diese Dame bestimmt keinen größeren Betrag bei ihm zu lassen gedachte. Dann wanderte sein Blick weiter auf ihren Begleiter und ein Ruck ging durch seinen gesamten Körper, fast als würde er Haltung annehmen. Auf Anhieb erkannte er eine maßgeschneiderte Hose, wenn er sie vor sich hatte, und auch das Hemd war unverkennbar hochwertig. Demonstrativ hatte der Kunde seinen Arm um seine Freundin gelegt, offenbar hatte er den abschätzenden Blick sofort bemerkt.
Ein wenig verlegen, dass er so offenkundig durchschaut worden war, erkundigte sich der Angestellte mit besonderer Höflichkeit nach den Wünschen seiner Kunden. Erleichtert stellte er daraufhin fest, dass sich der elegant gekleidete Mann wieder entspannt hatte. Er hatte also den richtigen Ton getroffen.
Auf Englisch informierte Rayan den Angestellten, dass sie heute auf eine Hochzeit eingeladen seien und er seiner Freundin - der Verkäufer freute sich innerlich, dass er die Beziehung richtig eingeschätzt hatte - einen angemessenen Schmuck zu kaufen gedenke. In einer internationalen Stadt mit vielen Touristen wie München, war es keine Seltenheit, Englisch zu sprechen und so wechselte der Verkäufer problemlos in ein flüssiges, allerdings mit eindeutig deutschem Akzent versetztes Englisch. Wie bei so vielen anderen Deutschen machte ihm das „th“ zu schaffen.
Auf einmal erstarrte er und blickte wie gebannt auf Rayans Uhr. Als hätte er den goldenen Gral gefunden, begann er über die „Richard Lange Ewiger Kalender“ zu schwärmen, genau, wie Peter es am Vortag schon gemacht hatte. Gelangweilt maulte Carina, die über Ketten und Ohrringe und nicht über Uhren zu sprechen gedachte. Bevor Rayan es diesmal verhindern konnte, erläuterte der Juwelier: „Meine Dame! Diese Uhr ist eine Seltenheit! Es gibt nur einige wenige davon und sie kostet immerhin 180.000 Euro …“
2013 - Rub‘ al Khali: kleine Oase - Gefährlicher Übereifer
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Burt die beiden Reiter an. Damit war er nicht alleine, denn auch die wenigen Bewohner der Oase richteten ihre Aufmerksamkeit auf die zwei Tarmanen, die gerade stolz aufgerichtet dort einritten. Doch im Gegensatz zur freudigen Verehrung der Wüstenbewohner für die beiden Besucher galt das Interesse des Texaners den edlen Pferden. Die feurigen Tiere, die halbwild und trotzdem gut ausgebildet zu sein schienen, begeisterten ihn so sehr, dass er die Männer auf deren Rücken allenfalls mit einem Blick streifte.
Kaum dass die Krieger etwa fünfzig Meter entfernt abgestiegen waren, ging einer von ihren los, um Wasser zu besorgen, der andere machte sich daran, das Lager für die Nacht vorzubereiten. Offenbar ein eingespieltes Team. Wie in Trance ging Burt auf den Mann zu, der sich anschickte, ein kleines Zelt aufzubauen. Die Pferde waren nur etwa zehn Meter entfernt stehen geblieben. Als der Texaner einen kurzen Moment lang anhielt, um nach dem anstrengenden Weg durch den Sand zu Atem zu kommen, beobachtete er voller Faszination, dass es für die Tiere offenbar ein Zeichen war stillzustehen, wenn die Zügel über den Kopf gezogen waren und lose auf den Boden hingen. „Ich muss wissen, wie diese Halbwilden das machen, ohne die Tiere zu brechen.“ In Texas war es oft noch immer gang und gäbe, ein Pferd mit Gewalt zu zwingen, den Menschen zu Diensten zu sein. Dadurch ging jedoch meist der Charakter mit zugrunde. Und dass er es bei den stolzen Wüstenbewohnern nur mit unerzogenen Analphabeten zu tun hatte, war für ihn ohnehin ein Fakt. Darum betitelte er sie gerne für sich als „Halbwilde“.
Aufgrund seiner Begeisterung für die Pferde hatte er eben jeglichen gesunden Menschenverstand ausgeschaltet. Sämtliche Warnungen, die sein Wüstenführer ihm und fünf anderen Männern in seiner Gruppe seit Tagen immer wieder herunterbetete, waren wie ausgelöscht. Seine Gedanken drehten sich lediglich darum, wie er an eines dieser edlen Tiere kommen könne. Er sah sich selbst schon auf der dunkelbraunen Stute durch seine Heimat reiten. Die Gesichter seiner Freunde wären jegliche Kosten wert! Glücklicherweise war sein alter Vater ebenfalls ein Pferdenarr und hatte noch dazu die finanziellen Mittel, sodass Geld keine Rolle spielen würde.
