Arnulf Meyer-Piening

Doppel-Infarkt


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„Sicher, wir hatten damals die Eröffnung des Büros in Stuttgart besprochen. Jetzt seid ihr ganz groß herausgekommen, gratuliere zu dem ‘Great Client Award‘, den du dir redlich verdient hast.“

       „Danke, ich habe mich sehr darüber gefreut, aber vor allem natürlich die Jungs in unserem Büro. War der Wettbewerb groß?“

       „Ja sehr, viele unserer Partnerkollegen wollten den Preis gerne in den Staaten behalten, aber letztlich haben wir uns doch für euch entschieden. Euer Team hat wirklich gute Arbeit geleistet.“

       „Wer waren die anderen Anwärter auf den Preis?“ erkundigte sich Arnim.

       „Viele, insbesondere das General Motors Team unter der Leitung von Don. Die hatten ein viel größeres Budget als ihr. Dein spezieller Freund Don hat sich bei der Bewerbung kräftig ins Zeug gelegt.“

       „Dann befürchte ich, dass Don versuchen wird, sich für die Niederlage irgendwie zu rächen.“

       „Das glaube ich nicht, mach dir keine Sorgen“, beruhigte ihn Jack.

       „Diese Auszeichnung war nicht der einzige Anlass für meine plötzliche Reise hierher? Ich bin neugierig, was du wegen der IT-Studie vorschlägst.“

       „Das erzähle ich dir später, jetzt sollten wir das Essen bestellen.“

       Während sie aßen informierten sie sich gegenseitig über aktuelle Vorgänge aus dem Geschäft des jeweiligen Landes. Jack besaß ein phänomenales Gedächtnis, er verfügte über ein erstaunliches Detailwissen, er vergaß fast nichts, hatte immer die Namen von allen wichtigen Personen parat. Beyer bewunderte ihn dafür, wo er sich selbst doch gerade mit Namen so schwertat. Jack hatte außerdem einen sicheren Instinkt für Trends, die für die künftige Geschäftsentwicklung von Bedeutung sein konnten. Vorsichtig lenkte er das Gespräch auf den Anlass für die Reise nach Chicago.

       „Wie ich dir am Telefon schon sagte, du hast kürzlich mit großer positiver Wirkung in der Öffentlichkeit die empirische Studie über die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien gemacht. Wir wollen die Untersuchung auf Südostasien ausweiten und wir möchten gerne, dass du für ein paar Wochen nach Japan gehst, damit du mit unseren Leuten dort etwas Ähnliches durchführst. Wir könnten dann einen internationalen Vergleich machen und dabei auf nationale Eigenheiten und IT-Trends aufmerksam machen. Wärest du damit einverstanden? Jack blickte sein Gegenüber erwartungsvoll an.

       „Im Prinzip ja, was mache ich aber in der Zwischenzeit mit meinen deutschen Klienten?“

       „Die musst du ein paar Wochen vertrösten oder auf deine Kollegen übertragen, es ist nur für zwei oder drei Wochen, danach kannst du die Untersuchung von Deutschland aus dirigieren. Vielleicht musst du später zur Datenauswertung noch einmal hinfahren, aber das sehen wir später.“

       Beyer hatte schon seit vielen Jahren nach Japan reisen wollen. Das Land übte eine besondere Faszination auf ihn aus. Die Japaner hatten in wichtigen Schlüsselindustrien, insbesondere in der Elektronik- und in der Fahrzeugindustrie eine beherrschende Stellung am Weltmarkt eingenommen. Er fragte sich, wie das möglich gewesen war. Hatte man in Europa die wichtigen Trends verschlafen, waren die Japaner intelligenter als der Rest der Welt, war es nur die größere Motivation, lag es etwa an der längeren Arbeitszeit, an dem geringeren Urlaubsanspruch, lag es an der Lenkung durch das zentrale Planungsministerium ‘MITI‘, war es alles zugleich oder gab es noch andere Gründe?

       Kurze Zeit hing jeder seinen Gedanken nach. Nachdem der Kellner abgeräumt hatte, fragte Armin:

       „Was tut sich denn sonst Neues in unserer Firma“, fragte Arnim, nachdem der Kellner abgeräumt hatte.

