Jonah Zorn

Menschlich


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gekommen, dass dieser Vorfall merkwürdig war – Begegnung, war Ruby gerade dabei ihren Haustürschlüssel heraus zu kramen, den sie sich um den Hals gehangen hatte. Sie bog in diesem Moment in die Straße ein, in der ihr neues Haus lag, als sie beim Aufsehen plötzlich bemerkte, dass Lauren schnurstracks von ihrem Grundstück stapfte. Ohne lange darüber nachzudenken, rief Ruby ihren Namen um sie aufzuhalten, doch das Mädchen tat so als ob sie sie nicht gehört hatte sondern ihre Schritte wurden nur noch eiliger.

      „Lauren warte!“ Rief Ruby noch einmal und entschloss sich dazu ihrem Schützling hinterher zu laufen. Anstatt aber stehen zu bleiben tat sie als ob sie Ruby gar nicht bemerkt hatte und rannte mit einem Mal los, um die Ecke herum.

      „Gott, verdammt.“ Knurrte Ruby und erhöhte ihr Tempo, wobei sie den Schlüssel mit einem kräftigen Griff umklammerte. Doch ihre Mühen waren umsonst, da Lauren genau in dem Moment, als sie um die Ecke bog, in einen Bus stieg.

      Verwirrt und zugleich verärgert blieb sie stehen und warf die Hände in die Luft. „Diese verzogene Göre.“ Brachte sie zischend zwischen den Zähnen hervor und machte sich fluchend auf den Rückweg.

      Sie hatte schon häufig solche Abgänge von Lauren mitbekommen, ohne Frage. Dennoch hatte sie gehofft, dass die gestrige Vorstellung möglicherweise etwas geändert hatte. Fehlgedanke. Oder aber, es war wieder einmal eine Schau gewesen. Dieses Kind war nämlich verdammt gut in ihrem Fach, der Schauspielerei; sie konnte Ruby an der Nase herumführen wie einen treudoofen Hund, wenn sie wollte. Und jedes Mal wieder fiel sie darauf rein.

      Trotzdem was war diesmal der Auslöser, fragte Ruby sich, während sie die Tür aufschloss und eintrat. Weil sie nicht Bescheid gesagt hatte, wo sie war? Das wäre zu oberflächlich, auch wenn Lauren ziemlich sensibel sein mochte. Vermutlich steckte da etwas dahinter, wovor sie sich selber fürchtete, weswegen sie sich selber schon den Kopf zerbrochen hatte, was bedeutete, dass sie schon wieder etwas völlig versiebt hatte. Das hätte sie sich eigentlich auch schon vorher denken können, irgendwann musste Lauren es erfahren.

      „Scheiße!“ Schnauzte sie sich selber an, als sie schon den Beweis für ihre richtige Vermutung auf dem Küchentisch sah. Die dicke Sonntagszeitung lag auf dem Küchentisch und natürlich mit der einzig wahren Schlagzeile: ‚Skrupelloser Mord an junger Frau!’. Lauren musste den Artikel gelesen haben und welche Gedanken sie dabei hatte konnte Ruby nicht einmal in ihren kühnsten Träumen erahnen. Sie war gerade mal fünfzehn. Das Schicksal hatte schon zu viel mit ihrem Leben gespielt. Sie war gut mit Charlotte befreundet und dann der Mord an Mia-Sophie.

      Ruby fasste sich an den Kopf und wollte den Gedanken, dass sie vielleicht doch einfach überfordert war, loswerden, worauf sie begann zu lesen. Der Nachricht des Tages, der Woche, der Stadt so wurde der grausame Mord an Mia-Sophie dargestellt.

       Diese Spinner von der lokalen Zeitung.

      Der Artikel enthielt einige an Informationen und da er beinahe die ganze Titelseite umfasste waren es nicht unbedingt wenige. Am Anfang ging es vor allem um das Allgemeine. Sie fragte sich, woher die Autoren so viele Informationen über Mia hatten. Danach griffen sie die Fakten auf, die sie vermutlich am Tatort aufgenommen hatten und die die Polizei freigegeben hatte, und am Ende natürlich die völlig banalen Spekulationen und davon betroffen die Organisation der ‚Young Adults’. Es hieß, dass die Organisation in kriminelle Machenschaften verwickelt war und die Gläubiger nun kurzen Prozess machten.

      Absoluter Schwachsinn dachte sich Ruby und wandte sich geladen ab, so ein absoluter Schwachsinn! Das war doch nur Verrücktmacherei und Zerstörungswut. Was sollte das?

      Zähneknirschend nahm sie die Zeitung und pfefferte sie wutentbrannt in das Altpapier. Auf dem Weg zur Dusche konnte sie Laurens Reaktion jetzt nur zu gut nachvollziehen. Nicht nur, dass der Tod an einer jungen, lebendigen, lebenslustigen, Frau, die es nicht verdient hatte so zu sterben, in den Dreck gezogen wurde von diesen Heuchlern, nein jetzt zogen sie auch noch ein ansehnliches Projekt in den Dreck, dass noch in der Aufbauphase war und jetzt in Gefahr war.

