Gerd Schuster

Der Professor mit dem Katzenfell


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spazieren gehen. Schweine haben einen enormen Bewegungsdrang und drehen durch, wenn sie den nicht ausleben können. Sie liebt besonders den Spielwiesenweg im Stadtpark und das Wäldchen um das Landhaus. Aber das wird sie dir schon zeigen. Geh ruhig nachts, das kennt sie von mir, aber nimm eine Taschenlampe mit.

      Ich kann dir nicht mehr sagen, weil dieser Brief von meinen Verfolgern entdeckt werden könnte. Du wirst der Wahrheit mithilfe der Tiere näherkommen.

      Bis bald, und danke für alles.

       Dein Sebastian.«

      Schlichtkohl ließ den Bogen enttäuscht sinken. Die erwartete Offenbarung war das nicht. Im Grunde verstand er nur, dass er Brunhilde von Zuckerzeug fernhalten und, wenn ihm seine Wohnung lieb war, sie zweimal täglich in den Stadtpark führen musste.

      Er suchte das Ferkel. Es lag auf dem Sofa, den Kopf auf dem blauen Seidenkissen, und schnarchte leise. Schlafen! Er war hundemüde! Er suchte Sammi, um sie mit ins Bett zu nehmen, aber sie war verschwunden. Egal! Madame war beleidigt und spielte Versteck. Er zog Jackett und Hose aus und legte sich in Hemd und Socken hin. Ein Stündchen Schlummer würde ihn in die Lage versetzen, zu verstehen, was heute auf ihn eingestürmt war. Sofern es zu verstehen war.

      Rippenstöße rissen ihn aus dem Schlaf. Die Knüffe wurden schnell verdammt unsanft und schmerzhaft, und er runzte ärgerlich. Ein Runzen kam als Antwort. Brunhilde, erkannte er, hatte ihre Vorderhufe auf den Bettrand gestützt und schaute ihn mit ihren Menschenaugen ärgerlich an. Draußen, sah Schlichtkohl mit Schrecken, war es dunkel. 21.56 Uhr, sagte der Wecker.

      Der Professor sprang mit einem mittelschweren sumerischen Fluch aus dem Bett und zog sich an. Er war halb ohnmächtig vor Hunger, aber bevor Brunhilde seine Wohnung zerlegte, musste er mit ihr spazieren gehen. »Danke fürs Wecken!«, sagte er. »Ich hätte bis morgen früh weiter geschlafen!« Er legte das Geschirr zurecht, streifte es dem Schwein ohne ernste Probleme über, packte die Leine und verließ das Haus.

      Brunhilde war überraschend treppenfest, folgsam und gut zu Fuß, und schon nach wenigen Minuten überquerten sie die Hindenburgstraße in Höhe des Gasthauses, dessen Umgebung Hasenklee zu Brunhildes Lieblingsareal erklärt hatte.

      Tatsächlich war das kleine Schwein wie verändert. Es zog Schlichtkohl freudig zwischen hohen Bäumen hindurch, die für ihn nur schwarze Schemen waren, schnüffelte hier, schnorchte dort in die Erde, wühlte und pflügte mit seiner Steckdose durch den Waldboden, fraß mit lautem Schmatzen etwas, das der Professor nicht sehen konnte, und zerrte ihn immer weiter.

      Sebastian Schlichtkohl stemmte sich vergeblich gegen Brunhildes Zug. Sie hatte unerhörte Kraft und einen Vortrieb wie eine kleine Lokomotive. Äste schlugen ihm ins Gesicht, er geriet mehrfach ins Stolpern und war heilfroh, als sie einen breiten Pfad erreichten, auf dem es etwas heller war. Brunhilde wurde langsamer. Geräuschvoll nach allen Seiten schnüffelnd, stöckelte sie den Weg entlang bis an den Rand der großen Festwiese, für den Professor eine nachtbleiche Ebene ohne Konturen. Das Rüsseltier hielt einige Sekunden an, prüfte schnaufend die Luft, entschied sich dann für die Abzweigung nach rechts und begann am Rand eines undurchdringlich scheinenden Dickichts aus Lorbeer- und Schneebeerensträuchern, der in regelmäßigen Abständen mit Bänken bestückt war, entlang zu trotten.

