Ich hatte es für einige Zeit ausgeblendet, aber jetzt erinnere ich mich wieder genau an die wenigen Minuten, die wir fast Stoßstange an Stoßstange zurücklegten, während wir mit hundertachtzig Sachen über die Autobahn brausten. Eine flammende atavistische Wut raste durch meinen Körper, und ich fühlte mich wie mit flüssigem Feuer gefüllt. Ich trat aufs Gas wie eine Besessene und hätte Taubnessel gerammt, wenn ich es nur gekonnt hätte, ich wollte sie rammen, ihr das Hirn aus dem Schädel rammen, mein Herz schrie nach Rache, nach Blut, und ein roter Nebel senkte sich über meine Augen, während ich ein rasselndes Fauchen ausstieß wie ein tollwütiges Raubtier…
Nur die Tatsache, dass die linke Spur vor Taubnessel plötzlich frei wurde, und sie davonraste, rettete sie und mich vor dem Zusammenstoß, auf den ich es mit jeder Faser meiner Seele angelegt hatte. Dies und das plötzlich einsetzende Schneegestöber, das den blutigen Nebel vor meinen Augen lichtete und mich wieder halbwegs zur Besinnung kommen ließ.
Mit dem Artikel über Karla in der Hand ging ich zum Fenster und zog beide Flügel weit auf. Die hereinströmende eiskalte Winterluft kühlte den glühenden Hass, den ich für einige Minuten erneut empfunden hatte. Ich ließ mich in einen Sessel sinken, hob die Zeitschrift vors Gesicht und las den Text unter dem scheußlichen Foto. Taubnessels Mann war im Begriff, sich von ihr scheiden zu lassen, um Mara Yesudian zu heiraten, was man ihm nicht verdenken konnte, denn Mara war achtundzwanzig Jahre jünger als Taubenuss und entschieden hübscher. Möglicherweise hatte sie sogar einen besseren Charakter, obwohl der diebische Martin das eigentlich nicht verdiente.
Ich blickte auf die dicht herabrieselnden Schneeflocken, die durch die sperrangelweit offenstehenden Fenster ins Zimmer trudelten. Das warme Licht der Stehlampe warf eine goldene Lichtinsel auf die Schneedecke des Gartens.
Tja, du bist eine Nachricht von gestern, Taubenuss.
Ich glaube, ich werde dir ein signiertes Exemplar meines Romans Archaische Rhapsodie schicken. Für Karla Taubnessel, mit freundlichen Genesungswünschen von Siri Hertog. Du wirst darin viele Texte finden, die dir von der gestohlenen Festplatte her bestens bekannt sind. Ich vermarkte meine Inhalte jetzt wieder selbst, Taubnessel. Archaische Rhapsodie wird dir die Zeit vertreiben. Mehr bleibt dir ohnehin nicht mehr, denn wir wissen beide, dass Querschnittslähmung beim derzeitigen Stand der Medizin nicht heilbar ist. Du kannst eine Schwester bitten, dir eine Lesevorrichtung an deinen Rollstuhl zu montieren, falls du das nicht schon getan hast. Ich hoffe doch sehr, dass du noch lesen kannst, Taubenuss. Aber nach dem, was die Yellow Press schreibt, bist du geistig noch absolut klar, wenn auch immer sehr rasch entkräftet.
Nun, Taubnessel, ich würde sagen: Gott hat mich gerächt.
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