Peter Urban

Der Herr des Krieges Gesamtausgabe


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viele Freunde und Bewunderer zu haben: Er war Ire, ein Protegé des Herzogs von Richmond, des Erzfeindes von Prinny, und es ging das Gerücht um, daß Sir Arthur außerdem für Richmonds älteste Tochter mehr übrig hatte, als schicklich war, um bei den Horse Guards auf einfachem Wege nach Oben zu kommen. Außerdem war Picton erzählt worden, daß sein Gegenüber kein Feigling war, der sich hinter dem Rücken seiner Soldaten versteckte und seine Schlachten vom Stabsquartier aus schlug: „Wem können wir trauen, Wellington?” Arthur war zu dem Waliser hingetreten und hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt: „‚Wir’ ist ein guter Anfang, Sir Thomas! Sie haben begriffen, wie dieses Hauptquartier funktioniert! Außer den in diesem Raum Anwesenden können wir auf Maitland, Craufurd, Sherbrooke, de Lancey, von Bock und John Beresford zählen. Admiral Cotton steht auf unserer Seite, ebenso Edward Paget, Ned Pakenham und Tom Graham. Lowry Cole ist ein Freund, auch wenn er oft schusselig ist. Henry Paget verweigern mir die Horse Guards konsequent. Vermutlich haben sie Angst davor, zwei Verrückte auf demselben Kriegsschauplatz zu haben! Außerdem noch Freddy Ponsonby, doch der will um nichts in der Welt zum General befördert werden! Wenn Stapelton Cotton Unsinn macht, befehligt Ponsonby de facto die britische Kavallerie, obwohl er nur Oberst ist. Dann der gesamte Nachrichtendienst ... unsere Ärzte, aber die stehen nicht auf den Schlachtfeldern und schlagen sich mit den Franzosen herum und natürlich ein großer Anteil der jungen Obristen ... doch die empfangen noch Befehle und geben sie nicht! Suchen Sie sich zwei oder drei Adjutanten, denen Sie völlig vertrauen können. Wenn Sie, wegen Ihrer langen Abwesenheit aus England solche jungen Offiziere nicht haben, gebe ich Ihnen welche von meinen Jungs ... Vermeiden Sie, den Leichen aus den Horse Guards, die wir hier haben mehr zu erzählen als unbedingt nötig! Und wenn je irgend etwas wirklich schiefgehen sollte, Sir Thomas, schieben Sie sofort alle Schuld auf mich! Haben Sie verstanden?”

      Picton streckte Arthur die Hand hin: „Ich bin Ihr Mann, Wellington! Wir werden den Franzosen zusammen einheizen! Wobei ich mich eigentlich nie hinter irgend jemandem aus Angst vor der Verantwortung verstecke ...”

      „Es geht auch nicht um irgendeinen banalen, militärischen Ausrutscher, mein Freund! Ich hoffe, Sie haben verstanden, daß wir mit teuflisch hohem Einsatz spielen und Vabanque! Wenn die Franzosen uns schlagen und wir das Feldheer von der Iberischen Halbinsel abziehen müssen, dann bedeutet dies das Ende der gesamten britischen Interventionspolitik auf dem europäischen Kontinent. Es wird in diesem Falle in London Schuldzuweisungen geben und harte Sanktionen gegen die Schuldigen! Erinnern Sie sich an Byng und Majorca?“

      „Den haben sie deswegen doch kurzerhand erschossen! Eine üble Geschichte!” Langsam begriff Picton und sein Gesichtsausdruck wurde sorgenvoll. Der Ire stand hier auf einem Kriegsschauplatz, der für die Zukunft Europas ausschlaggebend war. Wenn die Franzosen siegten, dann gab es nur noch das Kontinentalsystem in Englands Vorgarten und irgendwo, weit im Norden einen russischen Bären, der zwar von Zeit zu Zeit brüllte, aber Napoleons Genie eindeutig militärisch unterlegen war. Eine Niederlage in Spanien und der Verlust Portugals wären das Ende Englands als europäische Großmacht. Wenn es aber gelang, 420.000 Franzosen und sieben Marschälle dauerhaft auf der Iberischen Halbinsel zu binden, sie auszubluten und langsam aber stetig von Süden her auf Frankreich zu marschieren und den Krieg in Napoleons Heimat hineinzutragen, dann würde der Kaiser über kurz oder lang fallen und dem Land, das so entscheidend zu seinem Niedergang beigetragen hatte den Löwenanteil bei der Neuverteilung des Kontinents zukommen lassen. Es würde im Konzert der Großmächte über Jahrzehnte hin die erste Geige spielen und allen anderen seinen Willen aufzwingen: Handelskonzessionen, politische Konzessionen, Reparationen etc. „Wenn wir hier auf der Iberischen Halbinsel versagen, dann wird ganz England nach Blut schreien und Köpfe werden rollen!”

      „Nur ein einziger Kopf wird rollen, Sir Thomas! Niemand, der hier unter mir dient und der meine Befehle befolgt, hat irgendwelche Konsequenzen zu befürchten, wenn wir scheitern sollten! So lautet meine Abmachung mit Whitehall und dem Kriegsministerium.”

