Martin Danders

Der mit dem Wolf heult


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      Dieses Stichwort beflügelt Peter einen neuen Joint zu bauen. Rudi setzt mich auf den Boden und sagt zu Franzi: „Lass uns noch ein bisschen laufen!“ Sie antwortet: „O.K., machen wir!“ Wenig später erheben sie sich von ihren Stühlen und laufen den kleinen Mittelweg auf dem Grundstück zurück zum Hintereingang. Hocherfreut folge ich ihnen, weil ich Spaziergänge toll finde, fast so gut wie Fressen und Schlafen.

      Gleich hinter dem Bauernhof beginnt ein kleiner Feldweg, den wir für unsere Wanderung nutzen. Links und rechts sind große Getreidefelder, die kein Ende zu haben scheinen. Wie eine Verrückte flitze ich hin und her und freue mich des Lebens. Überall sind duftende Blumen, Schmetterlinge flattern durch die Luft, manchmal fliegen Bienen an meinem Kopf vorbei. An einem Pferdekegel stoppe ich und bestaune das seltsame Ding, weil ich so etwas so niemals gesehen habe. Da der Geruch äußerst interessant ist, beiße ich hinein und fresse etwas davon. Es schmeckt wunderbar!

      „Du sollst keine Pferde-Scheiße fressen“, sagt Franzi streng. Rudi verteidigt mich: „Pferdeäpfel sind doch nicht so schlimm! Macht nichts, wenn sie so etwas frisst.“ „Mein Hund soll aber keine Scheiße fressen“, meint sie grimmig. „Wenn es Menschen-Scheiße wäre, wäre es schlimmer“, antwortet er. „Ihhh, du bist ja furchtbar!“ antwortet sie und verzerrt angeekelt ihr Gesicht.

      Das Verzehren von Pferdekegeln finde ich überhaupt nicht verwerflich, außerdem ist es für meine Verdauung förderlich. Menschen-Kacke schmeckt ausgezeichnet, die enthält sogar für Hunde wichtige Mineralien. An Hunde-Scheiße rieche ich nur, um die Marke abzuchecken, aber die fresse ich nicht. Wieso sich die Menschen bei diesem Thema so pikiert anstellen, verstehe ich nicht. Nachdem wir ein Stück gelaufen sind, erreichen wir einen großen See, an dem ein paar Angler sitzen. Neugierig renne ich zur Uferkante, aber plötzlich gibt das Gras nach, sodass ich ungebremst ins Wasser stürze. Niemals zuvor war ich in meinem kurzen Leben im tiefen Wasser, aber ich gehe nicht unter und schwimme zu einer geeigneten Stelle, um wieder an Land zu kommen. Franzi kreischt hysterisch, während Rudi relativ entspannt dem Treiben zusieht. Als ich einen kleinen Sandstrand ohne Schilf erreiche, steige ich aus dem Wasser und schüttele das Wasser aus meinem Fell. Eilig kommt Franzi zu mir und nimmt mich vorsichtshalber auf den Arm. Ich bin eben doch ihr Baby!

      „Du machst wirklich nur Blödsinn! Auf dich muss man ständig aufpassen“, schimpft Franzi. Rudi bemerkt: „Tisza kann tatsächlich schwimmen! Hättest du das gedacht?“ „Jedes Tier kann schwimmen, auch unsere Tisza“, antwortet sie fast ein wenig stolz auf mich.

      Nachdem mich Franzi wieder auf den Boden gesetzt hat, laufen wir den Feldweg weiter. Vor uns taucht eine große eingezäunte Weide mit vielen Kühen auf. Als wir dichter an den Tieren sind, senken diese ihre Köpfe, um mir zu drohen. Mutig belle ich sie an, denn vor solchen dummen Viechern habe ich doch keine Angst. Als die Kühe auf der anderen Zaunseite uns immer näher kommen, rege ich mich furchtbar auf und verstärke mein Bellen. Gleichzeitig springe ich vor und zurück, um diese Ungeheuer zu beeindrucken. Leider tangiert sie mein Verhalten wenig. Dummerweise berühre ich beim Springen mit meiner Nase kurz den Drahtzaun, sodass ich, wie vom Blitz getroffen, zusammenzucke. Der Schmerz war so furchtbar, dass ich jämmerlich jaule wie noch nie zuvor. Was war das? Ich verstehe die Welt nicht mehr!

      „Tisza, du hast den Elektrozaun mit deiner feuchten Nase berührt und einen Schlag bekommen“, erklärt Rudi und untersucht kurz mein Riechorgan, ohne etwas Auffälliges festzustellen. Franzi sagt genervt: „Auch das noch, ein Unglück kommt selten allein! Wie kann man nur so dämlich sein.“ „Es wird ihr eine Lehre sein. Sie muss eben, wie wir auch, noch ihre Erfahrungen im Leben machen. Selbst so ein Hundeleben ist verdammt hart“, meint er.

