Jose DeChamp

Aphrodite Schatzsucherin


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sie nicht alles getan, um ihm nicht wieder zu begegnen? Sie war fortgelaufen. Vor dem Gefühl. Vor dem zu erwartenden Schmerz. Doch hier ist er, direkt vor ihr. Georgos und der zu erwartende Schmerz.

       "Soll die Liebe unvergesslich sein, so müssen sich vom ersten

       Augenblick an Zufälle auf ihr niederlassen wie die Vögel auf den

      Schultern des Franz von Assisi." Milan Kundera

      Die Vögel des Zufalls haben sich auf ihren Schultern niedergelassen. Jetzt ist es Schicksal. Oder der Wille der Gottheiten, so denkt sie.

      "Georgos!"

      Überrascht, wie aus einer anderen Welt auftauchend, blickt er sie an. Ein Lächeln des Wiedererkennens kommt nur zögernd. Nein, er hat es nicht gespürt. Zsófia versucht sich ihre Endtäuschung nicht anmerken zu lassen.

      "Was führt dich nach Athen?" stösst sie atemlos hervor und wieder Willen klingt ihre Stimme heiser.

      "Ich lebe hier.", Georgos lächelt flüchtig. Seine Stimme ist dunkel und ein wenig brüchig, so wie in ihrer Erinnerung. Das er nun vor ihm steht, erscheint ihr als ein Wunder.

      “Meine Schwester hat auf der Insel ein Haus.”

      "Ich fliege morgen zurück nach Deutschland. Der Urlaub ist zu Ende.", Zsófia schweigt befangen. Sie spricht kein Griechisch und auch Englisch kommt ihr nun nur mühsam über die Lippen.

      Georgos nickt zerstreut. Schaut schon wieder auf den näher kommenden Hafen. Sie hat Angst das er sich einfach umdrehen und gehen wird.

      "Wollten heute nicht die drei Mädchen abreisen?" Etwas anderes ist ihr in ihrer Not nicht eingefallen.

      Georgos scheint verwundert. " Nein, sie verlassen erst am Donnerstag die Insel."

      Nun ist sie es, die ihn verblüfft anschaut. "Aber das ist doch heute."

      Georgos schaut auf seine Uhr, dann wieder auf sie."Heute ist Montag, der 27. Juni. Hast du auf der Insel die Zeit verloren?" Er lächelt leichthin. "Das kann geschehen, wenn man nach Griechenland kommt."

      Zsófia glaubt sich verhört zu haben. Verstört blickt sie ihn an. Erst Montag. Sie hat die Insel drei Tage zu früh verlassen. Vor ihr eine flimmernde Millionenstadt. Das Unbekannte, keine Freunde, kein vorgefasster Plan. Wo soll sie bleiben?

      Vor ihr auch die Erfüllung eines Traumes. Es kann nicht sein! In Romanen vielleicht. Aber nicht in ihrem Leben.

      "Sonntag! Noch zwei Tage!"

      Und drei Nächte. Drei Nächte in Athen. Aber das sagt sie nicht laut.

      "Was mache ich nun?"

      Er schaut sie kurz an."Du kannst mit mir kommen, wenn du nichts vor hast. Ich besuche einen alten Freund in seiner Bar, treffe mich mit Leuten. Wenn du willst, kannst du bei mir übernachten."

      Mit ihm gehen, wie schön das wäre.

      Er lächelt wieder, "ich bin kein Freibeuter, der dich auf seinem Schiff entführt."

      Röte schiesst in ihr Gesicht. Sie schämt sich. Lehnt sich schwer an das Schiffsgeländer, um ihren galoppierenden Herzschlag zurück zu pressen. Lässt den Wind in ihr erhitztes Gesicht wehen. Nickt atemlos.

      Die 'Theés Várka' legt an. Eilig schiebt sich die Menschentraube über die enge Bordtreppe ins Freie. Transporter fahren dröhnend über die Rampe, ungeduldige Fahrer hupen. Die Reisenden machen hektische Gebärden um Taxen anzuhalten.

      Georgos geht schnell. Sie hat Mühe, ihm zu folgen. Auch die Taxifahrt zu 'Toni’s Bar' legen sie in rasendem Tempo zurück. Athen erscheint ihr wie ein Film im Zeitraffer. Pulsierendes, lärmendes, abgasstinkendes Grossstadtleben, vierundzwanzig Stunden lang, wildes Autohupen, Stau bis spät in die Nacht. Zsófia ist schwindelig von der Schnelligkeit nach der Einsamkeit der Insel. Die Bar, die Menschen - auch das zieht vorbei wie ein schnell laufender Film. Sie sitzt neben Georgos und das ist ein Wunder.

      Zsófia fühlt seine Blicke von der Seite. Nervös bestellt sie einen Whiskey Coke. Erzählt von ihrer Arbeit in der Werbeagentur, von Karl, ihrem Partner. Davon, dass sie früher Musik gemacht hat und irgendwann, als der Alkohol seine Wirkung entfaltet, auch von der Kartenlegerin, die ihr einen Musiker mit Familie prophezeit hat mit dem sie um die Welt reisen würde.