      Kapitel 14

      Kommissar Jonas Drewes hatte seinen freien Tag damit verbracht die letzten vierundzwanzig Stunden des Opfers in Freiheit nachzuvollziehen. Dies war eine der besten Möglichkeiten etwas herauszufinden, auch wenn es in diesem Fall schon einige Tage zurücklag und die Chance, dass sich Zeugen an Kleinigkeiten erinnerten, geringer war. Dennoch hatte er es am Ende geschafft und konnte an diesem Montagmorgen ein paar Ergebnisse liefern.

      „Hey Partner, wie war dein freier Tag?“

      Brigitte sah nur kurz von ihren Unterlagen auf. „Freier Tag? Willst du mich verarschen, ich habe den ganzen Tag Wäsche gewaschen, Rechnungen bezahlt und mich gezwungen mein Fitnessprogramm aufrechtzuerhalten. Und mich natürlich über diese Presseheinis aufgeregt.“

      „Wieso tust du dir auch so was an.“ Meinte er grinsend und setzte sich an seinen eigenen Schreibtisch, direkt gegenüber ihrem.

      „Es war wirklich dringend das alles zu erledigen und da ich in der Woche keine Zeit dazu habe, muss ich es eben an meinem freien Tag machen.“ Den freien Tag hatte sie in Anführungszeichen gesetzt und hatte dabei ihren typisch kritischen Blick aufgesetzt. Amüsiert übergab Jonas ihr seine Ergebnisse. „Ich habe meinen Sonntag auch für die Arbeit benutzt und die letzten vierundzwanzig Stunden unseres Opfer rekonstruiert.“

      „Braver Junge!“ Witzelte seine Partnerin und begann sofort damit seine Resultate zu überfliegen. Die Tote arbeitete halbtags als Bankangestellte in einer Bank mitten in der Innenstadt. Am Tag ihres Verschwindens war sie wie immer die fünf Stunden von sieben Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags anwesend. Danach war sie, nach Aussage ihrer Kollegin, zusammen mit ihr beim Mittagessen im nahgelegenen Restaurant. Nachdem sie, bewiesen anhand der Behauptungen zweier Nachbarn, ein paar Stunden zuhause verbracht hatte, war sie ungefähr gegen vier Uhr mit ihrem Schützling zum Kino verabredet. Hiernach war sein Bericht im Groben und Ganzen zu Ende.

      Als ob Jonas ihre Gedanken lesen konnte, meinte er. „Die Tatsache mit dem Kino, weiß ich von einer Freundin von der Kleinen. Mit Charlotte selber konnte ich nicht sprechen, ich wurde nicht ins Haus gelassen.“

      „Das trifft sich gut…“ Begann Brigitte und nahm einen Schluck Kaffee, ohne den sie am frühen Morgen nicht zu recht käme. „…dann können wir bei ihr ansetzen. Möglicherweise war sie wirklich die Letzte, die unser Opfer gesehen hat. Zudem könnte sie ein wichtiger Drehpunkt in der Geschichte sein, schließlich ist sie Mia-Sophies Schützling.“

      „Bei der Gelegenheit bietet es sich an, auch direkt die Familie Langen unter die Lupe zu nehmen.“

      „Das ist der Plan.“ Verkündete seine Partnerin und richtete sich streckend und gähnend auf.

      „Und was hast du da auf dem Tisch?“ Er deutete auf eine Mappe, die sie beim Aufstehen automatisch zugeschlagen hatte.

      „Ach ja genau, das ist der Bericht von William. Auch er hat wohl den Sonntag durchgearbeitet.“

      „Im Gegensatz zu anderen, was?“ Necke Jonas seine Partnerin, die anscheinend ganz akzeptable Laune hatte und somit nur die Augen verdrehte.

      „Das Todesopfer weist mehrere Stichwunden und Schnittwunden auf, manche waren noch vom Fundtag, andere von den drei vorherigen Tagen. Außerdem zeigen die vielen Blutergüsse, die über ihren ganzen Körper verteilt sind, dass sie geschlagen wurde. Es gibt eine Platzwunde an ihrem Hinterkopf, die ihr mit einem stumpfen Gegenstand am Tage ihres Verschwindens zugefügt wurde.“

      „Dann ist sie überrascht worden, niedergeschlagen worden und verschleppt worden.“

      „Ja und danach begannen die Stunden der Folterung, denn sie hat nach Aumanns Untersuchungen auch keine Nahrung erhalten und nur sehr wenig Trinkwasser.“

      Jonas Mund bildete mit einem Mal ein ‚O’, als er die Todesursache sah. „Sie ist an einer allergischen Reaktion gestorben?“

      „Interessant, nicht wahr?“

      „Das kannst du laut sagen, dann hat der Mörder sie ja im Grunde nicht