Indira Jackson

Rayan - Der Stich des Skorpions


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der …“, begann Rayan, nur um von ihrem Besucher unhöflich unterbrochen zu werden: „Nein! Ihr irrt Euch! Es war die Software, die ich installiert hatte…“ Jassim gab ein ärgerliches Knurren von sich und machte einen Schritt auf den am Boden Knieenden zu - was für eine Frechheit, seinen Herrn einfach zu unterbrechen und ihn dann auch noch in diesem Ton anzureden!

      Bevor er den Mann jedoch erreichte, hielt ihn eine Handbewegung Rayans zurück. Der wollte den Ängstlichen nicht noch mehr verschüchtert sehen, sonst würde er vermutlich erst recht herumstottern und die wenigen Worte hatten ihn neugierig gemacht.

      „Ganz langsam: Du behauptest, es war gar kein Unfall?“, fragte er lauernd.

      „Ja - genau!“, kam es erleichtert, als wäre ihm gerade eine schwere Last von den Schultern gefallen. „Aber ich habe es wieder gut gemacht! Das müsst ihr mir glauben!“ Und bei dieser Aussage hob der junge Mann den Kopf, um Rayans Blick zu suchen. Er wirkte nun weniger ängstlich, eher erleichtert, dass er die Nachricht endlich losgeworden war, aber auch verzweifelt. Rayan dagegen spürte, dass ihm bereits jetzt jegliches Mitleid vergangen war, denn in ihm begann es, gefährlich zu brodeln.

      2015: Einige Tage vorher – Zarifa: Großes Tal - Reisepläne

      Das Feuer flackerte gemütlich und warf tanzende Schatten auf die Felswand. Es war die einzige Lichtquelle, die das Plateau erhellte.

      Zufrieden kuschelte sich Carina an Rayans Schulter und seufzte bestätigend, als er daraufhin seinen Arm um sie legte. Leise sagte er: „Möchtest du mir nicht endlich sagen, was dich seit ein paar Tagen beschäftigt?“

      Überrascht setzte sich die Deutsche gerade hin. „Das hast du bemerkt?“, fragte sie. Sie wirkte auf einmal nervös.

      Ein ironisches Lächeln war auf dem Gesicht des Scheichs: „Du solltest mich mittlerweile besser kennen“, sagte er tadelnd. Natürlich entgeht es mir nicht, wenn du tief in Gedanken vor dich hin starrst …“

      „Warum hast du nicht früher etwas gesagt?“, fragte Carina.

      Rayan lachte leise. „Du bist komisch! Die gleiche Frage könnte ich dir stellen …“, zog er sie auf. Dann fuhr er ein wenig ernster fort: „Ich dachte, du wirst mir schon sagen, was los ist, wenn du so weit bist.“

      Im Dunkeln suchte sie liebevoll den Blick ihres Freundes. „Das ist unheimlich rücksichtsvoll von dir …“

      Wieder lachte der Scheich leise dieses melodische Lachen, das ihr immer einen Schauer der Erregung über den Rücken jagte: „Ich habe aus meinen Fehlern der Vergangenheit gelernt …“

      Das gab Carina Mut, denn sie hatte keine Ahnung, wie er auf ihre Bitte reagieren würde.

      „Meine Freundin Sandra“, begann sie ohne weitere Ausflüchte. „Die heiratet in wenigen Wochen“, und sicherheitshalber fügte sich noch dazu: „in München …“

      Sie ließ das Wort bedeutungsvoll in der Luft hängen. Rayan, der eigentlich zuerst vorgehabt hatte, Carina zappeln zu lassen, bis sie ihre Idee ausformuliert hatte, erbarmte sich und kam ihr galant entgegen.

      „Und du möchtest auf diese Hochzeitsfeier gehen.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Und die Tatsache, dass sie kein bisschen Überraschung in seinem Tonfall entdecken konnte, ließ einen Verdacht in ihr aufsteigen: „Du weißt davon? Du hast es die ganze Zeit gewusst?“

      Als sie im Schein des Feuers sah, wie seine weißen, ebenmäßigen Zähne blitzten, weil er jetzt schelmisch grinste, sprang die Deutsche ärgerlich auf. „Du machst dich über mich lustig!“, fauchte sie und wollte davonstürmen. Doch er hatte diese Reaktion vorhergesehen. Blitzschnell packte er ihr Handgelenk und zog sie zu sich herab.

      Durch den Ruck geriet Carina aus dem Gleichgewicht, doch Rayan fing sie geschickt auf.

      Als sie gerade loslegen wollte, ihrem Unmut über dieses Verhalten Luft zu machen, drückte er ihr einen Kuss auf den Mund und brachte sie zum Schweigen.

