Peter Urban

Der Herr des Krieges Gesamtausgabe


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schrie er den Rotröcken zu: „Was werden sie zuhause in England von euch denken, ihr versoffenen Hundesöhne! Nehmt euch zusammen und folgt mir!” Mit gezogenem Regenschirm wies er den Männern die Richtung zurück ins Gefecht, hin zu seiner hart kämpfenden Dritten Division am Paß von San Antonio. Die 8. portugiesische Infanterie, gerade erst aus dem Ausbildungslager bei Leiria angekommen, schlug sich todesmutig mit General Maucunes Adlern. Seite an Seite mit ihnen focht Major Gwynne mit seinem 45. Regiment. Die portugiesischen Scharfschützen schossen ruhig und präzise Salve um Salve in die angreifenden Adler, als ob sie ihr ganzes Leben schon in der Armee zugebracht hätten. Wellington bemerkte im Vorbeireiten junge Gesichter von der Universität Coimbra, die er vor einem Jahr noch in den Talaren der juristischen oder medizinischen Fakultät kennengelernt hatte, Söhne von Grundbesitzern, bei denen er irgendwann einmal zu Gast gewesen war und sogar ein paar blutjunge Padres aus Tomar, Santa Clara und Fatima. Sie wollten um nichts in der Welt ihre Freiheit verlieren. Dafür hatten sie alles hinter sich gelassen und waren ihm gefolgt. Kugeln pfiffen ihm um die Ohren, die Franzosen schickten drei weitere Brigaden aus Merles Division nach vorne. Durch den Rauch hindurch konnte man den feuerroten Schopf Marschall Michel Neys erkennen. Er ritt mit General Merle und führte den Angriff. Die Franzosen, angespornt durch die Anwesenheit des tapfersten aller Gefährten Napoleons warfen sich dem Gegner entgegen. Lauter Trommelwirbel begleitete sie. Trotzdem zügelte Wellington seinen Hengst. Durch den Lärm der Schlacht hörte er Oberst Alexander Wallace, einen stolzen Hochländer, der das 88. Regiment der irischen Connaught Rangers befehligte. Sein Vorfahr William Wallace hatte Englands König Edward Longshanks mit einem gemischten Heer aus Schotten und Iren geschlagen, vor mehr als 500 Jahren und damit zum ersten Mal die Freiheit für sein Land erkämpft. Er sprach zu seinen Männern: „Now, Connaught Rangers, when I bring you face to face with those French rascals, drive them down the hill - don’t give the false touch, but push home to the muzzle! I have nothing more to say, and if I had, it would be of no use, for in a minit or two there’ll be such an infernal noise about your ears, that you won’t be able to hear yourselves!” Fast dieselben Worte hatte William Wallace vor einem halben Jahrtausend auch benutzt, und die Kelten hatten die Engländer vernichtend geschlagen. Arthur zog den Zweispitz, senkte sein Haupt vor den Connaught Rangers und rief ihnen auf Gälisch zu: „An meanmnach cliamhuinn aireach! Tapfere Söhne Erins, kämpft heute mit Wallace, wie eure Vorfahren es damals bei Stirling getan haben!”

      Die Connaught Rangers stürmten mit aufgepflanztem Bajonett nach vorne, ihr Oberst trieb sein Pferd neben den Hengst von Lord Wellington. Der junge Schotte lächelte dem Iren zu. Arthur zog Marlboroughs Schwert aus der Scheide: „Seagh ab taimh!“, sagte er leise zu Alexander Wallace, „Sieg oder Tod!”. Als das 88. Regiment sah, daß ihr Oberkommandierender an ihrer Seite kämpfte, stürmten sie noch energischer in die Angreifer hinein. Obwohl in diesem Augenblick elf französische Bataillone mit nur vier britischen und portugiesischen Bataillonen an diesem Frontabschnitt rangen und die Situation äußerst kritisch für die Verteidiger war, gelang es ihnen doch Merles Widerstand zu brechen. Hauptmann Dunne und Hauptmann Dansey stürmten den Felsen, auf dem die Franzosen sich bereits verschanzt hatten. Wallace selbst führte die fünfte Kompanie des Bataillons um den Felsen herum und befahl dann Hauptmann Oates, die Adler von der anderen Seite her anzugreifen. Dann gab er der einen Hälfte des 88. Regimentes Zeichen, ihm nach vorne zu folgen und bedeutete der anderen, mit Lord Wellington zu gehen. Genau in diesem Augenblick feuerte das 45. Regiment unter Oberst Gwynne zwei wilde Volleys in die erste französische Kolonne hinein. Blaue Röcke fielen zu Boden und schufen Verwirrung unter den französischen Infanteristen. Wallace und Wellington warfen sich mit den Connaught Rangers gemeinsam in das wütendste feindliche Feuer. Alles war jetzt nur noch Verwirrung, Kampf Mann gegen Mann, lautes Feuern und Rauch. Die 8. portugiesische Infanterie folgte und ebenso die Männer des 45. Regiments. Wie sein nobler Vorfahr William bei Stirling, sprang jetzt auch Alexander Wallace vom Pferd und kämpfte, sein schottisches Breitschwert in der Hand, mit dem übermächtigen Feind. Um ihn herum lag ein gutes Dutzend toter und sterbender Franzosen. Marschall Ney, der diesen Angriff führte, hatte sich Lord Wellington selbst zum Gegner gewählt. Er brachte sein Pferd kurz zum Halten und senkte stolz den Schwertarm vor dem Iren, um ihn um sein Einverständnis zu bitten: „Sire?“ Arthur senkte ebenfalls den Schwertarm und gab dem Herzog von Elchingen durch den Rauch und den Kugelhagel hindurch ein Zeichen mit dem Kopf. Er öffnete seinen Umhang und warf ihn zu Boden. Die blauen und grünen Röcke, die zwischen den beiden Offizieren gestanden hatten und die Szene beobachten konnten, gingen den Reitern aus dem Weg und machten ihnen eine Schneise frei. Beide Männer versammelten ihre Pferde, dann prallten sie im gestreckten Galopp aufeinander. Laut übertönte der harte Klang der Schwerter den Lärm der Schlacht. Eine kleine Ewigkeit fochten der französische Marschall und der irische General miteinander. Ney war mutig, wie ein Löwe. Wellington mußte mehrmals mit dem Pferd zur Seite ausweichen, um den wütenden Hieben seines Gegners zu entgehen. Sein irisches Blut kochte. Endlich traf er den roten Michel am Schwertarm. Er ließ seinen Hengst steigen, um für den letzten Schlag mehr Kraft zu haben. Marschall Ney senkte den verletzten Arm mit dem Schwert zu Boden: „Assez, Mylord Wellington! Es war mir eine große Ehre, mit Ihnen zu kämpfen!” Arthur verbeugte sich leicht vor dem Franzosen: „Vielleicht werden wir eines Tages Gelegenheit haben, uns nicht auf einem Schlachtfeld zu treffen! Au Revoir, mon Ami!” Michel Ney wendete sein Pferd und gab General Merle und seinen Männern das Zeichen zum Rückzug. Als Alexander Wallace die Bewegung der Franzosen zu seiner Linken sah, wollte er den Connaught Rangers Befehl geben, Merle den Hang hinunter zu verfolgen. Noch bevor er sprechen konnte, zügelte der Ire Kopenhagen neben ihm: „Nein, Oberst! Marschall Ney hat sich gebeugt. Lassen Sie ihn ziehen!” Der Hochländer verstand sofort. Die Ehre des Krieges gestattete es nicht, einem Gegner, der aufgab, den Rückzug zu verweigern. Sein Vorfahr hatte immer nach diesem Gesetz gehandelt. Er schob den Claymore zurück in die Scheide.

