Peter Urban

Der Herr des Krieges Gesamtausgabe


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die Position lange genug zu halten, um die Franzosen in Sicherheit zu wiegen und sie davon zu überzeugen, daß Almeida für ihn strategisch wichtig war. Dann sollte der Schotte alles daran setzen, den Gegner über die schmale Brücke auf die andere Seite des Coa zu locken. Arthur vermutete, daß der heißblütige Ney sich im Angesicht einer so geringen Anzahl von Rotröcken dazu verleiten lassen würde, die Verfolgung über einen reißenden Fluß zu wagen. Auf der anderen Seite des Coa hatten die Geschütze des Chestnut Troop der Horse Artillery und Hauptmann Andy Mercer bereits Stellung bezogen. Sie waren für jeden Angreifer unsichtbar. Der Wald zur Linken und zur Rechten des Flußübergangs war durchsetzt von den Männern in den grünen Röcken des 95. Regiments. Zwei Stunden lang hielten 4000 Briten und Portugiesen und ihr waghalsiger Anführer gegen 38.000 Franzosen den Übergang über den Coa. Sie kämpften verbissen. Überrascht von so viel hartnäckigem Widerstand setzte Michel Ney dazu an, den Gegner in den Fluß zu treiben, um ihn zu ertränken und beging einen der übelsten Fehler seiner Karriere als Soldat.

      Blitzartig verschwanden die Soldaten der Leichten Division über die Brücke. Der französische Marschall hatte nicht damit gerechnet, daß bei den britischen und portugiesischen Soldaten Bob Craufurds nicht die geringste Panik herrschte. Sie hatten von Anfang an gewußt, wann sie den Schritt über den Coa tun mußten. Wütend schickte der Franzose eine Kolonnen-Formation gegen die Brücke. Im Kugelhagel der Scharfschützen am anderen Ufer fielen seine blauen Uniformen wie Blätter im Herbst. Er schickte die nächste Kolonne vor und wieder folgte dasselbe, blutige Schauspiel. Immer wieder stießen französische Formationen gegen die Briten und Portugiesen vor. Immer wieder fielen blaue Röcke im gnadenlosen Kreuzfeuer dreier todesmutiger Bataillone zu Boden. Oberst John Colborne, der beste Offizier der Leichten Division, ein Schüler Sir John Moores und Craufurds Protegé, gab den grünen Röcken im Wald immer wieder Zeichen zu feuern. An der linken Flanke stand Black Bob selbst, das Fernrohr ans Auge gepreßt. Die Franzosen mußten mehr als 500 Mann verloren haben. Ney schickte eine weitere Kolonne nach vorne. An ihren Uniformen konnte Craufurd erkennen, daß es sich um eine Gardeeinheit handelte: Laut brüllte er durch den Lärm des Kampfgetümmels: „Zurück, Colborne, alle zurück! Mercer feuern Sie und verschwinden Sie, so schnell Sie können!” Dann sprang er auf sein Pferd und stürmte davon nach Almeida, um Oberstleutnant Cox zu warnen. Kein Franzose hatte das andere Ufer des Coa lebend erreicht. Neys Männer waren umsonst gefallen.

