Mej Dark

Completely - Gesamtausgabe


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musste eine andere Stelle her. Auf der Rückseite war zum Glück ein breiterer Riss. Man musste sich jedoch bücken. Dort hinein drückte ich nun das metallene Plättchen. Der Cent versank fast komplett. Nur ein minimales Stück des dünnen Randes lugte noch heraus, wenn man genau hinsah.

      „Möge es so sein!“, fügte ich bedeutungsvoll hinzu.

      Grace umarmte mich erneut dankbar.

      „Ich liebe dich Percy“, flüsterte sie mir dabei zärtlich ins Ohr und biss leicht in mein Ohrläppchen. „Aus ganzem Herzen!“

      Da ich nicht wusste, was ich antworten sollte, sie aber keinesfalls kränken wollte, zudem von Schamgefühlen geplagt war, brabbelte ich so etwas wie: „Schön, schön, …meine Gute …äh Liebe…“

      Ihr erschien das aber vorerst als ausreichend.

      „Ich werde auf dich warten Liebster!“, rief die Zurückgelassene mit inbrünstiger Stimme und warf mir sogar noch eine Kusshand nach. „Vielleicht komme ich dich auch besuchen, wenn das Warten zu lang ist.“

      Wortlos drückte ich sie voller Inbrunst. Mein Herz zog sich voller Schmerz zusammen. Jeder Abschied ist ein bisschen wie Sterben.

      Grace, die nun wahrscheinlich der Meinung war, dass ich sie ebenfalls liebte, blieb mit ihm auf dem Bahnsteig zurück. Ich stieg wortlos ein. Vielleicht liebte ich sie doch? Wo war denn die Grenze zwischen Zuneigung, Freundschaft und der richtigen Liebe?

      Mein Diener und sie winkten mir zum Abschied. Ich ließ die beiden schweren Herzens zurück.

      Nach kurzer Zeit bereute ich dann auch schon wieder den zärtlichen Kuss etwas. Er war genau betrachtet doch ein Verrat an meiner wahren Liebe. Was hatte ich nur getan?

      Andererseits empfand ich anscheinend wirklich gewisse Gefühle für die hübsche vollbusige Grace. Der Kuss hatte mir ebenfalls gefallen. Es rührte mich auch, dass sie sich so herzlich von mir verabschiedete und auch noch ihren Stolz überwunden hatte. Wie einsam war ich ohne sie? Meine Lippen spürten noch immer die ihren und ein Rest des Parfümduftes lag zart auf meiner Kleidung.

      Ringlein, Ringlein, du musst wandern

      Fauchend bahnte sich das eiserne Gefährt kraftvoll seinen Weg durch die wechselnden Landschaften. Dörfer, Wiesen, Städte, Flüsse, Seen und Wälder huschten vorbei. Die oberflächlichen Gespräche mit kauzigen Herren sowie in Pelzmäntel gehüllte Damen und anderen Reisenden strapazierten meine Nerven zusätzlich. Ein bärtiger Passagier erzählte stundenlang genüsslich schaurige Märchen über Dämonen, Werwölfe und Hexen, die im heiligen und zugleich finsteren Indianerland angeblich noch immer ihr Unwesen trieben. Die vornehmen Damen lauschten mit offenem Mund.

      Nach drei Tagen hatten wir endlich das Reiseziel erreicht. Die alte Wildweststadt hieß Deadwood. Sie war auf ungesetzliche Weise unter Vertragsbruch mitten im Indianerland errichtet worden.

      Trotz der guten Sitzpolsterung tat mir inzwischen jeder Knochen weh. Die Zeit in der Bahn und die holprigen Schienen forderten ihren Tribut. Bestimmt erwarteten mich Rückständigkeit und naive Provinzler. Dachte ich etwas zu überheblich?

      An der kleinen, schmutzigen Bahnhofsstation wimmelte es von fahrenden Händlern, die sich von den Reisenden ein lukratives Geschäft versprachen – wobei man hier vom Luxus andere Maßstäbe hatte als in Manhattan. Ein paar Dummköpfe ließen sich Reiseproviant, Pelze, Waffen, kleine Hunde, indianischen Schmuck, Tücher und weiß was noch für unsinniges Zeug andrehen. An einem dieser Stände fiel mir ein bezopftes Bauernmädchen auf, da es ein sehr buntes, farbintensives Kopftuch trug. Die Augen der Kleinen bestaunten den billigen Tand. Sie träumte sich wohl schon als Braut eines Bahnarbeiters oder Siedlers. Als diese meinen spöttischen Blick bemerkte, sah sie mich kurz verwundert an. Das junge Ding hatte ein wunderschönes, immer noch kindliches Antlitz. Ihre engelhaften Gesichtszüge bildete einen Gegensatz zu diesem gewöhnlichen Ort. Sie hielt einen funkelnden Ring in der Hand und bewunderten ihn von allen Seiten.

