Peter J. Gnad

Querverkehrt


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man möglichst nicht allein und unbeaufsichtigt lassen.

      Ja, er könnte es in seinem ehemaligen Kellerabteil unterbringen, dort wo er noch vor einem Jahr gewohnt hatte, wo er auch noch einige Dinge untergestellt hatte, bei seiner ehemaligen Freundin, das war die Lösung.

      Er schlief schlecht, trotz einiger weiterer Schlucke aus der Bourbon-Flasche, war schon um acht Uhr, nach zwei Stunden in der Horizontale bereits wieder auf den Beinen, suchte seinen alten Hausschlüssel heraus, machte sich unverzüglich auf den Weg. Den Koffer unverfänglich in der Hand, wie ein stinknormaler Versicherungsvertreter in der U-Bahn - in die aktuelle Zeitung vertieft. Rudolf suchte etwas ganz Bestimmtes, aber es war natürlich nicht möglich, dass da schon etwas über die Sache letzte Nacht zu finden gewesen wäre. Drei Stationen weiter stieg er aus, ging geradewegs auf das bewusste Haustor zu, sperrte, als ob es gestern gewesen wäre, wie in Gewohnheit, auf und ging schnurstracks in den Keller.

      Als der Koffer dann unter einigen alten Kleidern in seinem alten Schrank im Kellerabteil gut verstaut war, Rudolf wieder auf der Straße stand, atmete er erst einmal tief durch. Er hatte keine Ahnung, was er nun mit dieser ganzen Situation anfangen sollte. Man musste auf jeden Fall erst einmal abwarten, was da auf ihn zukam. Die morgige Zeitung konnte da möglicherweise Klärung bringen.

      Wieder zu Hause beschloss er sich an diesem Tag eine Ruhepause zu gönnen, seine Wohnung nicht mehr zu verlassen, sich erst einmal vom Schock der vergangenen Nacht zu beruhigen. Geld hatte er ja nun genug, er lachte auf. Zu essen und zu trinken hatte er auch genug, Zigaretten auch, einige Video-Filme lagen ebenfalls herum, das reichte aus. Er goss sich ein halbes Wasserglas voll mit dem Whisky, der da neben seinem Bett stand, legte sich hin, machte den Fernseher an und war kurz darauf eingeschlafen.

       III

      Es waren äußerst wirre Träume, er erinnerte sich auch beim Aufwachen nur mehr an den tiefen Fall, als ihn die Türglocke aus dem Schlaf riss. Seine Stirn war schweißbedeckt, als er vorsichtig durch den Türspion spähte, aber da war nur Anna, die mit einer Banane im Mund vor seiner Tür stand und zusätzlich noch gar lieblich zu lächeln versuchte.

      "Frau Nachbarin, was für eine Überraschung. Wenn ich den Hinweis richtig verstehe, haben Sie die feste Absicht, ein Frühstück zu sich zu nehmen… Habe ich recht, oder habe ich recht?"

      "Herr Nachbar, ich brauche dringend Ihre technische Hilfe. Ich habe da ein kleines Problem... ich habe alle Zutaten gekauft, aber – es tut mir nicht leid - ich kann das nicht ganz allein machen..."

      "Und da soll ich es für Sie machen. Da habe ich also doch recht gehabt, ja?"

      "Jaaa, machen Sie das, bitte, bitte, ich will auch ganz brav und folgsam sein, von nun an!"

      Sie holte eine kleine Papiertüte aus ihrer Handtasche, begann auszupacken. Und ganz unschuldig lag dann da eine Packung mit Einmal-Rasierern, Rasierwasser und eine Sprühflasche Schlagsahne auf dem Tisch. Rudolf starrte eine Sekunde lang in Verständnislosigkeit darauf, bis ihm in sichtbarer Form ein Licht aufging. Anna lächelte das verschmitzteste Lächeln, das sie aus den untiefen ihrer Lust hervorzauberte.

      "Ah, Madame suchen den Barbier in mir. Es geht um Damenbart zweifellos. Und Madame wissen, dass Rudolphe ein ganz herausragender Barbier ist, nicht wahr ? Schneiden, färben, ondulieren, legen, frisieren, bürsten usw.?"

      "Rudolphe kann das ganz bestimmt ganz gut, wie Rudolphe überhaupt alles sehr, sehr gut macht, und sehr eifrig und begierig ist, was er noch nicht kann, auch gut zu lernen... Hast Du das schon mal gemacht, mein Rudolphe ?"

      "Nein, um ganz ehrlich zu sein, eigentlich nicht. Aber da ich meine Kehle rasieren kann, denke ich, dass ich es schaffe auch alles andere, wo auch immer, rasieren zu können... Zu mir sind schon immer alle zum Rasieren gekommen... Also, dann frisch ans Werk. Wozu hast Du eigentlich diese... Sprüh-Sahne ?"

      "Ach weißt Du, ich habe mir gedacht es ist für Dich sicher angenehmer, süße Sahne, als Rasierschaum im Mund zu haben, oder...?"

