Jose DeChamp

Aphrodite Schatzsucherin


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sich schwer und reizlos vor. Fahrig streicht sie ihr widerspenstiges Haar aus dem schweissnassen Gesicht.

      "Wir haben hier tolle Leute kennengelernt. Künstler aus Athen. Georgos wird dir gefallen. Spielt in der Rockband Socrates und seine Familie hat ein Haus hier auf der Insel.”

      Zsófia schüttelt den Kopf, “sagt mir nichts.”

      “Socrates ist eine bekannte Rockband in Griechenland." Clara’s Augen leuchten vor Begeisterung. "Georgos ist der Frontmann. Er ist wunderbar. Wenn du ihn siehst, weisst du, was wir meinen."

      Zsófia hebt abwehrend die Hände. Die Schwärmerei für den Sänger befremdet sie. Zögernd erzählt sie von ihrem Leben zuhause, von ihrem Partner und von seinen Geschichten mit anderen Frauen. Aber da ist mehr. Mehr als sie sagen will. Mehr, als sie sich selbst eingestehen will.

      "Ich würde ihm nicht glauben. Der geht bestimmt fremd, jetzt, wo du fort bist.", kommentiert Katharina. Schlanke Gestalt, weisse Haut, Mädchengesicht; all das passt nicht zu ihrer abgeklärten Rede. Die jungen Mädchen scheinen soviel vom Leben zu wissen. Zsófia weiss, dass ihr etwas fehlt, aber sie weiss nicht, was es ist.

      Die Sonne ist untergegangen, als sie zur Bar hinüber wandern. Der einzigen, die es an diesem Hafen gibt. Der Bar auf der Insel, auf der sich die Menschen zumeist wenig zu sagen haben.

      Es ist Abend, die Inselbesucher essen und feiern in den Freiluft-Restaurants am Hafen ihre Ferien. Kleine bunte Lichterketten werfen ihren Schein auf die nun ungewöhnlich stille See.

      Zsófia sitzt auf der Veranda der windschiefen Hafenbar, nippt an einem Getränk und grübelt darüber nach, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Ihr Blick gleitet auf das in der Dunkelheit glänzende Meer, zurück zu dem im Mondlicht gräulich schimmernden Sandstrand. Ihr Blick verhält an der schwarzen Silhouette einer einsam stehenden Gestalt. Als sich ihre Augen auf das Dunkel eingestellt haben, vermag sie Einzelheiten auszumachen. Ein grosser, schlanker Mann mit blossem Oberkörper und schulterlangem Haar. Mit dem Rücken zu ihr. Bewegungslos steht er da und Zsófia kann nicht aufhören, auf seine Silhouette zu schauen. Sie starrt in die Dunkelheit auf den Mann und eine seltsame Empfindung steigt in ihr auf.

      Ein ungeheurer Schmerz in der Brust, aber gleichzeitig fühlt sie sich davon erhellt, so wach, als würde jede Zelle ihres Körpers gleichgeschaltet in diesem einzigen, instinktiven Gefühl.

      Sie hört die Stimmen der drei Mädchen, antwortet mechanisch, wo sie gefragt wird und ist doch wie hypnotisiert von dem allein stehenden Mann. Als er fortgeht, ist sie unsagbar enttäuscht.

      Sie betrachtet die Gäste an den Nachbartischen. Lachende Frauen und Männer, gelangweilte Frauen und Männer. Eine durch die Tischreihen tanzende Kellnerin mit Plateau Absätzen, wehender Hose und bauchfreiem Oberteil. Sie lächelt ein geheimnisvolles Lächeln, findet Zsófia.

      "Voll mit Drogen", kommentiert Katharina.

      Da kommt der Mann zurück. Er hat sich umgezogen. Zsófia bemerkt seinen leichten Gang, sieht, dass er seine Schultern etwas einzieht und seinen Kopf gesenkt hält, so als wolle er nicht seine ganze Grösse zeigen. Die Lässigkeit mit der er die gewellten Haare zurückstreicht, wirkt, als wisse er, dass er auffällig ist und als sei es ihm nicht wichtig. Die Selbstverständlichkeit schöner Menschen, denkt Zsófia und streicht über ihre geschwungene Nase. Eine herbe Schöne, so wird sie beschrieben. Herb hat sie sich stets gefühlt. Herb und hölzern. Schön dagegen nie.

      Nun sieht sie zum ersten Mal sein Gesicht. Das er so einnehmend aussieht, ist ein Schock für sie. Der Mann geht durch die Tischreihen direkt auf sie zu. Ihr Herz schlägt heftig und sie sieht nach unten, damit er nicht die Bewunderung in ihren Augen lesen kann.

      "Sein Name ist Georgos", sagt Elisabet halblaut. "Ein aussergewöhnlicher Mann, nicht wahr?"

      Zsófia kann nicht antworten und nickt nur ohne Elisabet anzusehen. Als Georgos zu sprechen beginnt, verliebt sie sich in seine Stimme. Ein wenig träge, wohltönend und etwas rau. Sie wagt einen scheuen Blick in seine dunklen Augen und entdeckt eine Andeutung von Melancholie darin. Als er sie flüchtig anlächelt, errötet sie.

