Peter J. Gnad

Querverkehrt


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überraschenderweise, er hatte die Person gar nicht kommen sehen, öffnete sich rechts hinten die Tür, eine Frau, soviel konnte er gerade erkennen, sprang förmlich in das Wageninnere. Ihre Stimme klang etwas nervös und gehetzt, man konnte die Angst darin mitschwingen hören, sie zitterte, war einer Panik nahe.

      "Ich möchte Sie bitten sofort loszufahren, fahren Sie einfach los, ich muss weg hier, bitte...! Ich sage Ihnen dann schon Weiteres... bitte machen Sie."

      Sie bemühte sich offensichtlich verzweifelt keine Panik aufkommen zu lassen, gefasst zu bleiben, schaffte dies aber nur sehr mühsam, kniff ihre Lippen zusammen. Rudolf drehte sich kurz um, sah in ihre flackernden Augen, während seine Hand schon den Zündschlüssel drehte, sein Fuß bereits den Gashebel durchtrat, der Wagen mit einem quietschenden Laut vorwärts schoss. Als er an der Ampel stehen bleiben musste, kam wieder die dunkle Stimme von hinten.

      "Wenden Sie sich nicht um, sehen Sie nur in Ihren Rückspiegel. Ist da ein dunkelblauer BMW hinter Ihnen?"

      Er tat, was sie sagte, konnte den beschriebenen Wagen aber nicht sehen. Dann jedoch, gerade als die Ampel wieder auf Grün schaltete, war da tatsächlich der BMW, kam schnell aus einer Seitenstraße herausgeprescht und war schon hinter ihm. Er stieß einen Überraschungslaut aus, konnte gerade noch "Los runter, da ist er!" sagen und gab auch schon Gas, fuhr davon, der dunkelblaue Wagen knapp hinter ihm. Zügig aber nicht zu schnell bog Rudolf nun ganz gezielt einige Male unvermittelt ab, der BMW blieb hartnäckig hinter ihm, die Frau lag mehr als sie saß auf seinem Rücksitz, duckte sich ganz nach unten. Es bedurfte eines besonderen Tricks, um diesen Verfolger loszuwerden. Von der Leistung her war das Fahrzeug hinter ihm eindeutig stärker, da konnte er mit seinem nicht gerade neuen Diesel nicht mithalten.

      Die Idee kam ganz plötzlich. Er wollte, ganz normal, als wäre er frei, den nächsten Stand anfahren, sich ganz gemächlich in der Reihe anstellen. Der Typ hinter ihm fuhr auch ganz brav und folgsam hinter ihm her, musste also auch anhalten. Vielleicht konnte er ihn bluffen?

      Er tat, was er sich ausgedacht hatte, sagte zu der Frau, dass sie Vertrauen haben solle, fuhr zum Taxistand, rollte langsam an das vor ihm stehende Auto heran, blieb ordnungsgemäß stehen. Sein Verfolger blieb ebenfalls, einige Meter hinter ihm stehen, stieg aus und kam mit wiegenden Schritten, wahrscheinlich trug der Mann Stiefel und hatte zu viele Western gesehen, zu ihm nach vor. Als er fast bei seiner Tür war, startete Rudolf unvermittelt, fuhr mit Vollgas aus der Parklücke. Der Mann hatte noch versuchen wollen eine der Türen zu öffnen, aber dank der Zentralverriegelung blieb es nur bei dem Versuch. Er machte sogar noch einige Schritte, als wolle er nun die Verfolgung zu Fuß aufnehmen, machte dann aber schnell kehrt, lief zu seinem Wagen zurück und stieg ebenfalls ein.

      Soviel konnte Rudolf gerade noch im Rückspiegel sehen, dann war er schon um die Ecke, in eine kurze enge Seitenstraße eingebogen, stieg nochmals kurz auf das Gaspedal. Etwa fünfzig Meter weiter bog er dann, schon mit abgeschalteten Lichtern, schnell in eine Toreinfahrt, fuhr gleich hinter das Haus, sodass er von der Straße aus nicht mehr gesehen werden konnte, stellte auch den Motor ab.

      Er hörte den BMW kommen, an der Einfahrt vorbeibrausen und danach um die nächste Ecke verschwinden. Sofort schob Rudolf aus der Einfahrt, fuhr die kleine Einbahnstraße rückwärts wieder heraus, um die Ecke, legte den Vorwärtsgang ein, bog etwa hundert Meter weiter in die nächste Straße ab, diesmal aber in die andere Richtung.

      Vom BMW war nichts mehr zu sehen, sie fuhren gemächlich davon. Erst einige Kilometer weiter, auf dem Parkplatz vor einer der großen Diskotheken, hielt er inmitten des Pulks von abgestellten Fahrzeugen an, löschte die Lichter, ließ den Motor verstummen, drehte sich um. Er hatte die Frau, die da noch immer geduckt auf den Sitzen lag, noch nicht einmal richtig in Augenschein genommen.

