Peter J. Gnad

Querverkehrt


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viel brauchst Du denn?"

      "Naja, noch so runde zweihundert. Und das heißt beim momentanen Geschäftsgang, noch etwa zwei Nächte hier auf diesem Bock."

      Sie lächelte, schwieg eine Sekunde, griff nach ihrer Handtasche, kramte kurz darin, zog zwei Hunderter hervor.

      "Hier, ein, ein Geschenk von mir, dafür fährst Du mich aber noch nach Hause."

      "Nein, nein das kommt gar nicht in Frage, das kann ich nicht annehmen. Und nach Hause hätte ich Dich auch ohne Geld gefahren. Ich rette doch nicht die Prinzessin aus den Klauen des Drachens, um sie dann irgendwo in der Prärie einfach stehen zu lassen... Ich, ein direkter Nachkomme von Robin Hood. Großherzig, edel, ehrlich, offen, frank und frei, "Held" aller Unterdrückten!"

      Er startete den Wagen, fuhr los, brauste mit hohem Tempo durch die Stadt in Richtung Osten, hin zu den neu erbauten Betonburgen, die da in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft worden waren.

      Vor dem Haus, in dem sie wohnte, stieg sie aus, beugte sich nochmals ins Wageninnere und küsste ihn zart auf den Mund.

      "Weißt Du was, dann nimm es einfach als ein vorausbezahltes Honorar, für eine noch zu erbringende Leistung. Dafür musst Du aber ganz sicher übermorgen kommen. So um vier Uhr höre ich auf. Warte mit Deinem Auto am besten gleich vor der Tür, o.k.?"

      Bevor er noch antworten konnte, war sie schon verschwunden. Die zwei Scheine lagen unschuldig auf dem Rücksitz, lachten ihn an.

      Was konnte er tun. Schnell griff er nach den Scheinen, brachte sie in seiner Geldtasche in Sicherheit.

      Damit war wenigstens der Druck von ihm gewichen. Die Miete gesichert, das war zumindest etwas. Nun fuhr es sich gleich viel leichter durch die Nacht. Und wie es er Zufall so wollte, sprang wenig später ein Mann auf die Fahrbahn, hielt ihn an. Eine Fahrt ins Umland, ein etwas betrunkener Handwerker, mit Werkzeugkoffer. Er schlief, bis Rudolf sein Taxi vor dem Ziel anhielt. Der Mann bezahlte wortlos, stieg wortlos aus, winkte nochmals freundlich und verschwand im Haus.

      Rudolf gondelte die Strecke zurück in die Stadt, es war fünf Uhr morgens, die Straßen waren leer, er trank genüsslich eine Dose Bier, die er sich an einer Tankstelle noch besorgt hatte. Die kühle Luft wehte durch alle Fenster herein, das Radio spielte einen seiner Lieblings-Songs, der Horizont färbte sich blutrot. Bald ging die Sonne auf, Zeit das Weite zu suchen. Mit diesen Tag-Menschen wollte er partout nicht konfrontiert werden.

      II

      Er hatte auch überhaupt kein schlechtes Gewissen, als er am späten Nachmittag dann endlich zum Postamt ging und die Miete einbezahlte. Obwohl es grundsätzlich schon Schmerzen verursachte. So viel Geld, nur dafür, dass man ein Dach über dem Kopf hatte, Monat für Monat hinlegen zu müssen. Dabei besaß die "Gurke", wie er die Hausbesitzerin insgeheim nannte, außer diesem, noch weitere vierzehn, ja ganz richtig, vierzehn Häuser in dieser Stadt. Natürlich nicht auf ihrem Mist gewachsen, geerbt vom Papa, wohlgemerkt. Naja, diese Welt war und blieb ungerecht von vorne bis hinten, oben bis unten und querverkehrt.

      Heute fiel es ihm gerade ein bisschen leichter, sich mit dieser unabänderlichen Tatsache abzufinden. Er musste zwar dieses beschissene Spiel mitspielen, versuchte aber seine innerliche Beteiligung so gering wie möglich zu halten. Und wenn erst einmal sein Roman fertig, die Höhen des literarischen Olymps erklommen waren, dann konnten sie ihn ohnedies alle kreuzweise, voll und ganz, von links nach rechts, oben bis unten und querverkehrt, mit wärmsten Empfehlungen des Eigentümers, in bester Wallenstein'scher Art, am Arsche lecken!

      Irgendeine Insel würde sich da schon finden lassen. Schreiben konnte man schließlich überall.

      Wieder zu Hause, setzte er sich sofort an den kleinen Computer, den er sich anstatt der alten Schreibmaschine geleistet hatte, begann wie wild auf die Tasten einzuhacken. Er musste einfach weiterkommen mit diesem, seinem Roman.

      Er blies gerade eine lang gezogene Variation zu einem bekannten Thema auf seinem Saxophon, als es unvermittelt an der Tür läutete. Ärgerlich brach er den sägenden Ton ab, der da gerade so schön aus dem Rohr zu rinnen schien, ging zur Tür. Was die schon wieder wollten, er hatte doch ohnedies seinen Schalldämpfer eingesetzt.

