Judith Weber

Aloronice


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stellte sich an den Tisch und schwieg, während Hakon weiter aß und trank. Er war um einiges kleiner als sein Herr. Irgendwie sah er immer missgelaunt aus. Sein Gesicht hatte einen leicht gelblichen Ton und seine Mundwinkel schienen ewig nach unten geneigt. Man hatte Digun noch nie lachen hören. Sein Kopf war gänzlich kahl und auch die Kopfhaut schimmerte ungesund gelblich.

      Hakon war etwa einen Meter und achtzig groß, für einen Menschen keine überdurchschnittliche Größe, aber für die Erdmenschen dann doch ziemlich beachtlich. Er hatte einen unentwegt grimmigen Gesichtsausdruck, der noch durch seinen struppigen Bart verstärkt wurde.

      Trotz seiner Größe machte er einen gedrungenen Eindruck, da er fast ebenso breit wie hoch war. Alles in allem wirkte er ständig gereizt und schlecht gelaunt.

      „Trotzdem drängt die Zeit, Herr", Digun sah, dass der erste Hunger gestillt war und wagte es, seinen Herrn wieder anzusprechen.

      „Die Späher berichten, dass Prinz Claude im Begriff ist, seine Partnerin zu finden. Wenn er es schafft seinen Nachkommen zu zeugen, wird es schwieriger werden, die anderen Clans von einem Machtwechsel zu überzeugen."

      „Hmmmm", Hakon grummelte in seinen Bart, in dem noch reichlich Spuren seiner Frühstücksspeisen hingen.

      „Also sollten wir handeln, bevor das passiert ist?", Hakon nahm noch einen tiefen Schluck, „Bevor sich die Beiden gefunden haben?"

      „Es wäre zumindest von Vorteil. Ihr wisst, was die Prophezeiung sagt Herr", Digun blickte leicht angewidert auf seinen verfressenen Herrn, der immer noch über den Schüsseln hing und darum diesen Blick nicht bemerkte.

      „Ja, ich weiß, ich weiß", schmatzte dieser mit vollem Mund und er zitierte kaum verständlich zwischen all den Soßen und Fleischbrocken, die Weissagung der alten Magier:

      „Nach der Zeit des schwarzen Panthers wird sie kommen, die Herrschaft aller Herrschaften, es wird kommen der Eine, der das Dunkle ins Nichts drängen wird."

      „Eben", bekräftigte Digun, „ aber noch ist der Eine nicht einmal gezeugt worden und das sollte auch besser so bleiben."

      „Ich stimme dir zu", sagte Hakon, „also was ist der Plan?"

      War Hakon auch der Herrscher und körperlich übermäßig präsent, so war klar zu erkennen, dass Digun der Kopf von beiden war. Er war jedoch klug genug, dies Hakon niemals spüren zu lassen, sondern ihn unauffällig in die Richtung zu steuern und zu den Entscheidungen zu bringen, die er für richtig hielt.

      „Ich bin sicher", Digun senkte ergeben sein Haupt, „dass ihr es Euch schon überlegt habt. Und ich stimme Euch zu, dass wir diese Paarung", er stieß das Wort absichtlich verächtlich hervor, „ verhindern müssen. Da es äußerst schwierig werden wird, den jungen Prinzen zu erwischen, er wird ständig von seinen Leuten überwacht, sollten wir uns an das Mädchen halten. Wenn wir sie ausfindig machen können, wird es ein leichtes sein, sie in unsere Gewalt zu bringen und dann werden wir klarer sehen. Dann haben wir die Zukunft von Aloronice in unseren Händen und wir können die Regeln bestimmen." Digun redete sich so in Rage, dass Hakon plötzlich aufmerksam wurde und ihn misstrauisch betrachtete.

      „Was soll das heißen? Wir?"

      Digun bemerkte seinen Fehler, schluckte kurz und verbesserte sich schnell „ Natürlich spreche ich von Euch Herr. Ihr werdet das Schicksal von Aloronice in Euren Händen halten."

      „Gut! Das denke ich auch.", Hakon räkelte sich zufrieden auf seinem Stuhl. Er war jetzt satt und damit, in der für ihn freundlichsten Stimmung.

      „Also sollten wir Späher in die Menschenwelt senden, um das Mädchen ausfindig zu machen?", Digun sprach vorsichtig, der Anraunzer von eben hatte seine Wirkung nicht verfehlt.

      „Ich denke schon, schick unsere menschenähnlichsten Leute und wenn sie das Mädchen gefunden haben, sollen sie es herbringen, lebend!", Hakon grinste anzüglich, „ Mal sehen, vielleicht ist sie ja etwas für uns. Wie du weißt, habe ich nichts gegen Menschenfrauen. Das wär es doch, die Auserwählte gebiert einen Sohn der Dunkelheit. Also, veranlass das Nötige und schaff sie mir nach Hardun!" Er begann zu lachen. Digun zog sich rückwärts aus dem Raum zurück und hörte noch weit in die Gänge hinein das laute, ziemlich dreckige Lachen seines Herrn.

