Konstitution äußerst schwer gefallen.
Als wir in unserer Wohnung waren, war ich zusammengebrochen, weil ich keine Kraft mehr in den Beinen hatte. Rudi war so geschockt, dass er mich sofort zum Auto trug und mit mir zur Tierklinik nach Zehlendorf fuhr, um mich untersuchen zu lassen. Nach mehreren Stunden lag die erschütternde Diagnose vor. Der Vorschlag der Ärzte war, mich sofort einschläfern zu lassen, weil ich wegen eines bösartigen Tumors dunkles Blut im Herzbeutel eingelagert hatte. Der Tumor blutete ununterbrochen weiter, deswegen drückte das Blut im Herzbeutel aufs Herz. Dieser Umstand führte zu einer Schwächung der Herzleistung und damit zur Wassereinlagerung im gesamten Körper. Das dunkle Blut wurde mittels einer Punktierung in den Herzbeutel (ein gewagter Eingriff in der Tiermedizin) abgesaugt. Der Eingriff brachte mir kurzzeitig ein wenig Erleichterung, weil mein Herz wieder besser schlagen konnte und das im Körper eingelagerte Wasser abgebaut wurde. Nach Auffassung der Tierärzte wird sich das Blut aber nach ein paar Tagen wieder im Herzbeutel ansammeln. Als Folge wird mein Herz erneut zusammengedrückt werden, sodass die Herzleistung wieder geschwächt und Wasser einlagert wird. Die Veterinäre gaben mir eine maximale Lebenserwartung von höchstens einer Woche. Nach ihrer Auffassung werde ich danach jämmerlich am eingelagerten Wasser ersticken oder ein Organversagen bekommen. Rudi war durch die Diagnose so geschockt, dass er mich sofort vom OP-Tisch gehoben und furchtbar weinend zum Auto getragen hatte. Nachdem er die hohe Rechnung in der Tierklinik bezahlt hatte, fuhren wir nach Hause. Dort angekommen trug er mich die Treppen hinauf, obwohl ich mit meinen 42 Kilogramm inklusive der Wassereinlagerungen nicht gerade leicht bin.
Jetzt liege ich schlaff auf meiner Hundedecke und starre apathisch mit einem gläsernen Blick die Wand an. Rudi ist vollkommen mit den Nerven herunter und leidet mit mir, weil er mir nicht mehr helfen kann. Die Punktierung hat den Druck auf mein Herz vorläufig gelindert, aber ich spüre, dass mein Ende trotzdem naht. Da ich keine Kraft mehr in den Beinen habe, trägt mich Rudi die Treppen herunter, damit ich vor der Haustür mein Geschäft machen kann. Nachdem wir zurück in der Wohnung sind, legt er mich fürsorglich auf die Hundedecke. Es geht mir so schlecht, wie noch niemals zuvor in meinem Leben. Erschöpft schlafe ich ein und in meinen Träumen läuft nochmal mein ganzes Leben wie in einem Film ab. Zwischendurch werde ich manchmal wach, schaue mit trüben Augen nach Rudi, doch ich falle gleich wieder in eine Art Trancezustand, der vermutlich die Grenze zwischen Tod und Leben markiert.
2. Kapitel (1998)
Meine Mutter ist eine ausgemergelte, weiße Kuvasz-Hündin mit großen Zitzen am Bauch. Ich habe 4 Schwestern und 4 Brüder, mit denen ich mich täglich um die Milchrationen schlagen muss, allerdings bin ich dabei meistens erfolgreich. Meinen Vater kenne ich nicht, weil er sich gleich nach dem vergnüglichen Zeugungsakt aus dem Staub gemacht hatte. Ich bin jetzt gerademal 8 Wochen alt und habe von den Mädchen den dicksten Kopf sowie das größte Gewicht. Vermutlich werde ich deswegen später mal eine dominante Alpha-Hündin.
Als meine Geschwister und ich wieder mal eine wilde Spielphase haben, die unsere arme Mutter häufig ziemlich nervt, tauchen plötzlich zwei fremde Menschen auf. Sie schauen zusammen mit unseren Bezugspersonen interessiert in die Wurfkiste. Wir leben auf einem heruntergekommenen Bauernhof im Süden von Ungarn, dicht am Fluss „Tisza“. Unsere Halter sind arme Bauern, die mit Hundezucht und -verkäufen versuchen, ihre schlechte finanzielle Situation etwas aufzubessern.
Die fremde Frau greift nach mir, zieht mich aus der Wurfkiste und drückt mich ungefragt an ihre riesige Brust. Sofort rieche ich an ihrem Körper und versuche mir ihr Geruchsbild einzuprägen. Wenig später reicht sie mich weiter an den fremden Mann, bei dem ich auch spontan eine Geruchsprobe nehme. Beide Fremde riechen ganz sympathisch und sind sehr freundlich mit mir. Sie streicheln mich zärtlich über mein weißes Fell, dabei versuche ich mit meinen Milchzähnen in ihre Finger zu beißen. Die Frau greift erneut nach mir und holt mich von ihrem Begleiter herunter. Sie jauchzt vor Begeisterung, als sie mich an ihr Brustbein drückt, sodass ich fast keine Luft mehr bekomme.
