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allein in seinem Bett zu schlafen.

      „Klasse Renate. Ich muss noch um 18 Uhr zur Polizei. Passt Dir 20 Uhr in der Pizzeria?“

      „Geht klar, bis heut Abend“, sagte Renate und legte auf. Und Fritsch öffnete gut gelaunt das Redaktionssystem auf seinem PC und haute in die Tasten.

      SECHS

      Kripochef Lange hatte keine Zeit verloren. Nach einem kurzen Gespräch mit Dienststellenleiter Josef Steininger berief er seine wichtigsten Mitarbeiter zu einer Sitzung ein. Neben Lange und Steininger nahmen sein Stellvertreter Johann Hirtreiter, der Kripoinspektor Karl Adam, Georg Grundner, der den Kontakt zu den Medien halten sollte, sowie der Polizeitechniker Timo Manzinger an dem Treffen teil.

      „Bevor ich das Wort an Hauptkommissar Lange übergebe, möchte ich klarstellen, dass dieser Fall bis auf weiteres oberste Priorität genießt“, eröffnete Dienststellenleiter Steininger das Treffen. „Für jeden, der an dieser Sitzung teilnimmt gilt, dass alle anderen Fälle abgegeben werden bzw. später behandelt werden. Außerdem gehe ich davon aus, dass wir aus München Verstärkung bekommen und dann eine SOKO Hinkofen bilden werden.“

      Kripochef Lange hatte einen Notizzettel, auf dem er die wichtigsten Punkte der Ermittlungen notiert hatte, in seinen Händen. Ganz oben auf der Liste stand mit Großbuchstaben: WER IST DER TOTE?

      Er räusperte sich kurz, dann ergriff er das Wort: „Liebe Kollegen, im Frühstadium einer Ermittlung ist es entscheidend, die Fakten lückenlos zu ermitteln. Für Vermutungen und Hypothesen ist später Zeit. Die wichtigste Frage ist: Wer ist der Tote? Handelt es sich wirklich um Hans Schneider, der nach 20 Jahren nach Gondorf zurückgekehrt ist? Aufgrund des Zustands der Leiche brauchen wir so schnell wie möglich alle Informationen, die uns bei der Identifizierung weiterhelfen können: besondere Merkmale, Operationen, Aufnahmen des Zahnarztes vom Gebiss, etc. Daraus ergibt sich die Frage: Wer könnte sonst das Opfer sein? Gibt es Personen, die im Landkreis Gondorf oder in ganz Bayern als vermisst gemeldet worden sind? Nach den ersten Angaben des Arztes handelt es sich um eine männliche Leiche, eher schlank, ca. 1,80 m groß, im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Zum 1. Punkt, Identifikation der Leiche, noch Fragen oder Anmerkungen?

      Karl Adam hakte ein: „Die Vermisstenliste für Bayern habe ich gerade durchgesehen. Da herrscht Fehlanzeige bis auf drei weibliche Jugendliche, die ja wohl nicht in Frage kommen.“

      „Danke, Herr Kollege“, kommentierte Lange. „Um nicht wichtige Zeit zu verlieren, sollten wir also bei den Ermittlungen davon ausgehen, dass es sich bei der Leiche um Hans Schneider handelt. Das wirft eine Unmenge von weiteren Fragen auf. Fangen wir mit den Punkten an, die wir abhaken können: Wann ist Hans Schneider in Deutschland angekommen? Ist er vom Zoll / von der Polizei bei der Einreise kontrolliert worden? Was hat er gemacht zwischen seiner Ankunft und Sonntag, 8 Uhr morgens, der ungefähren Tatzeit? Hatte er ein Handy? Hat er mit jemanden gesprochen, hat er jemanden getroffen? Wie ist da der Stand, Kollege Hirtreiter?“

      „Ich hab mich gleich nach Ihrem Anruf vom Tatort an die Sache drangesetzt. Nach Auskunft der Lufthansa ist ein Hans Schneider am Samstagabend um 19.35 Uhr am Flughafen München angekommen, mit dem Flug LH 9369 von Buenos Aires nach München. Die Kollegen vom Grenzschutz und vom Zoll haben keine besonderen Vorkommnisse mit den Passagieren dieses Fluges gemeldet. Ich habe die Kollegen am Flughafen aber gebeten, mit den Beamten, die die Personenkontrolle der Passagiere übernommen hatten, zu sprechen, ob ihnen etwas aufgefallen ist.

      Die Anfragen bei den Autovermietungen haben ergeben, dass ein Hans Schneider am Sixt-Stand laut Rechnung von gestern, 20.45 Uhr, einen schwarzen Ford Fiesta für eine Woche gemietet hat. Die Vermietung wurde über die Kreditkarte – einer American Express – von Schneider abgewickelt. Der Wagen war voll aufgetankt. Nach Auskunft des Betreuungspersonals von Sixt hat der Wagen die Sixt-Niederlassung um 21.05 verlassen. Die Angestellten, die am Schalter und bei der Auslieferung mit der betreffenden Person zu tun hatten, haben um 14 Uhr wieder mit ihrem Dienst begonnen.“