Mit diesen Überlegungen näherte er sich bis auf wenige Meter den Pferden, als ihn eine scharfe Stimme erschreckt aufschauen ließ. Obwohl er des Arabischen nicht mächtig war, war ihm sofort klar, dass es eine Warnung gewesen sein musste. Das brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Vorsichtshalber hob er die Hände halbhoch, um klarzumachen, dass er nichts Böses im Schilde führte. Und als er sich langsam umdrehte, sah er wenige Meter vor sich denjenigen der beiden Reiter vor sich, der gerade noch mit dem Zelt beschäftigt gewesen war. Das Gesicht des Mannes sagte mehr als tausend Worte, was er von der ungestümen Annäherung eines Fremden hielt. Seine rechte Hand befand sich im Ärmel seines linken Armes und zu seinem Entsetzen sah Burt etwas Silbernes blitzen. Sofort war ihm klar, dass es sich nur um ein Messer handeln konnte. Eine kalte Hand griff nach seinem Herzen, als er schlagartig die Gefahr spürte, in der er sich befand.
Und zum ersten Mal musterte er „den Halbwilden“ genauer. Der Mann war groß, mit Sicherheit fast 1,90 m schätzte Burt. Dazu schlank und muskulös, seine Bewegungen geschmeidig. Eigenartigerweise ging dem Amerikaner in diesem Moment durch den Kopf, dass der Mann überaus gutaussehend war, genau der Typ, auf den die Frauen flogen, mit ebenmäßigen Gesichtszügen, in denen die Proportionen wunderbar harmonierten. Stolz aufgerichtet sah der den Texaner drohend an. Die fast schwarzen Augen schienen ihn durchbohren zu wollen und Burts Nackenhaare richteten sich auf. Die Gefahr, in der er schwebte, war nun deutlich greifbar. Eine einzige falsche Bewegung und das Messer würde auf seinen tödlichen Weg geschickt werden. Instinktiv war dem Texaner klar, dass der andere keine Sekunde zögern würde, ihn auszulöschen. Der Pferdeliebhaber zwang sich zur Ruhe. Er hatte schließlich nichts verbrochen. Noch nicht einmal angefasst hatte er die Tiere! Trotz regte sich in ihm und er reckte angriffslustig sein Kinn vor, was sein Gegenüber dazu brachte, überrascht die Brauen hochzuziehen. Offenbar war er es nicht gewohnt, dass man sich von seinen Drohungen nicht einschüchtern ließ.
Das gab Burt Hoffnung und betont frech musterte er sein Gegenüber von oben bis unten, was dazu führte, dass sich dessen Miene noch weiter verdunkelte. Wut blitzte nun in den dunklen Augen. Burt jedoch nahm sich Zeit, die Kleidung und Ausrüstung des Wüstenbewohners zu mustern: Ganz und gar in Schwarz, angefangen von einem Turban, der durch eine gleichfarbige Kordel an Ort und Stelle gehalten wurde, über ein Obergewand und eine weitfallende Hose bis hin zu eleganten Stiefeln, die speziell auf die Anforderungen der Wüste ausgerichtet zu sein schienen. Überrascht stellte er fest, dass der andere zudem ein für hiesige Verhältnisse ungewöhnliches Schwert quer über dem Rücken trug. „Wie aus diesen japanischen Filmen“, fuhr es ihm durch den Kopf. „Wie kommt so jemand an so eine elegante Waffe?“, fragte er sich neugierig.
Seine Überlegungen wurden unterbrochen, als er in diesem Moment eine Bewegung aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm. Er drehte den Kopf und sah zu seiner Rechten auf einmal den zweiten der beiden Männer stehen, ein Gewehr auf seinen Bauch gerichtet. Dieser Reiter trug exakt die gleiche Kleidung, woraus Burt korrekt schloss, dass es eine Art Stammesgewand handeln musste. Obwohl der Mann mit dem Gewehr einen halben Kopf kleiner war, war auch er keineswegs zu unterschätzen, das spürte man sofort. Er blickte zudem so finster drein, dass der Texaner sich fragte, ob der in seinem Leben überhaupt schon einmal gelacht hatte.
Der Größere sagte etwas zu seinem Begleiter, was Burt nicht verstand. Und doch wusste er, dass es ein Befehl gewesen war, den der andere mit einem grimmigen Kopfnicken bestätigte. Somit war ihm sofort die Hierarchie der beiden klar und er wandte sich wieder dem Mann mit dem Messer zu, der offenbar der Ranghöhere der beiden war.
„Hör zu, ich wollte mir nur eure Pferde ansehen. Ehrlich! Sehr beeindruckende Tiere“, versuchte Burt die Situation zu entschärfen. Natürlich hatte er Englisch gesprochen, nachdem das die einzige Sprache war, die er beherrschte. Er bereute nun doch, dass er nicht aufgepasst hatte, als ihr Wüstenführer vergeblich versucht hatte, ihnen wenigstens zwei oder drei höfliche Grußfloskeln beizubringen.
Als sein Gegenüber mit keiner Wimper zuckte, seufzte Burt und murmelte halblaut, aber in genauso unschuldigem Tonfall wie vorher: „Hab ich mir doch gedacht, dass ihr wilden Kameltreiber kein Wort von dem versteht, was ich hier erzähle. Woher solltet ihr Sandkriecher auch eine Weltsprache wie ENGLISCH können?“
Rayan gelang es, trotz der Beleidigung sein Pokerface beizubehalten. Ihn amüsierte die Situation. Zunächst hatte er anhand der einheimischen Kleidung