      Sie war blond, schlank, mit großen aufgerissenen Augen und ihr nicht unerheblicher Busen hob und senkte sich rhythmisch mit jedem nervösen Atemzug. Erst beim zweiten Blick sah er, dass ihr linkes Auge blau und leicht geschwollen war, am Kinn ein kleiner Riss, an dem einige schon eingetrocknete Blutstropfen klebten. Ihre Kleidung und auch das etwas zu dick aufgetragene Make-up ließen ihn erkennen, was sie war, ein typisches Exemplar von Dame aus dem "Gewerbe". Sie schniefte, blies in ihr Taschentuch, zog einen Spiegel hervor, prüfte ihr Gesicht, wischte leicht stöhnend das Blut von ihrem Kinn.

      "Keine Angst mehr, hier sind wir relativ sicher... ich würde nur gerne erfahren, wofür ich gerade meine Gesichtsknochen und sonst noch werweiswas riskiert habe? Was war da los mit dem...?"

      "Danke erst mal, dass Sie mich da so gut und heil aus dieser Situation befreit haben... Es, es... keine Sorge ich werde Sie gut bezahlen. Wenn mein Freund dieses Schwein erwischt, sollte er sich schon besser vorher bei einem Gesichtschirurgen angemeldet haben... und am besten einen Zettel mit dessen Adresse in der Hosentasche tragen... damit man ihn gleich direkt dorthin verfrachtet, wenn er wieder zu sich kommt. Dieser Drecksack..."

      "Ganz ruhig, beruhigen Sie sich erst mal, hier eine Zigarette... Was wollte der Kerl denn eigentlich?"

      "Ach nur ein Ex-Lover. Ist schon seit einiger Zeit vorbei. Nur er will's nicht wahrhaben, stellt noch immer Ansprüche an mich... und vor allem auch an meine Geldbörse... Dem ist's zu gut gegangen, bei mir!"

      Ihre Finger zitterten stark, als sie die Zigarette hob, um sich Feuer geben zu lassen, die Zigarette zitterte in ihrem Mundwinkel weiter, als sie ihn tapfer anzulächelte.

      "Wart' mal, ich hab' da auch noch was Anderes, Besseres !"

      Sie kramte in ihrer Handtasche herum, wühlte nervös darin, bis sie fand, was sie gesucht hatte, zog schließlich eine selbst gedrehte Zigarette hervor, zündete sie an und sog den Rauch tief in ihre Lungen, stöhnte wie erlöst. Sie zog noch einmal, fast schon verzweifelt an dem Glimmstängel, reichte ihn dann, mit einem neuerlichen Versuch von Lächeln, an ihn weiter. Würziger Duft und dichte Schwaden Rauch im Wagen, Rudolf zog auch an, öffnete das Schiebedach.

      "Schmeckt gut das Zeug... Genau so was hat mir gefehlt... Ist auch nicht unbedingt gerade mein bester Tag heute... Scheiß-Stadt!"

      "Kannst Du laut sagen... gehörte zugeschissen, dieses Kaff."

      "Naja... wenn's nicht wegen des Geldes wär', säßen wir wahrscheinlich beide nicht hier, aber... es ist schon o.k. so, sonst hätten wir einander ja auch nicht getroffen... und Spaß hat es mir allemal gemacht, diesen Macker auszutricksen. War bis jetzt ohnedies stinklangweilig heute Nacht!"

      "Ja, jetzt geht's mir auch schon wieder gut, bis auf mein Auge... na der soll mir noch einmal kommen... Du bist in Ordnung. Weißt Du das... ich meine nicht mehr heute, aber an irgendeinem Tag, wann immer Du willst, kommst einfach zu mir, ja? Hast Dir eine Belohnung verdient… Magst du?"

      Ihre Hand kam zwischen den Sitzen nach vor, fasste zielsicher zwischen seine Beine und massierte ihn einige Sekunden lang, bis er nicht mehr anders konnte, als genussvoll zu stöhnen und auf seinem Sitz hin- und herzurutschen.

      "Hör auf, hör auf, sonst überfalle ich Dich gleich hier und jetzt... nein, hör nicht gleich auf... nein hör doch auf. Ich muss ja noch arbeiten heute, meine Miete... bis morgen, nein, heute. Und ich hab' erst einen "Hunnie"..."

      Nach kurzem Schweigen, der Joint war fertiggeraucht, man lauschte gerade Whitney Hustons 'I will always love you", kam ihre Stimme neuerlich ganz dunkel und rauh aus dem Fond des Wagens, er beobachtete sie im Rückspiegel.

      "Du bist ein ganz Lieber... schade, dass mir alles wehtut, heute, sonst hätte ich Dich noch zu Dir begleitet."

      Ohre Stimme war eine Mischung aus einer Art samtigen Gurren und der schneidenden Schärfe eines fauchenden Raubtieres, mit glühenden Augen und einer animalisch, urtümlichen Kraft. Sie war personifizierter Sex. Sanft und doch mit Krallen, die sie wie ihre Zähne bleckte - brand-gefährlich heiß.

      "Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Komm einfach, wann du willst. Ich bin immer da unten, in der "Mademoiselle-Bar", außer montags. Wie wär's mit übermorgen?"

      Rudolf drehte sich wieder um, sah sie direkt an, lächelte und zwinkerte ihr verschmitzt zu.

      "Doch, könnte ich mir schon vorstellen, ich weiß nur noch nicht, ob ich die Kohle dann schon beisammenhabe.