      "Ich bin Musiker. Ich habe eine wunderbare Tochter."

      Sie lacht.

      "Meine Band in Athen und wer weiss." Georgos zuckt leichthin die Schultern, "Könnte sein, dass es bald auch mit dem Rest der Welt klappt. Und", er macht eine lange Pause, "Ich bin ungebunden." Seine Augen funkeln schwarz.

      Er nimmt mich nicht ernst, denkt sie. "Du bist es nicht, den sie mir vorausgesagt hat!" Schnell senkt sie die Augen, damit der Wunsch in ihnen ihre Worte nicht Lüge straft.

      Georgos’ Freunde kommen hinzu. Zsófia ist erleichtert darüber. Unter ihnen ein Mann, den Georgos als seinen besten Freund und Bandpartner vorstellt. Orfeo ist Schlagzeuger in Georgos' Band ‘Socrates’. Ein kleiner, muskulöser Mann mit einem markanten Gesicht. Sie fühlt seinen Blick auf sich. Warum starrt er sie an? Hat sie ihn schon einmal gesehen? Da spricht Georgos auf Griechisch zu ihm und Orfeo wendet sich ab. Sie beobachtet ihn verstohlen. Er hat tiefliegende, dunkle Augen, die er ausdrucksvoll dreht, während er Anekdoten von ihren Tourneen erzählt. Seine gebogene Nase ist lang. Berührt fast seine Lippen. Wieder schaut er sie an, forschend wie ihr scheint. Dann macht er eine bewundernde Bemerkung über ihr krauses Haar und so vergisst Zsófia ihre selbst-verkrüppelnde Schüchternheit und beginnt sich mit ihm zu unterhalten. Erzählt ihm von ihrem Leben in Deutschland und das sie Musik geschrieben hatte, als sie jünger gewesen war. Orfeo nickt, als wisse er dies bereits.

      Die Gruppe geht in ein Restaurant. Zsófia hält sich unsicher an ihrem Getränk fest. Als sie bemerkt, dass ihre Hände zittern, versteckt sie sie in ihrem Schoss.

      Und Georgos, was fühlt er?

      Später wird er sagen, dass er gewusst habe, das sie sein Herz öffnen würde, wenn er nur genug Zeit mit ihr verbrächte. Vom ersten Augenblick an habe er es gewusst. So wie er um ihre Trauer gewusst habe, welche alt zu sein schien. Er würde sich daran erinnern, wie er einem Drang widerstanden hatte, ihre Hand zu halten, in der Bar auf der Insel. So als habe er gewusst, das diese Verpflichtung zu gross für ihn sein könnte. Gefühle werfen ein Leben aus der gewohnten Bahn. Er würde sagen, dass er damals hatte frei sein wollen und Liebe als eine Fessel verstanden hatte. Das sie beide Angst gehabt hatten. Das Menschen manchmal Liebe erst dann begreifen, wenn sie sie verloren haben. Er würde dies so sagen, wie es Menschen sagen, die lieben.

      Zsófia betrachtet Georgos. Er erscheint entspannt, plaudert mit seinen Freunden und ist Zsófia gegenüber aufmerksam. Sie versucht sich zu sammeln. Aber da könnte Mensch von trockenem Holz erwarten, nicht zu brennen. Zsófia brennt. Sie hängt an seinen Lippen, was er als selbstverständlich hinzunehmen scheint.

      Sie bewundert seine Lässigkeit, seine schlanken Hände, die er beim Erzählen wie ein Dirigent bewegt. Erschaudert beim Klang seiner dunklen, sanften Stimme. Registriert die gewisse Trägheit beim Sprechen, die eine Tendenz zu Melancholie und Launenhaftigkeit erahnen lässt. Gleichzeitig sieht sie etwas jungenhaftes in Ihm. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen. Wenn er ein Schatzsucher auf der Suche nach Abenteuern ist, hat er ein leichtes Spiel.

      Schliesslich sind sie beide in seiner Wohnung. Allein. Georgos lässt Zsófia die Wahl zwischen einer Couch und einem breiten Doppelbett. Dort wird er schlafen. Entlarvend, aber sie hat keine Wahl. Sie hat drei Tage zum Glücklich sein. Nicht mehr. So wählt sie das Doppelbett.

      Er sei sehr müde, meint er, spricht es und rollt sich auf die Seite.

      Sie nicht. Rutscht am Rande der anderen Bettkante entlang, gibt vor zu lesen in einem Buch, das sie schon gelesen hat. Blättert vor und zurück. Wagt kaum, sich zu bewegen -zu atmen. Hat Angst, das er ihr bis zum Hals klopfendes Herz hören könnte. Nach einer gewissen Zeit, die ihr als eine Ewigkeit erscheint,