Peter J. Gnad

Querverkehrt


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Boss. Und ihr Boss ist kein Boss mehr, der alte Gauner, jetzt weht ein anderer Wind !"

      "Was meinen sie mit dem Wort 'Gauner', sind sie vollkommen verrückt ?"

      "Man kann auch 'Betrüger' sagen, auch 'Lügner' wäre angebracht, aber das Wort "Gauner" fasst das alles so schön zusammen... am liebsten würde ich manche eurer Leute vor dem Internationalen Gerichtshof sehen !"

      "Das ist eine Beleidigung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, und wenn sie… "

      "Und wenn sie nicht gleich die Klappe halten, dann gehen sie jetzt zu Fuß weiter…"

      "Unverschämtheit, ich werde mich beschweren…"

      "Ja, können sie gern machen, rufen sie mich morgen an, da ist mein Anrufbeantworter dran, dem können sie alles erzählen !"

      "Ich werde sie anzeigen… bei der Polizei, wegen Beleidigung !"

      "Das kommt mir entgegen, dann können wir auch, ganz öffentlich ein paar Fragen klären… nämlich in wie viele Schweinereien die Amerikaner verwickelt sind, für ausreichend anwesende Presse wird gesorgt."

      "Was meinen sie damit – wenn wir nicht Weltpolizei spielen, wer dann… und wo gehobelt wird, fallen eben Späne."

      "Ihr seid aber nicht Weltpolizei, ihr wollt nur neue Spielfelder, für euren wunderbaren Turbo-Kapitalismus, der alles zerstört… zum Glück, auch euch selbst!"

      "Aber, aber… das ist… Wir haben ehrliche Absichten… wir sind Helden !"

      "Märchen und Lügen – es gibt eine lange Liste all der Schweinereien, in die Amerika, nach dem Zweiten Weltkrieg, verwickelt war, die Liste trieft vor Blut, mit Zahlen, die für sich sprechen und ihr wollt andere Mores lehren, das ist ja geradezu aberwitzig, absurd… Amerika, das Land der verlorenen Träume ?"

      "Aaah, sie sind Kommunist, das habe ich mir gedacht !"

      Die Frau rutschte auf ihrem Sitz hin und her, sah ihn fast panisch von der Seite her an. An der nächsten roten Ampel öffnete sie ihre Tür, stellte schon mal einen Fuß hinaus.

      "Sie wollen aussteigen aus meinem Kommunisten-Mercedes… warten sie, gerne, aber erst wenn sie bezahlt haben… das macht 14 Euro dreißig…"

      Rudolf lächelt die Frau breit an, zwinkerte ihr zu. Die würde noch lange von dieser Fahrt erzählen. Sie gab ihm zwanzig Euro, sprang ohne ein weiteres Wort aus dem Wagen, sah sich an der Ampel stehend nochmals nach ihm um. Rudolf fletschte die Zähne, tippte sich an die Stirn, fuhr los.

      Er hatte aber keine Zeit noch länger über die Frau nachzudenken. Ein bulliger Mann stieg ein. Er trug einen Parka und einen Dreitage-Bart, von der ungepflegten, unmodischen Art, lümmelte sich in den Sitz. Rudolf vermeinte, den Ärger schon riechen zu können. Aber es war eine weite Fahrt und Rudolf war scharf auf das zu erwartende Geld... so der Typ überhaupt zahlen konnte, oder wollte.

      Als sie das Ortsschild des Dorfes, etwa dreißig Kilometer außerhalb der Stadt passierten, fing der Mann auf einmal lauthals zu schluchzen an.

      Er sei Soldat, Söldner eigentlich, bei der 'Legion'... Seit vierzehn Jahren das erste Mal zu Hause, seine Mutter... sein Dorf, die Leute, und er habe Angst, jetzt auf einmal, sonst habe er nie Angst, vor nichts.

      Alles sei ganz anders geworden... ob Rudolf wisse, wie es sei... ob er schon einmal einen Menschen umgebracht habe... Er selbst habe schon so viele getötet, dass er es schon aufgegeben habe zu zählen... Und nein, er träume nicht von ihnen, nie... nur jetzt, jetzt könne er nicht mehr... Er habe nicht gewusst, dass das nach Hause kommen, so schwer sei.

      Er bezahlte anstandslos, lies Rudolf ein stattliches Trinkgeld, stieg heulend aus, ging auf ein kleines Haus zu. Verrückte gab es in rauhen Mengen. Auch wie treffend die Bezeichnung "verrückt" war, deplatziert, geistig ausgehoben.

      Rudolf fuhr sehr nachdenklich zurück in die Stadt. Was wusste man denn schon von den Leuten, die da neben einem saßen.

      Eine Stunde später kam dann der Schwule. Der Mann versuchte während der Fahrt ständig seine Hand auf den ihm näheren Schenkel von Rudolf zu legen, fragte unverblümt, ob er sich nicht von ihm 'liebkosen' lassen wolle, es sollte auch nicht zu seinem finanziellen Schaden sein.

