Indira Jackson

Rayan - Der Stich des Skorpions


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seinem Opfer, bis die Augen des Sterbenden brachen. Dann zog er den Dolch wieder heraus und ließ den Leichnam achtlos zu Boden fallen.

      Er wandte sich an Jassim: „Sag Jamal, er soll ihn wegschaffen. Und sorg dafür, dass ich morgen den Mittagflug von München nach Charlotte erreiche!“

      Damit drehte er sich um und erstarrte. Wenige Meter vom Pavillon entfernt stand Carina. Ihr geschockter Ausdruck, die Hand vor dem Mund verkrampft beantwortete die Frage, wie viel sie gesehen hatte. Eine Sekunde trafen sich ihre Blicke, doch sie sah ihn an wie einen Fremden. Dann drehte sie sich um und hastete davon.

      Rayan fluchte. „Was macht sie hier? Wofür habe ich eigentlich Wachtposten? Damit meine Frau solchen Szenen ungehindert beiwohnen kann? Das hat noch ein Nachspiel!“

      Er wollte Carina nacheilen, als Jassims Stimme ihn aufhielt: „Herr! Ihr solltet euch erst reinigen, bevor ihr zu ihr geht …“

      Unwirsch sah Rayan an sich herunter und musste Jassim recht geben: das Blut des unglücklichen Flugzeugtechnikers haftete an seinem Gewand und auch seine Hände bedurften einer Reinigung. Kein schöner Anblick. Er fluchte erneut und verschwand wortlos in Richtung seiner Gemächer.

      Jassim sah seinem Herrn mit einem Stirnrunzeln nach. Wie dieser da soeben gestanden und ohne jegliche Gewissensbisse ein Leben beendet hatte, das flößte selbst dem hartgesottenen Leibwächter ein wenig Angst ein. Er wollte niemals diesen Mann als Gegner haben! Und die beiden Amerikaner - Cho und Hummer - die beneidete er auch nicht. Auch die würden sich warm anzuziehen haben, wenn der Scheich morgen Nachmittag dort eintraf. Nachdem sie diese Flugverbindung öfter einmal verwendeten, wusste er, dass der Flug selbst zwar etwas mehr als zehn Stunden dauerte, aufgrund der sechs Stunden Zeitverschiebung die Ankunft aber trotzdem noch am gleichen Nachmittag erfolgen würde.

      Er machte sich daran, den Learjet auftanken zulassen, damit sie morgen rechtzeitig in München eintreffen konnten, um den Liniendirektflug nach Amerika zu erreichen.

       Danach würde er sich mit dem Anführer der Leibgarde treffen, um gemeinsam zu überlegen, wie mit Carinas Hereinplatzen umzugehen war. Ihr Herr machte nie leere Drohungen. Also war die Frage, wen das angekündigte „Nachspiel“ treffen würde und in welcher Form eine Strafe verhängt werden würde. Ende Juni 2015 – Zarifa: Bergwelt – Ein überraschendes Treffen

      Aleser sah sich mehrfach um, als er aus der Stadt ritt. Er wollte sicher sein, dass ihm niemand folgte. Seitdem er vor wenigen Wochen aus der Gruppe der Krieger offiziell ausgeschieden war, nutzte er jede freie Minute für diese Art von „Ausflügen“.

      Drei Stunden später kam er an seinem üblichen Lagerplatz an. Er baute zunächst sein kleines Zelt auf und bereitete das Feuerholz für den Abend vor. Wenn er sich mit den Vorbereitungen beeilte, würde er vielleicht noch eine halbe Stunde trainieren können, bevor der Abend fiel und es zu dunkel werden würde.

      Und tatsächlich, die Arbeiten gingen ihm schnell von der Hand. Mit zitternden Fingern entnahm er anschließend die Waffe aus dem Lederbeutel, in der er sie verborgen hielt. Liebevoll streichelte er über das gut gepflegte Holz und das fleckenlos polierte Metall. Ihm war klar, dass er gewaltigen Ärger bekommen würde, wenn er mit der Armbrust erwischt werden würde. Er war freiwillig ausgeschieden, also war ihm das Tragen einer Waffe nun verboten. Aber dieses Risiko war er bereit einzugehen. Er brauchte dieses Training wie die Luft zum Atmen.

      Er spannte die Pfeile ein, visierte und schoss sie auf den mit Stroh gefüllten Sack, den er sich als Ziel aufgehängt hatte. Alle drei fanden mühelos ihr Ziel. Aber nicht genau in der Mitte, so wie der Junge es sich erhofft hatte. Es ärgerte den 18-Jährigen, dass er für sein Alter recht klein war, umso mehr war es ihm wichtig gewesen, zu beweisen, dass er es verstand mit der Armbrust umzugehen. Bereits nach kurzem Training hatte er alle anderen in seiner Gruppe überflügelt. Umso schwerer war ihm der Abschied gefallen.