Nachdem mich die fremde Frau vorsichtig zurück in die Wurfkiste gesetzt hat, verschwinden die Unbekannten mit unseren Bezugspersonen im Haus. Wenig später tauchen sie wieder auf. Die fremde Frau greift schon wieder nach mir, hebt mich hoch und steckt mich in ihre Bluse. Sie verabschieden sich höflich von den Bauern, laufen mit mir zu ihrem Auto, steigen ein und fahren davon. Bisher habe ich in meinen Leben noch niemals in einem Auto gesessen, deswegen sind für mich die Geräusche sehr gewöhnungsbedürftig. Leider konnte ich mich weder von meiner Mutter noch von meinen Geschwistern verabschieden. Wie rücksichtslos und wenig einfühlsam Menschen doch sein können!
Nach einer relativ kurzen Fahrt halten wir in einem kleinen Dorf. Die beiden Fremden verlassen das Auto und betreten eine Wohnung über einen separaten Hauseingang. Die Frau holt mich aus ihrer Bluse und setzt mich auf den Boden. Etwas verunsichert erkunde ich das unbekannte Terrain. Vermutlich ist es das Feriendomizil der beiden Menschen. Die Frau stellt mir einen Wassernapf und wenig später einen Teller mit einem seltsamen Welpenbrei einschließlich Brot vor die Nase. Dieser Brei schmeckt wirklich absolut scheußlich. Da war die Milch unserer Mutter viel besser, als dieses furchtbare Zeug. Beide Menschen setzen sich neben mich auf den Boden und beobachten mich fasziniert.
„Ich bin Rudi und das ist meine Freundin Franzi“, sagt der Mann zu mir und deutet auf seine Begleiterin.
Komischerweise habe ich jedes Wort verstanden, ohne dass die beiden Menschen es bemerkt haben. Als Antwort belle ich dreimal in einer hohen Tonlage und schaue Rudi dabei in die Augen. Er streichelt mir zärtlich übern Kopf und betrachtet mich. Nachdem ich mich auf den Rücken gerollt habe, streichelt er auch noch meinen Bauch. Was für ein angenehmes Gefühl! Scheinbar findet mich dieser Typ ganz toll! Er ist schlank, relativ groß und hat braune Haare mit ein paar grauen Strähnen. Sein Alter schätze ich auf Mitte Dreißig.
„Du bist ja eine Süße“, meint Franzi entzückt zu mir.
Auch ihre Worte habe ich problemlos vollständig verstanden. Plötzlich küsst sie heftig meinen dicken Kopf, sodass ich dadurch platt auf den Boden gedrückt werde. Franzi ist eine schöne, aber etwas herbe Frau. Sie hat dunkle, lange Haare, ein schmales Gesicht und eine schlanke Figur. Sie sieht aus wie eine schöne Italienerin, trotz ihrer stattlichen Größe. Ihr Alter schätze ich auf Anfang Dreißig. Vermutlich hat sie wegen ihrer rasanten Erscheinung eine Menge Verehrer. Aber vielleicht täusche ich mich auch mit meiner Vermutung.
Nachdem ich meinen Brei verspeist habe, lege ich mich in eine geschützte Ecke und falle sofort in einen tiefen Schlaf. Als ich wieder wach werde, sehe ich gepackte Reisetaschen neben mir stehen. Franzi legt mir vorsichtig ein Welpen-Halsband an, befestigt daran eine dünne Leine und geht mit mir vorsichtig vor die Tür. Das Halsband ist für mich sehr gewöhnungsbedürftig, weil ich bisher so etwas noch niemals in meinem kurzen Leben getragen habe. Was für eine schreckliche Erfindung der Menschen, um mich zum Laufen zu zwingen! Etwas störrisch und starrsinnig laufe ich mit Franzi mit. Jedesmal, wenn die Leine straff ist, geht ein heftiger Ruck durch meinen Körper. Auf der Straße laufe ich unkontrolliert an der Leine hin und her. Wie schön wäre es doch, ohne dieses blöde Gerät zu laufen! Wegen der Bewegung spüre ich plötzlich einen unangenehmen Druck in meinem Enddarm, deswegen erleichtere ich mich auf einer Rasenfläche. Allerdings ist mein Stuhlgang noch sehr bescheiden, weil ich noch ein Welpe bin. Die beiden Menschen werde ich bestimmt noch in die Verzweiflung treiben, denn ich pinkele und kacke überall hin, weil ich noch nicht stubenrein bin.
Franzi steckt mich nach dem Spaziergang wieder in ihre Bluse und geht zurück ins Haus. Schnell packen Rudi und Franzi ihre restlichen Sachen ein und schleppen das Gepäck zum Auto. Nachdem alles seinen Platz gefunden hat, steigen sie ein und fahren los. Rudi sitzt am Steuer und schaut häufig zu mir herüber. Die Fahrt dauert sehr lange und führt durch eine für mich fremde Welt. Ich weiß nicht, wie viele Grenzen wir passiert haben. Auf der gesamten Reise befinde ich mich an Franzis Brust. Dort ist es so wunderbar warm und gemütlich. Manchmal stoppen wir, um kurze Rast- und Pinkel-Pausen einzulegen. Jedesmal holt mich dann Franzi aus ihrer Bluse und setzt mich auf verschmutzte Rasenflächen, damit ich mein Geschäft machen kann.
3.