J.L. Stone

Sieben Schwestern - Seranas Rache


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wie wild an meinen Fesseln. »Das könnt ihr doch nicht machen. Meine Familie und meine Freunde werden mich mit Sicherheit vermissen und nach mir suchen – von den Hexen vom Wolf-Clan mal ganz abgesehen.«

      »Und wenn schon«, tat Tarid den Einwand mit einem Lächeln ab. »Was kümmert es uns? Hier findet dich sowieso niemand.«

      »Aber ich muss zurück, sonst verliere ich meinen Job«, fügte ich hinzu, obwohl ich wusste, dass das ein lahmes Argument war.

      »Was geht das uns an?« wunderte sich Viktor und schaute mich an, als wäre ich nur irgendein lästiges Insekt.

      »Verdammt, es ist mein Leben, das ihr hier ruiniert«, schrie ich außer mir.

      »Na und?« , schmunzelte Tarid sardonisch.

      »Hauptsache ist doch, dass du uns nicht mehr in die Quere kommst«, fuhr sie fort. »Und da wir noch immer nicht wissen, warum der Wolf-Clan dich so vehement beschützt, zählt das für uns am meisten.«

      »Immerhin bleibst du dabei am Leben«, höhnte Viktor.

      »Scheiße!« brüllte ich und warf mich gegen die unsichtbaren Bänder.

      Doch so sehr ich auch tobte, sie gaben keinen Millimeter nach.

      »Klasse Show!« drang da Nathalies sanfte Stimme in meine aufgewühlten Gedanken.

      Ich musste mich zwingen, um nicht auch noch sie mit meiner ganzen Wut anzuschreien. Für mich war das schlechthin keine Show!

      Hier ging es um mein Leben! Verdammt nochmal!

      Gekränkt warf ich mich weiter gegen die Fesseln. Doch das brachte rein gar nichts. Nur dass sich diese verdammten Bänder noch stärker in das Fleisch meiner Arme schnitten.

      »Und jetzt tu so, als ob du erschöpft aufgibst«, forderte Nathalie mich dann auf.

      »Das reicht!« donnerte da Viktor, dass die Wände vibrierten. »Du kannst diese Fesseln nicht zerreißen.«

      »Okay, okay«, gab ich scheinbar nach und hob abwehrend die Hände.

      »Schließe jetzt deine Augen!« kam die nächste Aufforderung von Nathalie. »Und sobald ich dir das Kommando gebe, rennst du los, als ob der Teufel persönlich hinter dir her wäre.«

      Als wenn der nicht schon längst in der Person von Tarid und Viktor vor mir stünde.

      Seufzend schloss ich die Augen. Gerade noch rechtzeitig. Denn nur Sekundenbruchteile später durch-drang ein greller Lichtblitz meine Lider. Ich wäre auf der Stelle erblindet, wenn ich Nathalies Anweisung nicht befolgt hätte.

      Tarid und Viktor dagegen schrien gequält auf. Gleichzeitig spürte ich, wie die Fesseln sie lösten und von mir abfielen.

      2 – Falkenjagd

      »Jetzt!« schrie Nathalie.

      Doch ich brauchte ihre Aufforderung nicht mehr, denn ich war schon aufgesprungen und stürmte aus der Hütte.

      »Nach links!« ordnete Nathalie an.

      Ohne zu Zögern folgte ich ihrer Vorgabe – und dann nahm ich die Beine in die Hand. Ich wollte auf keinen Fall in einem dieser Stasisfelder enden.

      Ich hatte schon einige Meter zurückgelegt, da wurde es hinter mir plötzlich sehr laut, als Tarid und Viktor die Verfolgung aufnahmen. Es klang ganz so, als ob sie die Hütte in ihre Einzelteile zerlegen würden.

      »Schneller! Schneller!«

      Ich ersparte mir eine geharnischte Antwort und verdoppelte vielmehr meine Anstrengungen, stürmte wie wild durch den düsteren Wald. Meinen gestrigen Vorsatz, heute auf jede sportliche Aktivität zu verzichten, konnte ich damit in den Wind schießen.

      Dabei achtete ich eigentlich nicht darauf, wie viele Zweige und Äste auf mich ein prügelten. Es war mir komplett egal. Hauptsache, ich entkam diesen beiden durchgeknallten Psychopathen.