      Urplötzlich wurde Brunhilde ganz aufgeregt, galoppierte los, zog den hilflosen Schlichtkohl ein paar Meter hinter sich her und stoppte so unvermittelt, dass der strauchelnde Gelehrte beinahe über sie gestolpert wäre. Während er noch um sein Gleichgewicht kämpfte, schoss das Ferkel wieder los, kurvte nach rechts, kroch unter eine Bank, wühlte etwas aus dem Laub hervor, das seine Erregung ins Maßlose steigerte und verschlang es geräuschvoll mit einem gierigen Happs. Dann zündete das Wollschwein den Turbo und raste mit dem Professor im Schlepptau mitten in das Gestrüpp hinein.

      Der Altorientalist, dem Zweige ins Gesicht peitschten, schloss entsetzt die Augen und krallte sich an die Leine. Er fühlte, wie Lorbeerzweige und -blätter über seine Haut schrammten, an ihm zerrten und Äste ihn knufften. Blind, wie er war, stolperte er über ein kniehohes Hindernis und schlug der Länge nach hin. Im Fallen ließ er das Schwein los.

      Er krachte in einen Lorbeerbusch, zerkratzte sich Hände und Gesicht und kollidierte mit seinem rechten Knie heftig mit etwas Steinhartem. Während er in dem Bestreben, wieder auf die Beine zu kommen, mit Zweigen, Strünken und unsichtbaren Hindernissen aller Art rang, hörte er Brunhildes Schmatzen aus nächster Nähe. Gott sei Dank, dachte er, sie ist nicht weg!

      Knapp anderthalb Meter zu seiner Linken wühlte das Lockenschwein, dessen blonde Dauerwellen es im Dunkel als fahles Schemen sichtbar machten, mit Vorderhufen und Rüssel am Fuße eines weit ausladenden Schneebeerenbusches, hinter dem sich ein Maschendrahtzaun erhob. Brunhilde war wie von Sinnen. Als Schlichtkohl näher kroch, hebelte sie mit energischen Kopfstößen einen quadratischen Gegenstand aus dem Boden und schubste ihn in dem Bestreben, ihn mit den Zähnen zu packen, vor sich her.

      Der Professor rappelte sich hoch, zog die fingerlange Minilampe, die er auf Gotthards Mahnung hin eingesteckt hatte, aus der Tasche und richtete sie auf Brunhildes Fund. Es war eine Gebäckdose aus buntbedrucktem Blech. Sie trug einen neonfarbenen Aufkleber. Schlichtkohl leuchtete ihn an: »Für Sebastian« stand dort, und darunter in kleineren Buchstaben: »Bitte gleich öffnen, wenn unbeobachtet, und Dose wieder verbergen.«

      Schlichtkohl schob seinen Kopf unter die kratzigen Zweige und entrang den Blechbehälter dem Schwein, das sich wehrte, ihn mit den Vorderhufen trat und seine Hände mit Strömen warmen Speichels besabberte. Er versuchte, die tobende Brunhilde mit dem Ellenbogen auf Distanz zu halten und die Büchse zu öffnen, aber das misslang. Nach einigem Suchen ertastete er das Ende eines Klebebandes, das um die Dosenmitte führte, zog es ab und hob den Deckel hoch.

      Bevor er die Taschenlampe wieder anknipsen konnte, hechtete Brunhilde vor, übersprang Schlichtkohls Ellenbogen, landete auf seinem Unterarm und schnappte sich mit einem Kopfstoß, der einer Kobra Ehre gemacht hätte, etwas aus dem Innern der Schachtel. Es war offenbar ein Leckerbissen, denn das Schwein kaute, mahlte, schmatzte, schlabberte und grunzte sofort begeistert los. Plastik oder Zellophan knisterte. Brunhilde schien die Verpackung gleich mit zu verzehren. Warum, wurde Schlichtkohl schnell klar: Das prägnante Aroma von schokoladeüberzogenen Ingwerstäbchen verbreitete sich im Wald.

      Im Licht seiner Lampe sah Schlichtkohl, dass in der Schachtel zwei Couverts lagen, ein normales und ein größeres. Ein Gummiband umschlang beide Briefe. Er steckte sie ein. Er konnte fühlen, dass in dem A5-Umschlag zwei CDs steckten – Gotthards Geheimnis?

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