, aus dem Geschlecht der ehrwürdigen Choclair-Familie“, begann Hubertus mit seiner höflichen Begrüßung. „Ich weiß nicht, in wie weit das derzeitige Problem hier bekannt ist, aber seit Jahren herrscht auf der Erde Dunkelheit, die fest ihre Krallen in diese Kugel geschlagen hat.“

      „Ja, mir ist von diesem Problem etwas zu Ohren gekommen, jedoch kann ich ihnen in diesem einen Punkt nicht folgen, inwiefern das Völkchen der Squirels ihnen bei der Bekämpfung dieser Aufgabe behilflich sein kann. Wir sind ein friedliebendes Volk und sind nicht für einen Krieg gebaut.“

      Margret ertappte sich, wie sie die kleinen abstehenden runden Ohren des Squirelmeisters musterte und in sich hineinschmunzelte.

      „Sollen wir ihnen etwa einige