      Sollte da nur niemand kommen und sagen, dass er wieder einmal zu laut war. Diese Banausen, konnten wahre Kunst nicht von Lärm unterscheiden. Er musste doch üben, durfte sich nicht hängen lassen. Obwohl er genug Grund hätte, sich durchhängen zu lassen, nach diesem beschämenden Rausschmiss aus dem Orchester. Ohne erkennbare Perspektive für die nächste Zeit. Eine Mafia war dieser Kunstbetrieb, eine hemmungslose blutsaugende Mafia, ignorant, blind und taub, verantwortungslos und durch und durch ignorant, einzig dem schönen Schein verfallen, dem Attribut, der Geste, dem Schauspiel, nicht aber dem tieferen Geheimnis auf der Spur - diese Ketzer...

      Aber als er die Tür öffnete, stand da eine ihm völlig unbekannte Person unübersehbaren weiblichen Geschlechts. Ob er der bekannte Saxophonist Franz Wolff sei und ob sie kurz eintreten dürfe, so lautete ihre etwas nervös gestellte Frage. Ohne wirklich auf eine Antwort seinerseits zu warten, drängte sie sich an ihm vorbei in seine Wohnung.

      "Machen sie mir die Freude, spielen sie einfach weiter. Ich habe Sie noch nie gehört, aber man hat Sie mir wärmstens empfohlen... lassen Sie sich durch meine Anwesenheit nur nicht stören."

      Franz fühlte sich geschmeichelt, die Frau war auch dazu angetan seine Aufmerksamkeit zu erregen und nicht nur die. Ein Klasseweib, elegant gekleidet, von Kopf bis Fuß, dunkle rauchige Stimme, mit respektablen Dimensionen, mit katzenhaften Bewegungen, nicht gerade schön, aber doch sehr attraktiv. Eine geheimnisvolle Aura schien Sie zu umgeben, Franz hätte noch nicht formulieren können, was ihn sofort zu ihr hinzog, gewissermaßen faszinierte. Er konnte kaum seine Augen von ihr wenden, auch nicht, als er sein "Rohr" wieder an die Lippen setzte und einige transzendente Kaskaden herausperlen ließ.

      Sie sah ihm fest in die Augen, ohne jemals ihren Blick abzuwenden, schien ihn geradezu hypnotisieren zu wollen. Er schloss die Augen setzte gerade zu einem neuen Lauf an, als es an seiner Tür läutete. Ihr Gesicht nahm mit einem Mal einen gehetzten Ausdruck an, ihr Lächeln war leicht gezwungen, erreichte ihre Augen nicht, als sie aufstand, ganz nahe an ihn herantrat und ihm in Ohr flüsterte.

      "Hören Sie, machen Sie ganz normal auf... Nur um Himmels willen, verraten Sie nicht, dass ich hier bin. Da ist einer hinter mir her, der verfolgt mich schon den ganzen Tag. Ich verstecke mich in Ihrem Schrank!"

      Franz ging, das Instrument umgehängt zur Tür, blies unterwegs noch ein paar sporadische Töne, öffnete die Tür schwungvoll und sah unverwandt in die Augen eines dunkelhaarigen, etwa dreißigjährigen Mannes, der ihn ebenfalls scharf und abschätzend anblickte.

      "Guten Tag, ich habe gehört, dass diese Wohnung mit Monatsende frei wird, darf ich sie mir mal kurz ansehen?"

      Der Mann wartete ebenfalls erst gar nicht auf seine Antwort, drängte sich an ihm vorbei, ging einige Schritte weiter, sah sich mit ein paar schnellen Blicken um. Aber dann war Franz schon bei ihm und hielt ihn auf.

      "Hier zieht niemand aus, wer erzählt denn solchen Blödsinn. Außerdem bin ich gerade beim Arbeiten. Würden Sie also die Güte haben und die Tür wieder von außen zumachen, hier ist für Sie nichts zu holen. Außer, Sie suchen einen Saxophonisten!"

      Er bedeutete dem Mann unmissverständlich, sich wieder zu entfernen, was dieser, nach einem prüfenden Blick in die Runde, dann auch tat.

      Als sich die Tür hinter ihm schloss und er die sich entfernenden Schritte auf der Treppe hörte, ging er zielstrebig zu seinem Schrank, ließ die am Boden zusammengekauert sitzende Frau wieder heraus. Sie strich ihre Kleider zurecht und flüsterte ihm neuerlich ins Ohr, er solle doch noch ein wenig weiterspielen, nur um den Mann, falls er noch vor der Tür stand, zu überzeugen. Franz sah Sie etwas misstrauisch an, aber ihr wiedergewonnenes bezauberndes Lächeln ließ ihn das Mundstück wieder an seine Lippen setzen.

      Ihre Augen lächelten das schönstes Lächeln, das sie hatte,