Peter J. Gnad

Querverkehrt


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Innenstadt. Auch das konnte Rudolf nur recht sein, da musste er auf seinem Heimweg ohnedies vorbei. Ein Kellner kam aus dem Lokal, kam zum Wagen, fragte den Mann im Fond etwas auf Italienisch. Rudolf verstand nur Bahnhof. Der Kellner ging wieder ins Lokal. Der Mann hinter im Fond seines Wagens trommelte nervös mit seinen Fingerspitzen auf den Handgriff an der Tür.

      Dann ging es ganz plötzlich Schlag auf Schlag, im wahrsten Sinne des Wortes.

      Der jüngere Mann kam etwas taumelnd aus dem Haus, hatte eine Pistole in der Hand und schoss zweimal in die offen stehende Eingangstür des Lokals.

      Dann traf ihn ein von innen abgegebener Schuss, er stürzte zu Boden, kroch in Deckung eines anderen, vor dem Lokal geparkten Wagens.

      Rudolf saß da, mit nach unten gesunkener Kinnlade, weit vorgebeugt, die Augen weit aufgerissen. Es ging alles sehr, sehr schnell und hatte doch auch gleichzeitig eine Komponente von Zeitlupe.

      Zwei Männer, ebenfalls mit Waffen in der Hand, kamen herausgelaufen, duckten sich hinter einem anderen Auto, feuerten weiter auf den bereits verletzten Mann, bis dieser endlich zusammensackte und sich nicht mehr regte.

      Der zweite Fahrgast war inzwischen leise aus dem Wagen geglitten, schoss nun von der anderen Straßenseite auf die beiden noch immer geduckt verharrenden Männer, die sofort zurückfeuerten und sich wieder in Deckung brachten. Rudolf konnte die vorbeisirrenden Kugeln selbst bei geschlossenen Fenstern hören. Er sollte zusehen hier wegzukommen, nur momentan war an keinerlei Bewegung auch nur zu denken.

      Plötzlich schrie einer der Männer hinter den Autos auf, taumelte ins Licht, wurde noch einmal getroffen, brach zusammen. Aber auch der zweite seiner beiden Fahrgäste hatte wohl etwas abbekommen, er lag blutend auf dem Boden, hielt aber noch immer seine Waffe fest in der Hand, schoss hinüber auf die andere Straßenseite. Der Mann in der Mitte der Straße rührte sich nicht mehr, lag eigenartig verdreht da. Der würde wohl auch nie mehr "Piccata Milanese" essen können. Wie auch immer, er musste weg hier und das auch schnellstens, sonst käme er am Ende auch noch dran. Zu seinem Glück dachte man offensichtlich noch nicht an ihn, beziehungsweise hatte ihn noch gar nicht zur Kenntnis genommen. Er benützte einen Schusswechsel, um geduckt den Wagen zu starten und so schnell er konnte im Rückwärtsgang hinter das Haus zu kommen. Das Glück blieb ihm hold, da gab noch eine Ausfahrt zu einer Seitenstraße. Rudolf trat in das Gaspedal, der Wagen schoss davon, gegen die Einbahn. Einige Hundert Meter weiter, er war schon fast um die nächste Ecke gebogen, sah er im Rückspiegel einen weiteren Wagen aus der Ausfahrt preschen. Keine Frage, dass es sich um Verfolger handeln musste. Rudolf hatte das Gefühl das Gaspedal bereits durch das Blech in den Motorraum zu drücken, trieb seine Gänge bis in brüllende Drehzahlen, bog schnell in eine nächste enge Seitenstraße, bog gleich noch einmal ab und dann nochmals, schlug Haken, um in der Kreisfahrt wieder auf die breite Hauptstraße zu gelangen. Er sah gerade noch, wie der Wagen, der hinter ihm her war - ein dunkelroter Sportwagen - um die Ecke kam, dann presste sein Fuß wieder das Pedal durch. Er hatte keine Chance, gegen das spritzige kleine Ding. Und was konnte er tun - so einfach wie den dunkelblauen BMW, konnte er diese Leute nicht irreführen. Schon war der Sportwagen ebenfalls wieder auf die Hauptstraße herausgeschossen gekommen, beschleunigte, um zu ihm aufzuschließen.

      Rudolf sah verzweifelt um sich, suchte nach der rettenden Idee, als ihm der Zufall zu Hilfe kam.

      Ein Bahnübergang. Er schrie auf vor Freude und Überraschung, bremste scharf, bog leicht schleudernd auf den Schienenweg ein. Das Gleis führte über eine Brücke in einen Tunnel. Rudolf drückte wieder auf das Gas. Ratternd, holpernd, ein gleichzeitiger extremer Bewährungstest für die Stoßdämpfer. Er würde einen Dankesbrief an die Erzeugerfirma schreiben, wenn er hier herauskam, ohne hängen zu bleiben, ohne Achsenbruch und nicht zu Letzt, ohne einen Zug, der aus der Gegenrichtung kam.

      Der Wagen hinter ihm war nun ebenfalls auf den Schienenstrang eingebogen, wollte die Verfolgung nach kurzem Zögern wieder aufnehmen. Aber Rudolfs Kalkulation ging auf. Schon nach wenigen Metern sah er wie die Funken unter dem Sportwagen hervorstoben, der Wagen schräg zu den Geleisen kurz zum Stehen kam, dann ganz langsam die Böschung hinunterrodelte.

