Ulrike Minge

Obscuritas


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ihren Gesprächen reisten sie quer über die Oberfläche der Welt, mit dem Finger auf den alten Landkarten und dem Wissen Archimederius‘ lebte Margret die Geschichte förmlich. In wilden Bildern zog sie vor ihrem inneren Auge vorbei.

      Hubertus und Prinz Magnus waren derweilen wieder in die oberen Stockwerke des Smaragdschlosses zurückgekehrt, da der Prinz noch einige unaufschiebbare Aufgaben zu erledigen hatte.

      Unterdessen führte Archimederius sie in die Geheimnisse der kleinen Dinge ein, die er in ihre Tasche gepackt hatte.

      Eigentlich waren es nur zwei schlichte Dinge.

      Ein Flasche, gefüllt mit Wasser aus der Smaragdschlossquelle, das durch die verschiedenen Mineralien und den Zauber, der der Quelle zugeschrieben wird, nicht nur reines Wasser ist. Es versiegt nie. Es ist reinstes Lebenselixier.

      Und als Zweites eine unscheinbare gläserne Kugel.

      Eine grüne durchsichtige Flüssigkeit befand sich in dem gläsernen Gefäß, die, wenn Archimederius sie gegen das Licht hielt, von feinen glänzenden Schlieren durchzogen wurde.

      „Dies ist neben den zahlreichen Pergamenten der kostbarste Teil meiner Sammlung, doch nun sollst du es mit auf deine gefährliche Reise mitnehmen. In der Kugel befindet sich einer der kostbarsten Flüssigkeiten, die wir besitzen, jene glühende Substanz, die sich in unseren Leuchtperlen befindet.

      Es heißt Tamalin.

      Es ist ein großes Opfer, das ein Smaragdkäferlinger erbringt, wenn er es hergibt, denn diese Materie in den Leuchtperlen aufzufüllen, dauert mehrere Jahrhunderte. Das Tamalin ist für uns so wichtig, wie für dich dein Blut. Es ist unser Lebenssaft. Solltest du einmal in alles verschluckender Schwärze deinen Weg nicht finden, so halte diese Kugel in deinen Händen. Du musste sie nur ganz sanft berühren. Sie wird dann erwachen und ihr Licht aussenden, dass du einen Weg hinaus finden magst. Es funktioniert jedoch nur einmal für eine lange Zeit, bedenke also gut, wann du diese Kugel benutzt.“

      Margret war sehr erstaunt, sie konnte das Vertrauen, das ihr entgegengebracht wurde, kaum in Worte fassen.

      „Dann weißt du auch, wie wertvoll deine Fracht sein wird, es ist von größter Wichtigkeit, dass niemand davon erfährt, während du damit unterwegs bist. Doch ich könnte es mir nicht verzeihen, falls dir etwas zustoßen sollte, aus diesem Grund werden das Quellwasser und die Kugel mit dir an jeden Ort reisen, an den auch du gehen wirst. Und wo dies sein wird, das wissen nur die Sterne“, endete Archimederius.

      „Da wir nun alles soweit geklärt haben und ich mit einem Blick auf meine Sanduhr feststelle, ist es eindeutig Zeit für unser Abendessen. Die Damen aus der Küche werden wahrscheinlich schon wieder ihre ganze Pracht der Smaragdkäferlinger Kochkunst aufgefahren haben, besonders da dich Hubertus auch noch groß angekündigt hat.“ Den Rest hatte Margret gar nicht mehr bewusst wahrgenommen, denn sie schaute verwundert auf die gläserne Kugel, in der der Sand unablässig von der Mitte oben an den Seiten hinabfloss, sich in der Mitte unten wieder sammelte, um danach wieder in einer Säule aufzusteigen.

      Archimederius bemerkte Margrets Interesse an seinem Stundenglas.

      „Das ist Zeitsand oder auch Stundensand. Er weiß immer, welche Stunde es schlägt, er geht genauer als so manche Standuhren und muss auch nicht aufgezogen werden. Sein Geheimnis habe ich ihm bis jetzt noch nicht entlocken können, nur eins weiß ich ganz gewiss, dass dieser Sand sehr alt ist und aus der Gegend der Sümpfe von Boloir stammt“, gab er ihr eine Antwort und schob sie ungeduldig wie ein kleines Kind aus dem Zimmer, hinauf durch den dunklen Gang in ein bezauberndes Zimmer, in dem es bereits köstlich nach Essen duftete.

      Den restlichen Tag verbrachte Margret mit Hubertus, der mit ihr nochmal den Plan für den morgigen Aufbruch durchging und versuchte so gut, wie es ihm möglich war, Margrets Fragen zu beantworten.

      Hauptsächlich ging es dabei um das Leben der Smaragdkäferlinger und deren lange Geschichte und über die Zeit vor der unnachgiebigen Dunkelheit.