       „Wir wachsen stetig stärker als unser Wettbewerb, das soll auch so bleiben. Unsere Geschäftsaussichten sind weltweit günstig. Die zunehmende Internationalisierung und der technologische Wandel lassen die Nachfrage nach fundierter Strategieberatung überdurchschnittlich steigen. Unser Wachstum wird nur begrenzt durch die Verfügbarkeit an qualifizierten Beratern. Wir haben deshalb unser Rekrutierungsprogramm an den Top-Universitäten und Business-Schools wesentlich verstärkt. Gefragt sind engagierte, mehrsprachige Absolventen, die hervorragende Examensnoten vorweisen können. Doch solche Leute sind knapp. Die Business Schools produzieren nicht mehr genug.“

       „Das gleiche Problem haben wir auch bei uns in Deutschland. Wir könnten wesentlich mehr Geschäft generieren, wenn wir mehr hoch qualifizierte junge Leute für unseren Beruf begeistern könnten.“

       „Aber er hat auch viele Nachteile“, fuhr Arnim nach kurzer Pause fort. „Vor allem das viele Reisen und die Unsicherheit über die beruflichen Perspektiven. Die meisten jungen Leute wollen bei der Einstellung schon die Pensionierung regeln und sind nicht mehr dazu bereit, mindestens vier oft auch fünf Tage in der Woche von zu Hause weg zu sein.“

       „Das ist in der Tat ein Problem“, bestätigte Jack.

       „Weißt du noch, damals als ich anfing, sind wir schon Sonntagabend zum Ort unserer weit entfernten Klienten angereist. Die Philosophie war, wir sind in Büro des Klienten, wenn er morgens anfängt. Das hat sich dann aber schnell geändert, es war nicht lange durchzuhalten. Ich erinnere mich noch, als wir damals in Österreich, in der Steiermark waren, dann kamen wir Freitag spät am Abend nach Hause und fuhren Sonntagmittag wieder ab. Das hat damals bei unseren Familien viel Ärger gemacht.“

       Arnim dachte daran, dass selbst die sonst so verständnisvolle Elinor damals verlangt hatte, dass er sich mehr Zeit für sie und die Kinder nehmen solle.

       „Ja, das waren noch Zeiten, da waren wir weltweit gerade mal hundert Mitarbeiter, jetzt sind wir über Tausend“, verkündete Jack nicht ohne Stolz.

       „Ein anderer Haftpflichtfall ist erst vor wenigen Wochen entschieden worden. In unserem Büro in Washington gab es eine sehr attraktive junge Puerto-Ricanerin, sie war Sekretärin von einem unserer Partner-Kollegen, den du sicher kennst, den ich aber nicht nennen will. Wenn die Dame durch das Büro ging, sahen alle männlichen Kollegen ihr nach. Da sie immer sehr auffallend gekleidet war, enge Pullover oder durchsichtige Blusen trug, dazu mal kurze Röcke oder hautenge Hosen, war es ziemlich eindeutig, dass sie damit die Männer bewusst provozierte. Es kam wie es kommen musste, eines Tages begann sie ein Verhältnis mit unserem Kollegen. Sie waren abends oft länger im Büro geblieben und dabei kam es dann zu engeren Berührungen zwischen den beiden. Das ging eine Weile gut, bis seine Frau zufällig davon Wind bekam. Sie verlangte, dass die Beziehung sofort aufhören müsse, sonst werde sie sich scheiden lassen. Außerdem müsse der Sekretärin sofort gekündigt werden.“

       „Ein ähnlicher Fall hat sich vor einigen Jahren auch bei uns ereignet“, bemerkte Arnim beiläufig, aber Jack ging nicht darauf ein. Sie schwiegen und blickten jeder in eine andere Richtung.

       Schließlich erkundigte sich Jack noch nach Einzelheiten aus dem Stuttgarter Büro und erfuhr dabei von dem Problem mit dem Klienten Stein.

       „Das ist auch eine Form der ‘kreativen Zerstörung‘“, meinte Jack, sicher aber in anderer Weise, als es seinerzeit vom Wirtschaftstheoretiker ‘Schumpeter‘ gemeint war. Wir könnten deinem Bekannten auch in dieser Situation helfen. Wir sollten ihm vorschlagen, sein Geschäft zu verkaufen, wenn er das will. Wir haben hier gerade eine internationale Akquisitionsstudie von einem der größten Nahrungsmittelkonzerne der Welt, der Firma NEWE in Luzern. Wenn wir die Firmen zusammenbringen, dann wäre wahrscheinlich beiden geholfen. Immer vorausgesetzt, dass Stein dazu bereit ist.“

       „Vor wenigen Tagen hätte ich das rundweg verneint, aber unter den gegebenen Umständen ist er wahrscheinlich