      Rudolf schlug ihm spielerisch auf die Finger, als er in einer lang gezogenen Kurve seinem Hosenschlitz verdächtig nahe kam. Aber er regte sich nicht sonderlich auf darüber. Dies gehörte zu den fast 'normalen' Vorkommnissen, wenn man in der Nacht Taxi fuhr. Er lächelte ihn sogar an, als die Fahrt zu Ende war, bekam dafür auch zwanzig Euro Trinkgeld.

      Er gähnte gelangweilt, als er sich wieder in Richtung Innenstadt bewegte, um sich eine neue Fuhre zu suchen. Was um diese Uhrzeit - es war mittlerweile ein Uhr vorbei - keine Schwierigkeit war. Viele Lokale machten Sperrstunde und man brauchte die wartenden Gäste einfach nur abzuholen, einzusammeln und möglichst schnell an das gewünschte Ziel bringen, um dann eiligst die nächsten Fahrgäste einzuladen. Sie liefen einem förmlich zu, um diese Uhrzeit, keilten sich manchmal sogar darum, wer als erster Anspruch hatte einzusteigen. Es war zum Kichern, hier und da gab es richtige Raufereien, zum Beispiel wenn die Wetterverhältnisse so, wie eben gerade in dieser Nacht waren. Was den Vorteil hatte, dass die Zeit wenigstens schneller verging, man ausreichend beschäftigt war. Das ging dann noch so ungefähr bis Halbdrei, dann wurde es wieder kurzzeitig ruhig, bis um vier, wenn dann die Diskotheken schlossen und das große Aufräumen begann, "Lumpen sammeln" wie es so liebevoll im Metier hieß. Wobei um diese frühe Stunde natürlich auch die Gefahr irgendwelcher Unannehmlichkeiten proportional mitwuchs, wie zum Beispiel, dass einem irgendeine Alkoholleiche auch noch den Wagen vollkotzte. Jeder Taxifahrer, in allen Städten der Welt, hatte dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht nur einmal erlebt. Das gehörte eben zum sogenannten Berufsrisiko. Wenn man nicht bereit war, sich mit solchen Ereignissen abzufinden, war man auf jeden Fall fehl am Platze. Auch Rudolf waren solche Geschehnisse nicht erspart geblieben, aber es gab Schlimmeres.

      Wie zum Beispiel das, was nun auf den Fuß folgen sollte und was nicht einfach nur mit Wasser zu bereinigen war.

      Die beiden Männer überquerten ruhigen gemessenen Schrittes, fast schon würdig, langsam die Straße, kamen direkt auf ihn zu, stiegen wortlos in den Fond seines Wagens.

      Rudolf bot ihnen an, den kleinen Koffer im Kofferraum unterzubringen, sodass sie bequemer sitzen könnten, was sie mit gnädigem Nicken annahmen.

      Sie unterhielten sich angeregt auf Italienisch, sprachen von irgendwelchen Problemen geschäftlicher Natur, soweit er das mitbekam. Der Eine, hager und groß mit kurzem wohlgestutztem Bart, offensichtlich der Untergebene, schien den Älteren etwas zu bedrängen, insistierte mit scharfer Stimme, während dieser in tiefem ruhigem Tonfall den Jüngeren eher zu beruhigen trachtete. Da war nichts Außergewöhnliches zu bemerken, ganz normale, angenehme Fahrgäste, sie ließen ihn wenigstens in Ruhe seine Arbeit verrichten. Man wies ihn unterwegs an, vor einem Lokal anzuhalten, der jüngere Mann stieg aus, ging hinein, kam aber schon nach wenigen Minuten wieder zurück, man fuhr weiter. Noch zweimal musste er anhalten, jedes Mal vor Lokalen, in die der Jüngere immer nur kurz hineinging und schon bald wieder herauskam. Der andere Mann war nicht unfreundlich, ganz im Gegenteil, machte inzwischen zaghafte Versuche von "Small Talk", fragte nach Details von Rudolfs Job. Aber Rudolf war gerade überhaupt nicht zum Plaudern zumute, seine Antworten fielen dementsprechend kurz und lakonisch aus, was dann auch bald alle Kommunikationsversuche des Mannes hinter ihm, im Sande versickern ließ.

      Als letztes Fahrtziel, wie man ihm ankündigte, sollte er weit hinunter in den Süden der Stadt fahren, ins Nobelviertel, hin zu einem Restaurant namens "Il Cacciatore", wo sie dann auch aussteigen wollten. Rudolf konnte das nur recht sein, es war eine lange Fuhre geworden, die Schaltuhr auf seinem Armaturenbrett zeigte bereits über dreißig Euro an, und bis man am angegebenen Zielpunkt angekommen wäre, stünden da bestimmt bis fast an die Fünfzig auf dem Zähler. Das kam ihm gerade recht. Nach dieser Fahrt wollte er Schluss machen, für heute, es war genug, für diese Nacht reichte es.

      Er fuhr den Wagen in eine Einfahrt neben dem Lokal, stellte den Motor ab, wollte schon seine Geldtasche zücken, als der Ältere ihm bedeutete,