      Bereits seit Ende April trieb Marschall Michel Ney sich mit dem 3. Französischen Armeekorps in der Gegend von Ciudad Rodrigo herum und plünderte alles, was ihm in die Hände fiel. Jack Robertson, der sich auf dem Rückweg von Salamanca bei seinen Brüdern im Benediktinerkloster auf dem Gipfel der Sierra de la Pena de Francia vor den Häschern König Josephs versteckt hielt, denen sein letzter waghalsiger Besuch in Andre Massenas Hauptquartier nicht ganz verborgen geblieben war, erfuhr, daß der rothaarige Sohn eines Kupferschmiedes aus Saarlouis und der ‚tapferste der tapferen’ Gefolgsleute Napoleon Bonapartes insbesondere daran interessiert war, Kunstschätze aus Kirchen und Klöstern in Kastilien und Leon zu rauben, wohl um damit die Zimmer seines Schlosses in Frankreich zu dekorieren. Der Kunstsinn des Herzogs von Elchingen half dem spanischen General Herresi und seinen 5500 Soldaten in der Festung und in der Stadt von Ciudad Rodrigo, sich auf die zu erwartende Belagerung durch die Adler vorzubereiten. Lord Wellington hatte seinem Kollegen zwar mitteilen müssen, daß er ihm militärisch nicht zur Hilfe eilen konnte – sein Feldheer war zahlenmäßig zu schwach, um sich in einer Ebene mit den vereinten Kräften eines Ney und Junot zu schlagen – doch er ließ ihm nachrichtendienstliche Informationen von großer Bedeutung zukommen und seine Spione gingen in der Stadt und im spanischen Hauptquartier ein und aus. Zehn Tage lang hatte er sogar Oberstleutnant Dickson, der Belagerungsexperte der Briten an Herresi ausgeliehen, um den Spaniern zu helfen, sich nach allen Regeln der Kunst zu verschanzen und die Mauern so zu verstärken, daß Ciudad Rodrigo für den roten Michel kein leicht zu nehmendes Opfer werden würde.

      Anfang Juni endlich begann der Marschall seine Belagerung der Stadt. General Herresi und seine Männer waren wild entschlossen, sich bis zum letzten Blutstropfen zur Wehr zu setzen und damit für die Briten und Portugiesen hinter der Grenze Zeit zu schinden. Bob Craufurds Leichte Division stieß immer wieder über den Agueda nach Spanien hinein vor und focht Scharmützel mit französischen Vorposten oder Fouragier-Truppen. Tom Picton stand mit der 3. Division bei Pinhel und deckte den Rückzugsweg von Craufurd. Da Lord Wellington wußte, daß Massena, nach dem Fall von Ciudad Rodrigo seine Aufmerksamkeit sofort auf die portugiesische Grenzfestung von Almeida richten würde, rüstete er die Garnison auf: Der Gouverneur, Oberstleutnant William Cox, erhielt mehr als eine halbe Million Brotrationen für die Soldaten und die zivile Bevölkerung, die sich nicht überreden lassen wollte, in die Berge zu gehen. Und ein unablässiger Zug von Ochsenkarren brachte Munition in die Festung: Tausende Tonnen Schießpulver, Kanonenkugeln jeden Kalibers, Artillerie, die Lord Wellington an Festungen, die zum Atlantik hin standen, hatte abmontieren lassen. Almeida war so konsequent aufgerüstet worden, daß die Franzosen mindestens zwei Monate Zeit verlieren würden, um die Festung zu Fall zu bringen. Und dann würde der Weg durch die Berge nach Bussaco für Andre Massena, Michel Ney und Arthurs alten Feind Junot zu einer Schlammschlacht werden. Der Ire rechnete: „Einen Monat mindestens für Ciudad Rodrigo, und zwei für Almeida! Wenn die Adler in Portugal einfallen, haben wir Mitte September und der große Regen wird einsetzen. Ihre Soldaten, Pferde und Geschütze werden im Morast versinken, während die meinen über eine feine Straße nach Bussaco rollen können!”

      Unterdessen bedrängten die Franzosen Bob Craufurds störende Leichte Division an ihrem gigantischen Frontabschnitt immer härter. Doch der Schotte biß die Zähne zusammen. Die Connaught Rangers, das 48. Regiment, das 52. Regiment und die berüchtigten Scharfschützen des 95. Regiments wollten nicht nachgeben. Immer tiefer stießen die Husaren der Königlich Deutschen Legion nach Leon vor, um die Adler überraschend an irgendeiner Flanke kurz anzugreifen, zu verunsichern und dann wieder im Nichts zu verschwinden. Wellington schickte noch zwei Regimenter leichter Dragoner an den Agueda, um Black Bobs Husaren zu verstärken. Als dann ein irischer Seminarist aus Ciudad Rodrigo, der bei Nacht den Agueda durchschwommen hatte am 9. Juli zu Tode erschöpft bei Craufurd auftauchte, um zu melden, daß General Herresi die Stadt am nächsten Morgen Michel Ney ausliefern würde, um das Leben der Zivilbevölkerung zu retten, wich die gesamte Leichte Division innerhalb weniger Stunden von der Grenze zurück. Ihre neue Position verlief zwischen der Festung von Almeida zur Linken und dem Fluß Coa zur Rechten. Der Augenblick der größten Mutprobe für Black Bob und seine Männer war gekommen: Der Coa in seinem Rücken führte Hochwasser und konnte nicht durchquert werden. Nur eine lange, schmale Brücke bot einen Ausweg für die 4000 Soldaten und die 800 Reiter der