      »Du musst ein Versteck für uns finden«, verlangte Nathalie ungeduldig, während ich mir die Lunge aus dem Leib keuchte.

      Doch das war leichter gesagt als getan. Im dem Zwielicht, das hier herrschte, konnte ich kaum etwas erkennen, zumal bei dem hohen Tempo, mit dem ich durch das Unterholz brach. Und schon verfing sich mein linker Fuß in einer abstehenden Wurzel.

      Mit einem gequälten Aufschrei stürzte ich vornüber in ein dichtes Gebüsch, durchbrach es mit lautem Krachen und fiel Saltos schlagend einen kurzen, aber steilen Abhang hinunter. Mit einem gehörigen Platschen landete ich in eiskaltem Wasser. Ein nicht allzu breiter Bach hatte hier sein Bett in den Waldboden gegraben.

      Prustend sprang ich wieder auf die Beine und sprintete weiter den Bachlauf entlang. Kurz darauf bemerkte ich im letzten Moment den finsteren Überhang rechts von mir. Mit einem mächtigen Satz hechtete ich die steile Böschung hinauf und drückte mich in die pechschwarze Kuhle, die sich darunter befand.

      »Versteck!« keuchte ich mühsam um Atem ringend.

      »Sehr gut!« lobte mich Nathalie.

      Mit einem Mal kribbelte es an meinem ganzen Körper, als wenn tausend Ameisen über die Haut krabbeln würden, während ich weit entfernt das Bersten von Zweigen hören konnte. Tarid und Viktor pflügten ohne Rücksicht durchs dichte Unterholz. Immer unerträglicher wurde dieses Kitzeln und Kribbeln. Es war, als ob ein schwacher Strom durch mich hindurch fließen würde, der sich immer mehr steigerte.

      »Was machst du?« kicherte ich leise.

      Doch ich bekam keine Antwort. Stattdessen bemerkte ich, wie eine dunkle Gestalt vor mir aus dem Boden wuchs, immer größer wurde und entfernt meine Statur annahm. Völlig unerwartet sprang die seltsame Erscheinung zurück in den Bach, preschte ohne inne zu halten los und verschwand aus meiner Sicht.

      »Was war das?« flüsterte ich.

      »Psst!« machte Nathalie ungehalten.

      Trotzdem hörte ich ihr an, wie erschöpft sie war.

      »Ich erkläre es dir später«, fuhr sie fort. »Jetzt mach dich so klein wie du kannst, schließe deine Augen, halte die Luft an und bewege dich keinen Millimeter.«

      Ohne zu überlegen, tat ich wie geheißen. Kurze Zeit später konnte ich hören, wie unsere Verfolger mit stampfenden Schritten im Bachbett an unserem Versteck vorbei rannten.

      Unwillkürlich duckte ich mich noch tiefer in die flache Kuhle und hoffte inständig, dass ich mit der Dunkelheit verschmolz und diese mich vollständig verbarg. Angestrengt lauschte ich den sich rasch entfernenden Geräuschen.

      Hinterher konnte ich nicht mehr sagen, wie lange ich mucksmäuschenstill so dagelegen hatte, aber irgendwann drohten mir die Lungen zu bersten und ich musste gierig nach Luft schnappen. Tief sog ich die würzige Waldluft ein.

      »Soweit so gut«, ließ sich Nathalie vernehmen. »Fürs erste hätten wir sie abgeschüttelt.«

      »Das hast du echt klasse gemacht«, flüsterte ich. »Danke!«

      »Bedanke dich erst bei mir, wenn wir aus dem Refugium heraus sind«, wehrte Nathalie ab. »Noch haben wir es nicht geschafft.«

      »Wie geht es jetzt weiter?« wollte ich wissen, denn ich wollte nicht noch länger hier untätig herum liegen und auf die Rückkehr von Tarid warten.

      »Jetzt zeichne einen Kreis um dich herum«, verlangte Nathalie. »Den musst du dann noch mit verschiedenen Symbolen versehen.«

      Das kam mir bekannt vor.

      »Verwandeln wir uns etwa?«

      »Ja.«

      »Und in was?«

      »Lass dich überraschen. Und nun mach. Wir haben nicht ewig Zeit.«

      »Na gut«, seufzte ich und kniete mich hin. »Warum kannst du das nicht selber machen?«

      »Weil ich mich dann