      „Das mit dem Wagen ist eine wichtige Übereinstimmung. Ich möchte, dass Sie nach Ende der Besprechung sofort zum Münchner Flughafen fahren und mit allen sprechen, die mit Herrn Schneider zu tun hatten“, nahm Kripochef Lange den Ball auf. „Ich werde mit meinen alten Kollegen in München sprechen, damit sie Ihnen einen Zeichner zum Lufthansa-Schalter schicken. Wir brauchen ein Phantombild von Schneider. Wenn Sie dieses Bild haben, klappern sie alle Geschäfte im Flughafen ab. Wir dürfen auch die Flugbegleiter und Stewardessen nicht vergessen. Finden Sie heraus, wer auf dem Flug Dienst hatte und bestellen Sie die betreffenden Personen ebenfalls an den Flughafenschalter. Jede Information ist wichtig: Wie wirkte Herr Schneider – traurig, verzweifelt, aufgedreht? Machte er einen lebensmüden Eindruck?

      Kollege Adam, nehmen Sie sich alle Hotels und Pensionen im Umkreis des Flughafens bzw. auf der Strecke nach Gondorf vor. Vielleicht hat Schneider ja die Nacht in einem Bett verbracht und gerade gefrühstückt, als wir ihn tot in der Schlucht vermutet haben. Wir müssen auf jeden Fall lückenlos klären, was Schneider nach seiner Ankunft in Deutschland gemacht hat.

      Nachdem Sie in Gondorf aufgewachsen sind, können Sie uns erzählen, was Sie über Schneider wissen?“

      Adam räusperte sich, blickte auf seine Aufzeichnungen und berichtete, dass Schneider vor 20 Jahren gleich nach dem Abitur nach Paraguay gegangen war, um für ein Jahr an einem Forstprojekt der Kirche mitzuarbeiten. Von diesem Aufenthalt kam Schneider all die Jahre nie zurück. Nach dem freiwilligen Jahr nahm er eine Stelle bei einem großen Forstunternehmen an, dessen Besitzer deutschstämmig war. Das waren die Geschichten, die ehemalige Klassenkameraden von Schneider in Gondorf erzählten. Was Schneider die letzten Jahre gemacht hatte, darüber hatte Adam keine Informationen.

      Lange übernahm wieder: „Aus meiner Kripozeit in München kenne ich einen Kollegen, der für ein Jahr im Austausch in Buenos Aires gearbeitet hat. Diesen spanisch sprechenden Kollegen habe ich gebeten, über die Polizei in Asuncion und wenn nötig mit Hilfe von Interpol Kontakt zu den Angehörigen von Schneider in Paraguay aufzunehmen. Ich hoffe, dass wir so schnell wie möglich Informationen über Schneider bekommen und seine Krankenakte, vor allem die Unterlagen von seinem Zahnarzt. Das könnte bei der Identifizierung unserer Leiche sehr hilfreich sind. Und falls Schneider verheiratet war, dann hoffe ich, dass seine Frau so schnell wie möglich herüberkommt.

      Damit sind wir bei der 2. entscheidenden Frage: Unfall, Selbstmord, Mord? Erste Auskünfte gibt hoffentlich der vorläufige Bericht der Spurensicherung, den wir bis heute Abend bekommen. Noch steht nicht fest, ob es Mord war und ob dieser Mord mit Vorkommnissen in der Vergangenheit zu tun hat.

      Wir dürfen im Frühstadium der Ermittlungen andere Alternativen nicht ausschließen. Eine Möglichkeit wäre, dass die Ehefrau hinter der Tat steckt und deshalb ihrem Mann einen Killer nachgeschickt hat. Es könnte natürlich auch sein, dass Schneider berufliche Probleme hatte. Man hört da ja einiges von so einer Art Holzmafia im südamerikanischen Dschungel. Vielleicht war die Rückkehr nach Deutschland eine Art Flucht. Wichtig ist deshalb, dass wir alle Personen überprüfen, die mit Schneider nach Deutschland geflogen sind. Ich habe dazu Kontakt mit dem Landeskriminalamt aufgenommen und gebeten, dass sie uns unterstützen. Wobei ich die Liste der zu überprüfenden Personen auf ein bis zwei Tage vor der Ankunft Schneiders ausdehnen möchte. Genauso werden der Grenzschutz und das LKA in den nächsten Tagen ein Auge auf Südamerikaner werfen, die Deutschland wieder verlassen wollen – vor allem, wenn sie nur ganz kurz hier waren.“

      „Ist das nicht ein bisschen weit hergeholt“, warf Adam ein. „Ein Killer aus der Pampa, der in Hinkofen einen als Unfall getarnten Mord begeht.“ Lange konterte: „Wenn ein Profikiller am Werk war, dann dürfte er sehr schnell erkannt haben, dass es auf der ganzen Welt kaum einen besseren Ort für einen perfekten Mord gibt als Hinkofen. Aber über den Tatort kann uns Kollege Manzinger mehr sagen.“

      „Wer die Stelle kennt, der weiß, dass ein Wagen, der auf der Anhöhe von der Straße abkommt, nicht einfach in die Tiefe stürzt“, so der Polizeitechniker. „Nach etwa 15 Meter freiem Fall prallt der Wagen auf einen gewaltigen Felsvorsprung auf. Ganz unabhängig davon, wie schnell der Wagen unterwegs war, dieser Aufprall ist sozusagen für das