      Wellington hatte weder die Mittel, um die französische Portugalarmee und Andre Massena an der Grenze zur Schlacht zu stellen, noch empfand er dies als militärisch sinnvoll. Die Aktion der Leichten Brigade hatte lediglich dazu gedient, seinem illustren französischen Gegner einen Vorgeschmack auf das zu geben, was ihn erwartete, wenn er weiter marschierte und um den Anschein einer Verteidigung von Almeida zu wahren. Craufurds Leichte Division sollte die Franzosen immer tiefer ins Landesinnere hineinziehen und auf die Straße über Viseu nach Bussaco geleiten, während Arthur selbst sein restliches Feldheer aus dem Dreieck zwischen Villa Cortez, Celorico und Guarda über eine gut befestigte und ganzjährig nutzbare Parallelstraße auf die Position von Bussaco brachte. Pictons Dritte Division würde Pinhel erst nach dem Fall von Almeida verlassen und diese Trasse hinter sich und dem Feldheer zerstören. Der Ire hoffte, die portugiesische Grenzfestung und Oberst Cox würden mindestens zwei, vielleicht sogar drei Monate den Franzosen standhalten. Doch genau wie vor Ciudad Rodrigo schienen die Franzosen auch vor Almeida nicht geneigt, sofort eine Belagerung zu beginnen. Mehr als ein Monat verging zwischen Craufurds heldenhaftem Kampf mit Marschall Ney am Coa und dem ersten Kanonenschuß, den ein französischer Belagerungsmörser auf die Grenzfestung abgab. Die portugiesischen Verteidiger, angeführt von Oberstleutnant Cox, einem irischen Katholiken im Dienste von John Beresford, antworteten wütend und feuerten aus allen Rohren auf die Franzosen. Die Belagerer hatten nicht mit einem solchen Kampfgeist gerechnet. Ney und Junot überlegten bereits, ob es nicht sinnvoller war, Almeida einfach zu umgehen. Doch dann geschah ein ungewöhnlicher Unfall, der den Verlauf des Sommerfeldzuges nicht unerheblich beeinflussen sollte: Obwohl die portugiesische Grenzfestung über Baracken und Kasematten verfügte, die so gut wie jedem Geschützfeuer, bis hin zum schwersten Mörser standhalten konnten, existierte doch kein befestigter, zentraler Pulverturm. Die ungewöhnlich robust gebaute Kathedrale, die selbst eher einer Festung als einem Gotteshaus glich, war aus diesem Grunde von Oberstleutnant Cox zweckentfremdet worden und beherbergte Tonnen von Schießpulver. Ihre Mauern hielten nach Berechnungen von Oberstleutnant Dickson selbst dem direkten Beschuß von großkalibrigen Belagerungsmörsern mit 24-Pfund-Ladungen stand. Als die Franzosen den Beschuß von Almeida wieder aufnahmen, wurde gerade Pulver aus der Kathedrale zu den Magazinen in der Nähe der Festungsartillerie beordert. Das Pulver und gefüllte Patronen transportierten Esel in geflochtenen Körben auf ihrem Rücken durch die Straßen der Stadt bis zu den Wällen. Einer dieser Körbe mußte wohl undicht gewesen sein und hinterließ auf seinem Weg vom Inneren der Kathedrale hinaus zur Befestigungsanlage eine lange Pulverspur. Ein französisches Geschoß, das unweit des Gotteshauses in der Stadtmitte aufschlug, steckte diese Lunte in Brand. Die Pulverspur führte zwar nicht direkt in die Kathedrale hinein, sondern nur bis zu deren Eingangsportal, aber dort wurden gerade neue Körbe auf Esel verladen. Einige der schon beladenen Körbe explodierten. Diese verhältnismäßig kleine Explosion am Portal verursachte dann, mit einer geringen Zeitverzögerung eine gigantische Katastrophe. Die gesamte Kathedrale von Almeida und mit ihr Hunderte von Tonnen Schießpulver flogen mit einem einzigen, gewaltigen Knall in die Luft. Nur ein Mann überlebte das Desaster, um Oberstleutnant Cox die Einzelheiten zu berichten. Alle Häuser in der Stadtmitte verloren ihre Dachstühle durch die ungewöhnliche Kraft der Explosion. Mehr als 500 portugiesische Soldaten kamen ums Leben. Doch wie durch ein Wunder überstanden die äußeren Befestigungsanlagen der Stadt die Explosion unbeschadet. Schnell begriff Oberstleutnant Cox, daß er ohne Munition die Festung nicht gegen Michel Ney würde verteidigen können. Trotzdem schlug er dem portugiesischen stellvertretende Gouverneur von Almeida, Bernardo Costa, und dem Kommandanten der Artillerie, Jose Bareios, vor, weiter zu kämpfen, um für Lord Wellington soviel Zeit wie möglich zu schinden und um für Almeida selbst die besten Kapitulationsbedingungen, die denkbar waren, auszuhandeln. Aber die Portugiesen waren von der Katastrophe in und um die Kathedrale so verstört, daß Costa und Bareios sich verständigten und Oberstleutnant Cox gefangen setzten, um ihn an einer Fortsetzung der Verteidigung der Festung zu hindern. Dann ergaben sie sich bedingungslos den Franzosen. Almeida fiel am 28. August 1810, um zwölf Uhr mittags, nur zwei Tage nach dem Beginn der Belagerung durch die Adler. Wellington, der auf dem Marcaldo Chao, unweit der Festung stand, um die Franzosen zu beobachten, hatte den lauten Knall ebenfalls gehört und dann durch sein Fernglas nur noch eine dicke Wolke aus Rauch sehen können, für die er keine Erklärung fand. Er versuchte durch den militärischen Telegrafen, ein System aus Holztürmen mit Wimpeln, die in bestimmter Folge gehoben und gesenkt wurden, mehr als zwei Stunden lang Cox zu kontaktieren, doch der Rauch versperrte so die Sicht, daß die Verteidiger von Almeida nicht erkennen konnten, was auf dem Marcaldo Chao angezeigt wurde. Don Antonio, der unweit des Oberkommandierenden auf seinem Pferd saß hörte noch, wie der Ire: „Verdammt!” durch die Zähne zischte. Dann sah er ihn in einem gefährlich schnellen Tempo den Hang hinunter auf die Stellungen der Leichten Division zu galoppieren.

      Eine halbe Stunde später bremste der Ire Kopenhagen scharf neben Oberst Colborne: „Wo ist Craufurd? Was ist in der Festung geschehen?” Der junge Offizier legte dem General traurig die Hand auf die Schulter: „Sie ist in die Luft geflogen! Die Kathedrale ist explodiert und Cox hat die weiße Fahne hissen lassen. Almeida ist gefallen, Sir!”

      „Wo ist Craufurd?” Wellington hatte plötzlich ein ungutes Gefühl im Magen. An der Stelle, an der er den Kommandeur seiner Leichten Division geglaubt hatte, stand nur dessen engster Vertrauter. Colborne deutete auf Almeida: „Er ist da drinnen! Er wollte unbedingt selbst herausfinden, ob es ein Unfall oder Verrat war. Es gibt im Wald einen Tunnel der unter den Befestigungsanlagen hindurch in die Stadt hinein führt ...”

      „Ich weiß! Ziehen Sie die gesamte Division ab, so schnell Sie können, Colborne! Verschwinden Sie nach Pinhel zu Picton und warten Sie auf neue Befehle! Vermeiden Sie jeden Kontakt mit den Franzosen!” Wellington riß seinen Hengst herum und verschwand im Wald. Er hörte Colborne noch durch die Finger pfeifen. Überall um ihn herum setzten grüne Uniformen sich in Bewegung. Die Leichte Divison war von Craufurd so gedrillt worden, daß sie in exakt sieben Minuten marschbereit