      Seelenruhig begann sie sich zu entkleiden. Rudolf dachte, dass sie irgendwann einhalten würde, aber weit gefehlt. Splitternackt setzte sie sich auf seinen Tisch, lehnte sich zurück und bedeutete ihm näher zu kommen, worum er sich auch nicht lange bitten ließ. Mit fahrigen Händen öffnete er das Päckchen mit den Einmalrasierern, holte einen heraus, fuhr mit der Klinge prüfend über seinen Handrücken. Anna zog ihn zu sich heran, küsste ihn verlangend.

      "Du, äh, ich meine, Du solltest eigentlich nicht an einer 'Ejaculatio praecox' interessiert sein. Wir, der Rasierer und ich, wir sind bereits messerscharf, mach Dich also fertig für die Rasur!"

      Sie lehnte sich auf ihre Ellenbogen zurück, lächelte genüsslich, nahm das Glas Wein, dass ihr Rudolf reichte, trank einen kleinen Schluck, zog ihre Beine an, auf den Tisch und machte mit ihrer Hand eine Geste, um ihn endlich beginnen zu lassen. Rudolf leckte sich übertrieben die Lippen, nahm die Sahnedose, sprühte eine kleine Menge in seine Handfläche und kostete. Zufrieden nickend, widmete er sich der sprichwörtlich ausgebreitet vor ihm liegenden Aufgabe. Am Ende hatten sie beide sahneverschmierte Gesichter und Körper. Ermattet lagen sie da, klebrig von oben bis unten.

      Rudolf schaltete den Fernsehapparat an, suchte nach den lokalen Nachrichten im Kabelkanal, aber es war noch immer zu früh.

      Eine halbe Stunde später war die Sahnedose endgültig leer, dafür aber gab es in den Nachrichten endlich den ersten Hinweis auf die Geschichte von letzter Nacht. Der Sprecher verkündete in lakonischem Ton, dass es in der vergangenen Nacht, im Süden der Stadt, vor einem italienischen Lokal zu einer Schießerei gekommen sei. Ein dreißigjähriger Tourist, namens Luigi B., sei erschossen worden, zwei Verletzte, einer der beiden Kellner im Lokal, der zweite Mann sei flüchtig, es handle sich ebenfalls um einen Italiener, aber unbekannter Identität und Herkunft, Hinweise nähme jede Polizeidienststelle entgegen. Die ermittelnde Polizeiabteilung meinte, es handle sich bei dem Vorfall um eine Art mafia-interne Auseinandersetzung, um einen kleinen Bandenkrieg, Chicago in der Vorstadt.

      Anna fragte sofort, ob er denn von dieser Sache etwas bemerkt hätte, aber Rudolf winkte nur ab. Solcherlei Dinge passierten halt nun mal in einer großen Stadt, nein, er habe nichts davon mitbekommen, um diese Uhrzeit sei er auch schon zu Hause gewesen, er habe im Frust seine Schicht gestern schon relativ früh abgebrochen.

      Nachdem er den Fernseher abgeschaltet hatte, konzentrierte man sich dann auch wieder auf Wichtigeres, auf vordringlichere Dinge.

      Kurz vor elf Uhr erwachte Rudolf, fand sich allein im Bett, suchte nochmals kurz nach irgendwelchen neuen Nachrichten, aber nun war es schon zu spät, es kam nur mehr Internationales zur Sprache. Rudolf gähnte, die Ereignisse hatten doch an seinem Nervenkostüm gezerrt. Es gehörte nicht viel Anstrengung dazu, sich nochmals umzudrehen und wieder durch das Tor zum Traumland zu fliegen.

      Er erwachte ganz früh am Morgen, in einer Art Anfall von leichter Paranoia, stellte sofort den Fernseher an, schaltete sich durch alle Stationen, drehte auch das Lokal-Radio an, wartete auf Neues in seiner Angelegenheit. Aber noch immer gab es nur dieselbe allgemeine Nachricht, ohne weitere Details.

      Erst um neun Uhr kam dann im Radio, dass der eine Verletzte außer Lebensgefahr sei, vom Zweiten noch immer keine Spur, und... dass man im Zusammenhang mit der Aufklärung der Vorgänge, nun auch nach einem Taxifahrer suchte, der zumindest als Zeuge, einiges zu sagen haben könnte.

      Rudolf sah auch in den Zeitungen nach, aber die Meldungen waren allesamt ziemlich gleichlautend und für ihn in diesem Stadium nicht weiter von Interesse.

      In den Abendnachrichten kam dann die Meldung, dass man nun auch noch einen weiteren Toten gefunden habe, der Mann sei in einem Wäldchen, in einem Gebüsch versteckt gelegen. Man zeigte man dann auch ein Foto des Tatortes und auch ein Foto des ersten Toten. Wieder hieß es, es habe sich um eine Auseinandersetzung zweier rivalisierender Mafiagruppen gehandelt. Das Polizeipräsidium ersuche den Taxifahrer, der die beiden Fahrgäste an den Ort des Geschehens gebracht hatte, dringend, sich bei ihnen zu melden. Man erhoffe sich umfassende Aufklärung über den Tathergang.

      Rudolf kicherte in sich hinein, schüttelte seinen Kopf. Als