      Zwischenzeitlich versuchte der Franzose Foy sieben Bataillone auf einer kleinen Anhöhe nördlich des Passes. Die ersten Rotröcke, die ihm entgegentraten, machten keinen richtigen Eindruck auf den Franzosen. Es waren nur ein paar Kompanien des 45. Regiments. Sie schienen müde vom Kampf. Doch als der Nebel sich etwas auflöste, mußte Foy zu seinem großen Entsetzen feststellen, daß hinter den Männern des 45. Regimentes die gesamte Fünfte Division von General Leith auftauchte. Nachdem der Offizier in seinem Frontabschnitt keine Franzosen mehr gesehen hatte, war er nach links auf Spencers Division zumarschiert. Er ließ das 9. Regiment sofort eine feine, lange Linie formen, nur zwei Mann tief. Sie feuerten einige harte Volleys gegen Foy. Sofort fiel die erste französische Kolonne zurück. Das dritte Bataillon der Royal Scots griff von der Seite her an. Hinter ihnen tauchten die Männer des 17. Regiments und des 70. Regiments auf. Auch sie waren in einer langen Linie aufgestellt. Aus fast tausend Mündungen hagelten alle 15 Sekunden Kugeln in die französischen Kolonnen hinein. Die Feuerkraft der Briten war gewaltig. General Reynier konnte die Adler nicht mehr zurückhalten. Sie flohen den Hang hinunter. Hill, in dessen Frontabschnitt keine Kampfhandlungen stattgefunden hatten, führte jetzt seine unverbrauchte Zweite Division von Nostra Senhora de Monte Alto gegen den San Antonio-Paß um Mackinnon zu verstärken. Den Schutz der rechten Flanke hatte Lord Wellington der Mutter Gottes vertrauensvoll überlassen, zum großen Schrecken so manch eines jungen Offiziers, der am fernen Horizont Unmengen blauer Uniformen erkennen konnte, die sich nicht in die richtige Richtung zu bewegen schienen. Arthur befahl Sir Rowland nur zu feuern und den Gegner daran zu hindern, irgendeine Position auf dem Plateau zu nehmen und zu halten: „Keine hitzigen Anfälle von Bewegungsdrang nach vorne und nach unten, mein Freund! Auch wenn’s dir noch so schwer fällt!” Hill zog ein bißchen enttäuscht den Kopf ein und murmelte dem Iren zu: „Wie Sie befehlen, Mylord!” Dann stand der General aus Shropshire drei Stunden lang mit seinen Männern, wie festgenagelt auf der Anhöhe. Dem Gegner gelang es nicht einmal, die halbe Strecke bis nach oben zu bewältigen. Dies war das Ende von General Reyniers Korps. Auch Marschall Ney hatte bei seinem Versuch, entlang der Straße von Moura nach Sula die Anhöhe zum Konvent von Bussaco zu nehmen keinen Erfolg gehabt. Robert Craufurd und fünf Bataillone der Leichten Division versperrten ihm den Weg, unterstützt von zwei Batterien fahrbarer Artillerie und dem zielsicheren Andy Mercer. Black Bob hatte zwei Bataillone Scharfschützen am Fuß der Anhöhe verschanzt gehalten. Nur unter größten Verlusten war es General Loison nach mehr als drei Stunden gelungen, diese Handvoll wütender Briten mit seinen fast 11.000 Soldaten zu vertreiben. Langsam marschierten die Adler die Anhöhe hinauf. Loison hatte