      „Es ist eben ein ganz besonders wertvolles Stück!“, pries der dicke Verkäufer seine Ware geschickt an. „So etwas findet man nicht an jeder Straßenecke. Er besitzt magische Kräfte und schafft ein unlösbares überirdisches Band zwischen dem Schenker und der Beschenkten.“

      „Ich bräuchte es aber umgedreht!“ warf das Mädchen ein.

      „Dem Ring ist es egal!“, wiegelte der Verkäufer geschickt ab.

      Natürlich, eine Lüge ersetzte die andere! Der Kerl trug aber geschickt auf. Seine Lobpreisungen schienen ihre Wirkung jedoch nicht zu verfehlen.

      „Genau so etwas brauche ich für meine Arbeit! Urgroßtante ist immer so unzufrieden mit mir“, murmelte seine süße Kundin verzückt und hielt dann erschrocken inne. Ihr wurde klar, dass Begeisterung nicht gut für den Verkaufspreis war.

      „Der ist leider viel zu teuer!“, murmelte sie und reichte äußerlich traurig den billigen Tand zurück. Es schien gespielt. Sie wollte sicher den Preis drücken.

      Aus einer Laune heraus, beschloss ich, mich an dem Spiel zu beteiligen und fragte ich den Händler kess das Verkaufsgespräch unterbrechend: „Was kostet der?“

      „Einen Dollar!“

      „Ich dachte die Hälfte und das ist schon viel zu viel!“, mischte sich das junge Mädchen erbost über die plötzliche Preissteigerung ein.

      Der gerissene Kerl warf ihr einen bitterbösen Blick zu. Er wollte sich das gute Geschäft nicht verderben lassen.

      „Verschenk ihn und das Herz der Dame gehört dir!“, pries der Bursche und setzte ein bezauberndes zahnloses Lächeln auf. „Der Ring hat magische Kräfte.“

      Ich schmiss dem betrügerischen Kerl das Geld lachend zu, welches der geschickt in der Luft auffing.

      „Na dann!“

      „Für wen ist das wertvolle Stück? Soll ich das zauberhafte Ding einpacken!“, fragte er eifrig nach.

      Das hübsche Mädchen machte ein trauriges, geradezu entsetztes Gesicht, weil mit meinem Kauf gleichzeitig ihre Hoffnung erstarb, obwohl sie sich den Ring wahrscheinlich niemals geleistet hätte. Der Handel war so schnell und überraschend vor sich gegangen, dass sie nicht reagieren konnte.

      „Für das hübscheste Mädchen an diesem Ort!“, erwiderte ich und reichte den funkelnden Schmuck kurzerhand dem blutjungen Wesen.

      „Ich schenke ihn dir!“

      Ehe die junge Schönheit sich versah, hatte ich ihn der Sprachlosen auf einen ihrer Finger gesteckt. Sie wirkte fast apathisch durch die Überraschung.

      „Passt!“, scherzte ich. Mir fiel dabei auf, dass die Einheimische wohlgeformte Hände hatte. Selbst der leichte Schmutz daran ließ diesen Eindruck nicht schwinden.

      Der Verkäufer war für einen Moment erstarrt, lachte dann schallend und der Übertölpelten fiel glatt der Mund herunter.

      „So etwas erlebt man selten! Das verschlägt selbst einer Hexe die Sprache“, genoss der Händler den Augenblick. Die anderen Menschen blickten inzwischen neugierig zu uns herüber. Zu gern hätten sie gewusst, was da vor sich ging.

      Die Schöne lief puterrot an, vermochte kein Wort hervorzubringen und sah mich verschämt an. Damit hatte das feenhafte Ding sicher nicht gerechnet. Sie wirkte von einer auf die andere Sekunde verwandelt, so als entfaltete der Reif tatsächlich eine magische Wirkung. Himmelten mich ihre Augen an?

      Ehe sie jedoch etwas hervorbrachte und den Spaß zerstörte, wandte ich mich gutgelaunt ab und ging zu den Pferdewagen. Autos gab es hier offenbar noch nicht.

      Die Abwechslung war lustig gewesen. Die Kleine hatte nun sicher wochenlang etwas zu erzählen. Wann erlebte es hier ein junges Mädchen schon, dass ein Zug aus New York hielt, ein reicher junger Mann ausstieg und ihr sofort einen goldenen Reif schenkte.

      Ein bärtiger alter Kutscher, der an der Station seine Fahrdienste anbot, nahm mich