      „Was soll's", dachte Digun angewidert, „ noch brauche ich ihn, aber wenn die Macht dann erst mal unser ist, dann wird meine Stunde schon noch kommen.

      Vielleicht ist die Idee mit dem Sohn der Dunkelheit ja auch wirklich gar nicht so unbrauchbar. Möglicherweise hatte Hakon da ja mal einen seiner seltenen Geistesblitze."

      Hakons Späher

      Die Feier dauerte bis in die frühen Morgenstunden. Daniel brachte Marie noch bis zu ihrer Zimmertür. Sie hatten den ganzen Abend zusammen verbracht, getanzt, gelacht und waren sich dabei wesentlich näher gekommen, als Marie je geglaubt hätte.

      Daniel war ausgesprochen charmant und hatte sie mit Komplimenten überschüttet. Das tat gut! Marie fühlte sich wie eine Königin und war beschwingt und glücklich, als sie sich jetzt vom Parkplatz auf dem Weg in ihr Zimmer befand. Den merkwürdigen Zwischenfall im Garten hatte sie längst vergessen.

      Thea war schon vor ein paar Stunden mit Carlos verschwunden und Marie war sich ziemlich sicher, dass sie bei Carlos geblieben war.

      Daniel wartete, bis Marie ihre Tür aufgeschlossen hatte um sie dann erneut in die Arme zu nehmen. Das Flurlicht ging aus und sie küssten sich leidenschaftlich im Dunklen. Seine Küsse wurden drängender und Maries Knie wurden langsam weich.

      Daniel konnte wirklich gut küssen und nur mit einiger Mühe gelang es Marie sich von ihm loszureißen, sie legte ihre Hände auf seine Brust. „Meine Güte", dachte Marie, „was für enorme Brustmuskeln er hat." Mit großer Willenskraft schob sie ihn ein Stückchen von sich weg und versuchte zu Atem zu kommen.

      „Stopp!", sagte sie und lachte ihn an, „meine Güte, ich bekomme ja gar keine Luft mehr."

      „Die brauchst du jetzt auch nicht", Daniel war ebenso außer Atem und versuchte erneut sie zu küssen.

      „Daniel", Marie drückte mit einer Hand den Lichtschalter, der sich unmittelbar hinter ihrem Rücken befand.

      „Stopp!", Marie bot ihre letzte Widerstandskraft auf, „ich werde jetzt in mein Zimmer gehen, duschen und danach gleich ins Bett."

      Daniel drückte sie und grinste aufreizend. „Das ist doch eine wunderbare Idee", murmelte er ihr ins Ohr.

      „Ja, denn ich bin todmüde und will schlafen - und zwar allein - !", Marie hatte sich von ihm gelöst und stand im Türrahmen, die Klinke in der Hand. „Thea ist doch bei Carlos", versuchte Daniel zu argumentieren, „du hast sozusagen sturmfreie Bude".

      „Nein", sagte Marie, „ich habe eine wunderbar ruhige Bude. Und die ist heute für mich ganz allein. Bitte versteh doch, ich möchte nicht mit dir schlafen, heute noch nicht."

      „Okay", seufzte er, „das muss ich akzeptieren, aber du darfst auch nicht böse sein, dass ich es versucht habe", er schaute ihr tief in die Augen „und, dass ich es wieder und wieder versuchen werde. Bis du mir sagst ich soll es ganz lassen."

      „Ich bin keineswegs böse", Marie gähnte verstohlen „aber jetzt muss ich schlafen, sonst fall ich gleich hier einfach um. Gute Nacht, schlaf gut und vielen, vielen Dank für den schönen Abend". Sie drückte ihm noch schnell einen Kuss auf die Wange und schloss die Tür.

      Das Zimmer war dunkel und völlige Stille umhüllte sie. Nach der lauten Partymusik tat diese Stille fast weh. Marie vermeinte ein leichtes Piepen zu hören, aber das war nur die Reaktion ihrer Ohren auf die plötzliche Ruhe.

      Sie schaltete die kleine Lampe am Bett an und zog ihre Kleidung aus. Wie immer musste der Stuhl als Kleiderschrank herhalten. Langsam glich er dem schiefen Turm von Pisa. Marie balancierte ihre Hose vorsichtig oben auf der Turmspitze aus und ging ins kleine Badezimmer. Das heiße Wasser tat gut. Sie ließ es über ihren Rücken laufen, dabei fielen ihr immer wieder die Augen zu. Bei der