      „Nicht schlecht, aber deine Füße sind dir im Weg, du stehst falsch“, vernahm er plötzlich eine leise Stimme so nahe hinter sich, dass sein Herz vor Schreck einen Moment lang aussetzte. Erstarrt blieb er stehen und überlegte, was er nun tun sollte. Wer trieb sich in diesem einsamen Teil des Gebirges herum? Oder war ihm jemand gefolgt? Nein, ausgeschlossen, das hätte er bemerkt. Er kam zu dem Schluss, dass der Mann hinter ihm sehr wahrscheinlich genauso viel zu verbergen hatte, wie er. Konnte es sein, dass sich hier in den Bergen Halunken versteckten? Alle Pfeile aus seiner Armbrust waren verschossen, der Gauner hatte lange genug gewartet, bis er quasi unbewaffnet war. Alles, was er tun konnte, wäre die Armbrust als Schlaginstrument zu verwenden. „Was für ein Unsinn!“, schalt er sich selbst. Er wäre viel zu langsam. Ihm fiel das Messer an seinem Gürtel ein. Konnte er es erreichen?

      „Mach keinen Blödsinn, Junge. Ich könnte dich töten, bevor du deine Hand auch nur am Griff des Messers hättest. Keine Sorge! Ich bin nicht hier, um zu kämpfen. Lass uns ins Lager gehen, es ist schon spät und die Dunkelheit bricht nun schnell herein. Wir wollen uns schließlich nicht die Füße brechen.“

      Aleser nahm all seinen Mut zusammen: „Ich gehe mit dir nirgendwo hin, Halunke. Wer hier so einsam in der Gegend herumschleicht, der kann nichts Gutes im Schilde führen. Aber ich muss dich enttäuschen, auch in meinem Lager habe ich nichts von Wert. Ich bin ein einfacher Bäcker, ich backe Brot. Davon wird man nicht reich.“

      Der Mann hinter ihm lachte leise. „Wie ich gehört habe, ist dein Brot nicht einmal schlecht, Aleser.“

      „Du kennst mich?“ Aleser drehte sich ruckartig um. Doch es war bereits zu dunkel, als dass er das Gesicht des Mannes hätte erkennen können. Vor allem, weil dieser das Tuch seines Turbans, das bei Wüstenritten vor dem Sand schützen sollte, vor das Gesicht gezogen hatte. Auch dessen Robe verriet ihm nichts, denn er hatte einen dunkelgrauen Umhang übergezogen. Vermutlich um in den Felsen weniger erkennbar zu sein. Der Junge grinste kurz, hatte er doch gleich gewusst, dass dieser Mann auch etwas zu verbergen hatte.

      Aber er sah ein, dass sie tatsächlich gehen mussten. Das Lager war nur zwei Minuten entfernt, aber der Weg dorthin war steinig. Es war zu gefährlich bei Dunkelheit, wollte man nicht riskieren, sich die Beine zu verstauchen oder gar das Genick zu brechen.

      Wortlos drehte er sich um, holte seine Pfeile aus dem Strohsack und ging voran ins Lager.

      Dort angekommen staunte er nicht schlecht: Der Fremde hatte sein Pferd neben dem seinen angebunden und ebenfalls ein kleines Zelt für sich aufgebaut.

      „Was fällt dir ein?“, begann er entrüstet, doch der Unbekannte ließ sich nicht beirren. „Los, mach das Feuer an“, befahl er ungerührt. Etwas in seiner Stimme hielt Aleser von weiteren Protesten ab. Er musste ohnehin nur noch die Flamme entzünden. Es war ein warmer Tag gewesen, das Holz war trocken, und so dauerte es nur zwei Minuten, bis das Feuer heimelig brannte.

      „Und was machen wir nun?“, fragte er den Fremden mit genervtem Unterton. „Essen?“, kam prompt die Antwort. „Ich nehme an, du hast etwas von deinem selbst gebackenen Brot mitgebracht. Das würde ich gerne probieren.“ „Ja klar, sonst noch Wünsche Eure Hoheit?“, fragte Aleser ätzend. Seine Stimme triefte vor Ironie: „Kann ich Euch sonst noch mit etwas behilflich sein?“ Sein Gegenüber lachte leise. „Nein, für den Moment wäre das alles. Na los, jetzt setzt dich schon zu mir.“

      Wütend holte Aleser den Leinensack mit Brot, den er natürlich für seine eigene Verpflegung mitgebracht hatte aus seinem Zelt. Als er zum Feuer zurückkehrte, überlegte er eine Sekunde lang, ob er sich nun auf den Fremden stürzen sollte. Er hatte noch immer sein Messer am Gürtel … Doch eine innere Stimme warnte ihn. Er ahnte, dass er einen erfahrenen Krieger vor sich hatte, der ihn, wenn er es gewollte hätte, schon lange erledigt hätte. Aber was wollte er dann? Aleser wurde neugierig. Er sah, dass der Mann es sich auf einem flachen Stein am Feuer bequem gemacht hatte. Die Nacht war warm und das Feuer strahlte zusätzliche Hitze ab. Daher legte der andere gerade seinen grauen Umhang ab, als Aleser sich näherte. Er nahm sich vor, die Gelegenheit zu nutzen, wenn er ihm das Brot reichte, sein Gegenüber genau zu mustern. Vielleicht kannte er ihn ja? Nachdem er Tarmanisch sprach, musste es einer der Krieger ihres Stammes sein. Soviel war ihm inzwischen klar geworden. Er wollte ihn gerade darauf ansprechen, als ihm das Wort im Hals stecken blieb. Natürlich kannte