      Danach machten sich Hubertus und Magnus auf Margret in ihr Zimmer zu geleiten, in dem sie auch aufgewacht war. Beide wünschten ihr eine gute Nacht und schöne Träume.

      „In einem Bett mit Blick auf den Himmel, schläft es sich am besten“, hörte sie nur noch Hubertus sagen und versank in einen tiefen ruhigen Schlaf.

      Kapitel 11

      DIE SQUIRELS

      Der folgende Morgen begann mit einem kurzen Frühstück in einem der riesigen Räume des Schlosses. Margret und Hubertus gingen danach noch einmal zu Archimederius, der damit beschäftigt war, an einem seiner vielen Gerätschaften zu hantieren. Schließlich waren noch die Tasche, die für sie bestimmt war, und ihre Kutte bei Archimederius abzuholen.

      Zur Begrüßung hob er den Kopf, erwiderte: „Schön, dass ihr nun beide vorbeikommt“, und verschwand wieder hinter seine Apparaturen, um an kleinen feinen goldenen Schrauben zu drehen.

      Einen Augenblick später, kam er auch schon hinter dem Gerät hervor, eilte zu einem der Tische, holte die schwarze lederne Tasche, überreichte sie Margret, die sie sich sofort umhängte und in die dunkle verhüllende Kutte schlüpfte, die ihr in Falten bis zu den Füßen fiel. Die große Kapuze reichte ihr bis zur Hüfte, sodass sie, wenn sie sich diese über den Kopf zog, ihr Gesicht komplett in der Dunkelheit verbergen konnte. Margret fühlte sich bereit, so bereit, wie sie nur sein konnte. Nachdem sie noch einige Worte gewechselt hatten, wünschte Archimederius ihnen viel Glück und Sicherheit auf ihren geheimen Wegen.

      Margret sah an diesem Tag zum ersten Mal in ihrem Leben, ein derart beeindruckendes Bauwerk, denn sie und Hubertus hatten den Weg in die Höhle genommen, raus aus dem Smaragdschloss, denn nur dort konnte die geplante Mission beginnen.

      Mehrere Stockwerke reichte das glitzernde Smaragdschloss bis zur Höhlendecke. Mit unzähligen Türmchen und Erkern geschmückt entsprach es für Margret genau dem Traumbild eines Märchenschlosses. Aus weißem Gestein erbaut, verziert mit kostbaren Steinen, präsentierte es sich im gleißenden Licht.

      Besonders in dieser riesigen Höhle wirkte das Schloss noch imposanter. In einem Traum hätte es nur noch auf einem grün bewachsenen Hügel stehen müssen, das Gras sich leise wiegend im aufkommenden lauen Wind eines Frühlingsmorgens, um sie sofort in eine malerische Fantasie hineinzuziehen.

      Das helle Licht, das von der Höhlendecke strahlte, irritierte Margret, sodass sie forschend zu Hubertus hinüberblicke.

      Dieser erkannte sofort die Frage in Margrets Augen: „Das, was ihr dort oben seht, ist der Grund für den Glanz in dieser Höhle.

      Das Licht.

      Es handelt sich hierbei um eine Erfindung von Archimederius, die Sphaera illumina die leuchtende Himmelskugel. Sie besteht in der Außenhülle aus Glas, ein gläserner Ballon, gehalten von Fäden, gesponnen von einer sehr seltenen Spinnenart, die schon seit Jahrhunderten unzählige Meilen tiefer im Innern der Erde lebt. Mittels Rohren wird das flüssige Gestein aus einer Magmablase tief unter uns hier herauf befördert und wir vermischen es anschließend mit geringen Mengen von Tamalin und können die Höhle mit Licht und Wärme versorgen.“

      „Eine Magmablase hier unter uns?“, fragte Margret in einem ungläubigen Ton und mit großer Mühe nach Worten ringend, während sie ängstlich auf ihre Schuhe starrte.

      „Ja, heißes fließendes Gestein, das sich damals, vor rund zweihunderttausend Jahren, den Weg durch diese Höhle nach draußen gebahnt hatte. Über unzählige Rohrleitungen führen wir es nun aus den Tiefen der Erde zu uns hinauf“, erklärte er Margret beruhigend und fügte noch hinzu: „Mach dir darüber keine Gedanken, wir haben eine andere Aufgabe zu erledigen, deren Erfüllung von höchster Dringlichkeit ist!“

      Margret und Hubertus durchquerten die Höhle, deren felsiger Boden Margret an den Boden der Grotte erinnerte, durch die sie den Weg hierher gefunden hatte.

      Dann vor einer Wand, bewachsen mit einem rankenden Gewächs, endete abrupt ihre Reise.

      „Margret, diesmal werden wir kein Portal nutzen können, dass uns zu unserem