      Soweit so gut, Rudolf lachte ein schmutzig-befriedigtes Lachen, aus rauer Kehle, ging vom Gas, fuhr nun fast schon gemächlich weiter, aus dem Tunnel heraus. Bei der zur nächsten Bahnkreuzung, bog er wieder auf die Straße, gab dem Motor einen vollen Fuß Stoff und fuhr zügig weiter, in Richtung Innenstadt.

      Seine akute Paranoia legte sich nur langsam, als er, etwas planlos, nur um nicht an einem Stand anhalten zu müssen, in der Innenstadt herumkurvte. Die konnten nicht wissen, wer er war, hatten weder eine Taxiquittung, noch seine Nummer, hatten ihn selbst nicht gesehen und um die Nummerntafel erkennen zu können, waren die Verfolger nie nahe genug an ihn herangekommen.

      Er fuhr zu einer Tankstelle, kaufte eine Flasche Bourbon, setzte sich wieder in seinen Wagen und nahm gleich einen tiefen Schluck, ließ die Ereignisse nochmals Revue passieren. Das war ja gerade noch mal gut gegangen. Die Wärme, mit der sich der Alkohol in seinem Magen ausbreitete, ließ ihn langsam ruhiger werden. Hoffentlich hatten die nicht doch sein Kennzeichen gesehen, er musste auf der Hut sein, diesen Kerlen war, nachdem was er da gesehen hatte, alles zuzutrauen. Das hatte er gerade noch nötig gehabt, sich zwischen den Fronten eines ausgewachsenen Bandenkrieges wieder zu finden.

      Rudolf fuhr noch einige Zeit lang mehr oder minder planlos durch die Straßen, nahm eher zufällig noch zwei Fahrgäste auf, fuhr fast wie ferngesteuert, wusste nicht, was er nun, bei diesem Stand der Dinge, akut tun sollte.

      Das Einfachste wäre natürlich, sich geradewegs zur Polizei zu begeben und sich zu offenbaren. Aber andererseits, die "Bullen"... man weckte keine schlafenden Hunde... und den Zeugen und Mitwisser zu spielen konnte, von der einen, als auch von der anderen Seite her, sehr unangenehm werden.

      Verdammte Kacke! Warum passierte alles Unangenehme immer nur ihm. Es war wie eine Kette in seiner Laufbahn. Er schien das Unglück magisch anzuziehen. Und was harrte da noch alles auf ihn, wenn er denn nur diese Angelegenheit überhaupt erst mal überstanden, das Unwetter sich endlich auch wieder verzogen hatte.

      Andererseits hatte er eine gute Chance, dass da gar nichts passierte. Man würde ihn nie finden, wusste ja nicht, nach wem man suchen sollte und vor allem wo. Die konnten ja nicht gut alle Taxifahrer befragen und selbst wenn, fragen durften sie viel, die Bullen. Bei der anderen Seite war das anders, die ließen sich schon etwas einfallen, um ihn zum Sprechen zu bringen.

      Er stellte den Wagen, wie immer, im Hinterhof ab, machte seine Abrechnung, ging gerade seinen Kontrollgang um das Auto herum, als es ihm wie ein Blitz durch den Kopf schoss.

      Der Koffer! Er hatte ja den Aktenkoffer des einen Fahrgastes, des Erschossenen, im Kofferraum. Wie konnte er das nur vergessen.

      Schnell stieg er wieder ein, startete und fuhr zu seiner Wohnung. Alles war ruhig, kein Anzeichen irgendwelcher Abnormitäten, die Häuserzeile lag im Dunkel vor ihm, als er vorsichtig, um sich blickend, ausstieg, hinter zum Kofferraum ging, hineingriff und sich schnell daran machte, im Hauseingang zu verschwinden.

      Der Koffer wog schwer in seiner Hand, als er die Stufen eilig hinaufging. Rudolf zögerte einen Moment, als das schwarze Lederding vor ihm auf dem Sofa lag. Aber der Koffer war nicht versperrt, ließ sich ganz normal öffnen. Rudolf zögerte, wie in einer Vorahnung nochmals, bevor er den Deckel in einem Schwung hob... und dann wie in Eis erstarrt, in der Bewegung verharrte.

      Kein Zweifel möglich, seine Augen täuschten ihn nicht. Der Koffer war randvoll mit... GELD !!

      Und das es sich um keine kleine Summe handeln konnte war ebenfalls klar. Er zählte ein Bündel, zählte die Bündel, zählte zusammen und schluckte schwer. Nach Adam Riese, hatte er hier die erkleckliche Summe, von sage und schreibe, über zwei Millionen Euro vor sich liegen. Kalter Schweiß stand auf seiner Stirn. Was sollte er denn nun tun ? Rudolf geriet geradezu in eine Art Panik, schloss den Koffer und seine Augen, versuchte sich zu beruhigen, nahm noch einen Schluck aus der Pulle.

      Es war klar, dass er das "Zeug" nicht hier in seiner Wohnung behalten konnte, so oder so. Morgen musste er unbedingt ein Versteck finden, ein sicheres Versteck.

      Verstört und mit dumpfem Kopf fuhr er schnell