      Sie versteifte sich nur etwa zwei Sekunden lang. Seine Lippen auf ihren zu spüren, hatte die übliche Wirkung auf sie: Ihr Denken setzte aus. Es war wie ein elektrischer Schlag, der sie durchfuhr bis in die Zehenspitzen. Und bald schmiegte sie sich an ihn und gab sich vollkommen der Liebkosungen seiner Lippen hin.

      Einige Minuten später fragte sie atemlos: „Und? Was sagst du?“

      Diesmal lachte Rayan laut auf. Es war so typisch Carina, dass sie nie ihr Ziel aus den Augen verlor. Früher wäre er vermutlich ein wenig beleidigt gewesen, dass sie sich trotz aller Hingabe kein bisschen hatte verwirren lassen.

      Dann fuhr er ernster fort: „Ich sage, dass wir morgen zurückreiten. In drei Tagen wartet der Flieger nach Alessia auf uns. Dort muss ich mich ohnehin schon längst einmal wieder blicken lassen. Wir können gemeinsam auf den Basar gehen, das wolltest du doch schon länger einmal machen?“ Als Carina begeistert nickte, fuhr er lächelnd fort:

      „Und von dort aus, wird dich der Learjet nach München bringen.“

      „Einfach so?“, fragte sie misstrauisch. Jetzt schaute Rayan sie beleidigt an: „Carina, was soll das? Was glaubst du, dass ich hier mache? Dich einsperren?“

      Sich in Rage redend fuhr er fort: „Schon alleine, dass es dich drei Tage kostet – drei Tage! – mir von der Einladung deiner Freundin zu erzählen …“

      Schuldbewusst sah die Deutsche ihn an: „Tut mir leid. Ich hatte Angst, du willst nicht, dass ich gehe.“

      „Und es dir verbiete? Oder versuche dir auszureden? Seit wann hat das jemals funktioniert?“ Jetzt lächelte er wieder, doch sie konnte in seinen Augen sehen, dass er ihr das mangelnde Vertrauen übel nahm.

      „Ich habe allerdings auch eine Bitte!“, sagte er dann ernst. Und seinem Tonfall entnahm sie, dass jetzt ein nicht verhandelbarer Punkt kommen würde: „Ich möchte, dass Sheila hier bleibt. Eine so weite Reise ist nichts für einen Säugling.“

      Ihre gemeinsame Tochter Sheila war noch keine drei Monate alt und Carina musste ihrem Partner recht geben. „Aber wenn ich sie alleine lasse …“, begann sie zweifelnd. Doch Rayan ließ sie nicht ausreden: „Fatima kümmert sich aufopferungsvoll um sie. Und auch Julie wird sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Und Tahsin lässt auch niemanden an seine kleine Schwester heran.“

      Jetzt lächelte die Münchnerin. Ja, die Anzahl der Personen, die um Sheila liebevoll bemüht war, war in der Tat groß. Insofern war es sicher kein Problem sie nicht mitzunehmen. Trotzdem war Carina erst zu kurze Zeit Mutter, als dass sie diese Entscheidung sofort hätte treffen können. Sie fühlte sich verunsichert. Würde man sie als Rabenmutter abstempeln? Und außerdem: Es wäre das erste Mal, dass sie länger von ihrer Tochter getrennt wäre.

      Jetzt war Rayan derjenige, der aufstand. Dabei sagte er: „Ich gehe ins Haus. Überleg dir, was du tun möchtest. Du kannst gerne nach München fliegen. Oder du bleibst hier bei Sheila.“

      Dann ging er davon, denn die Diskussion war für ihn beendet.

      Carina spürte Ärger in sich aufsteigen. Sie hasste es, wenn Rayan sie so stehen ließ. Für ihn gab es, wie immer, nur schwarz und weiß. Und er war noch der Meinung, großzügig zu sein, weil er ihr „die Wahl ließ.“ Auch, dass er ohne ihr Wissen bereits wieder minutiös geplant hatte, stieß ihr auf.

      Eine Weile blieb sie noch beim Feuer sitzen und hing ihren Gedanken nach. Doch dann erkannte die Deutsche, dass der Scheich Recht hatte. Wie so oft … Was sollte sie ihre kleine Tochter um die halbe Welt schleppen? Das war Egoismus und nicht Mutterliebe.

      Seufzend beschloss sie, Rayan ins Haus, das mehr eine großzügig ausgebaute Hütte war, zu folgen. Dort wachte Rayans Großmutter Eleonora am Kamin sitzend mit Argusaugen über ihre schlafende Großenkelin. „Eine weitere Person auf der Sheila-Fan-Liste“, dachte Carina lächelnd.

      In den vergangenen beiden Tagen hatte sie wieder einmal mit Bewunderung festgestellt, wie rüstig die alte Dame trotz ihrer inzwischen