      Rudi streichelt meinen Kopf, um mich zu trösten. Nachdem mich Franzi erneut auf den Arm genommen hat, laufen wir den Weg zurück zum Grundstück, passieren den Hintereingang und gehen zum Bus. Rudi öffnet die Schiebetür und legt sich aufs ausgefahrene Bett. Franzi schließt die Tür, setzt mich auf den Autoboden und legt sich danach zu Rudi. Sofort rolle ich mich zu einem Kringel zusammen und versuche einzuschlafen, denn ich bin wegen der unglücklichen Geschehnisse ausgesprochen müde. Wenig später höre ich die mir bereits vertrauten Geräusche, zunächst stöhnt Franzi und später auch Rudi. Was spielen sie nur? Jetzt brüllen sie so laut, deswegen plagen mich bereits Albträume. Jedoch schaue ich nicht nach dem Rechten und versuche weiter zu schlafen.

      Am Abend ist die Bus-Schiebetür weit geöffnet, sodass ich ungestört das Umfeld erkunden kann. Franzi und Rudi stellen einen kleinen Campingtisch mit zwei Campingstühlen unter einen Apfelbaum. Rudi holt einen kleinen Grill aus dem Auto und platziert ihn in die Nähe des Campingtisches. Anschließend zieht er eine Tüte mit Holzkohle aus dem Kofferraum, schüttet davon etwas in den Grill und sammelt einige kleine Äste, die er danach darüber legt. Dann entzündet er das Feuer, während Franzi eine Weinflasche mit zwei Gläsern auf den Tisch stellt. Als das Feuer niedergebrannt ist, verteilt Rudi mit einem Stock die glühenden Kohlen und installiert den Gitterrost. Franzi holt aus der Auto-Kühlbox einige wunderbar riechende Steaks, die sie auf den Grill legt. Vielleicht bekomme ich auch ein Steak? Vorsichtig nähere ich mich dem Grill, um den Fleischgeruch richtig zu genießen.

      „Nein, Tisza! Das ist nichts für dich, weil das unsere Steaks sind!“ sagt Franzi bestimmend. Rudi meint zu mir wesentlich hoffnungsvoller: „Nachher kriegst du von mir etwas ab!“

      Ist das nicht gemein? Es riecht so gut, aber ich darf nichts davon fressen! Als wenig später die Steaks durch sind, holt Rudi sie mit einer Gabel vom Grill und legt sie auf zwei Teller. Zuvor hat Franzi auf dem Tisch eine Camping-Kerze gestellt, damit es gemütlicher ist. Erwartungsvoll sitze ich vorm Tisch und schaue hinauf, ob nicht vielleicht doch etwas herunterfällt. Aber leider ist es nicht so! Erst als sie ihre Mahlzeit beendet haben, reicht mir Rudi wie versprochen seinen Teller herunter mit einem kleinen Rindersteakstück. Sofort stürze ich mich darauf und schlinge es rasch herunter. Wer weiß, ob mir nicht doch jemand meine Beute stehlen will. Es hat göttlich geschmeckt!

      „Erst essen immer die Menschen und dann du“, sagt Franzi erbarmungslos zu mir. Rudi bemerkt: „Du bist ja ziemlich streng.“ „Natürlich! Sie muss wissen, wer hier ihre Chefs sind“, antwortet sie.

      Franzi bereitet mir mein Welpen-Futter zu, diesen furchtbaren Brei, der aber besser als gar nichts ist. Am liebsten würde ich wie die Menschen Rindersteaks fressen! Auch an meinen Wassernapf hat sie gedacht und stellt ihn neben den Campingtisch. Nach dem Fressen lege ich mich ins Gras und beobachte das Umfeld, ob uns nicht doch irgendwelche wilden Tiere angreifen. Ich gebe zu, dass ich nicht immer aufmerksam bin, denn manchmal schlafe ich zwischendurch ein. Meine Chefs bemerken meine Unaufmerksamkeit nicht, da sie ihren Wein trinken und mittlerweile äußerst fröhlich sind.

      Am späten Abend gehen die beiden Menschen nochmal in die Büsche, um zu pinkeln. Natürlich mache ich es genauso wie mein Rudel. Außerdem ist es gut, wenn ich hier meine Marken setze, damit jeder meine Anwesenheit mitbekommt. Mittels eines tragbaren Wassertanks putzen sie sich ihre Zähne und waschen sich Gesicht und Hände. Nachdem ich in den Bus gesprungen bin, steigen sie auch ein und schließen die Schiebetür. Sie ziehen sich ihre Kleidung aus und legen sich ins Bett. Leider darf ich nicht bei ihnen schlafen, weil Franzi es verboten hat, deswegen nächtige ich auf dem Autoboden. Der Tag war sehr aufregend für mich.

      5. Kapitel

      Am nächsten Morgen wache ich als erster auf, sofort sind meine Lebensgeister voll da. Übermütig springe ich ins Bett, um zu sehen, ob meine Menschen noch da sind. Glücklicherweise sind sie noch anwesend und schlafen schnaufend nebeneinander. Vorsichtig schiebe ich den Vorhang ein Stück zur Seite und schaue durchs Fenster ins Freie. Als ich eine Katze neben dem Bus durchs Gras schleichen sehe, lasse ich meine typischen Welpen-Piep-Geräusche ab. Wie gerne würde ich jetzt dieser Katze hinterherjagen! Rudi und Franzi liegen unter einer großen, gemeinsamen Decke. Plötzlich taucht ein Fuß außerhalb der Decke auf. Sofort stürze ich mich auf meine Beute und bohre meine Milchzähne hinein. Dummerweise habe ich scheinbar Franzis Fuß erwischt, denn sie schreckt äußerst verärgert hoch.

      „Tisza, du sollst mir nicht