      Dann wendet sich Georgos zu Elisabet und Katharina und so kann sie ihn ansehen. Fühlt er es auch? Er muss es fühlen.

      Um sich abzulenken - um irgend etwas zu tun, was den inneren Aufruhr beruhigen könnte, nimmt sie Claras Hand und beginnt, die Linien darin zu deuten - etwas, was ihr ein rumänischer Freund gezeigt hatte. Doch nun sind die anderen um sie.

      Georgos sieht ihr in die Augen - ihr Herz beginnt in der Brust zu springen - und sagt mit einem spöttischen Lächeln, das er Handlesen für Humbug halte. Mit Anstrengung erwidert Zsófia seinen Blick und sagt, dass es eine Wissenschaft sei.

      "Bist du eine Wahrsagerin?", Georgos lächelt sie freundlich an.

      Sie schaut in wohlwollende, dunkle Augen in einem Freibeuter-Gesicht. Erstes Grau in langen Haaren. Sie verspürt den Drang, über die knochigen Wangen des Mannes zu streichen, die ungebändigte Haarmähne zu berühren. Verlegen senkt sie den Blick und bleibt an seinen langfingrigen, gebräunten Händen hängen. Schöne Hände.

      "Und du? Bist du ein Schatzsucher?"

      Georgos lacht milde, schaut sie zum ersten Mal wirklich an. Tastet mit seinen Augen über Zsófias olivfarbenes Gesicht, ihre traurig schauenden, grauen Augen. Dichte schwarze, geschwungene Brauen, die beinahe zusammen wachsen. Eine kräftige, romanische Nase. Volle Rosenblätter Lippen. Krauses schwarzes Haar von einer Hornklammer zusammen gehalten. Er bemerkt, dass sie ihren Körper unter Kleiderschichten zu verbergen sucht. Eine kleine Frau. Weibliche Hüften, schlanke Fesseln und gute Hände klagend gen Himmel gerichtet. Wie eine der Frauen italienischer Schwarz-Weiss-Filme. Eine Anna Magnani, die nicht weiss, wer sie ist und darauf wartet von einem Filmhelden wachgeküsst zu werden.

      Georgos widersteht dem Drang ihre Hand zu streicheln. Er kann fühlen, dass sie Schmerzen in sich trägt, und das ist wie ein Widerhall von etwas in ihm selbst. Er fühlt sich zu ihr hingezogen und so stösst er sich innerlich von ihr ab. Er kann und will für niemanden da sein. Er ist nicht gut damit und er will es auch nicht sein.

      Langsam nickt er ihr zu: “Schatzsucher erkennen einander, aber sie müssen alleine bleiben.”

      Zsófia senkt ihren Blick. Sie will nicht hören, was er sagt.

      Später geht Zsófia mit den Mädchen und Georgos den Strand entlang. Die Schuhe versinken im feuchten Sand und die Musik einer Tanzbar kommt in Wellen herüber. Als sie sie erreichen, erscheint der Platz Zsófia wie aus einem Film. Von Vollmond erhellt, von Wellen des Meeres umarmt. Tische in den Sand gestellt. Eine Hütte mit einem Strohdach, im schummrig, dunklen Inneren eine schmale Tanzfläche, eine roh zusammengezimmerte Bar und ein direkter Zugang zum Meer. Auf einer Holzbank an der Hauswand sitzen Liebespaare und lassen ihre Füsse ins Wasser baumeln. Georgos steht mit seinen Freunden an der Theke, beachtet sie nicht mehr. Doch für Zsófia ist der Moment überirdisch, über allem liegt ein Zauber, weil er da ist. Sie lehnt sich in eine Nische in der Mauerwand, hört die Musik, beobachtet die Tanzenden. Immer wieder wandert ihr Blick zurück zu Georgos. Bewundert, wie er das Haar aus dem Gesicht wirft, die Lachfalten in seinen Augenwinkeln, wenn er spricht.

      Da schlendert Elisabet zu Georgos herüber. Sie ist schön mit ihrem honig-goldenen Haar, den grossen Augen im ebenmässigen Mädchengesicht. Elisabet unterhält sich unbefangen und frei mit Georgos. Sie macht anmutige Gesten mit schlanken Armen, um ihre Worte zu unterstreichen. Wiegt ihre schmale Taille, beugt sich spielerisch vor, wie um Georgos zu necken. Dann wirft sie lachend ihren goldenen Haarteppich zur Seite. Wie sehr würde sich Zsófia wünschen, statt ihrer dort zu stehen. Gleichzeitig wird sie von Mutlosigkeit befallen. Georgos sieht sie doch gar nicht. Er hat nicht gefühlt, was sie gefühlt hatte. Die Welt hatte nicht den Atem angehalten in dem Moment am Strand, als sie ihn gesehen hatte.

      Gerade beugt sich Elisabet vor, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Georgos lacht und streichelt ihr zärtlich über die Wange. Ein so inniger Moment, dass Zsófia den Atem anhält. Schon ist er vergangen. Einträchtig schlendern die beiden zur Tanzfläche.

      Zsófia