Judith Weber

Aloronice


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so leicht wird es dir wohl keine machen. Darum sagte ich ja auch, dass es für dich und deine Generation schwerer sein wird die Linie fortzuführen. Allerdings sind die Frauen heute so unabhängig, dass die Geburt eines Kindes ohne den passenden Vater an ihrer Seite nicht mehr zur Ächtung der Gesellschaft führt, das meinte ich mit leichter."

      „Du meinst so wie bei dir und Louise?"

      Laurent seufzte „Ja, das habe ich gemeint. Die Frauen früherer Generationen mussten sich die abenteuerlichsten Geschichten zum Verschwinden ihrer Männer ausdenken und das", sein Blick verklärte sich „obwohl sie nicht einmal wirklich wussten wo wir geblieben waren." „Hmmm", Claude dachte nach „ aber, wie leben wir dann weiter? Unser Sohn", er sprach dieses Wort sehr zögerlich aus, denn die Vorstellung, dass er irgendwann ein Kind haben sollte, machte ihm ein wenig Angst und Unbehagen, „ lebt doch getrennt von uns. Wie leben wir damit? Wie leben wir hier damit weiter? Bleiben wir danach allein? Oder finden wir hier in Aloronice eine Frau, mit der wir unser Leben teilen können? Vergessen wir die Mutter des Kindes? Zumindest nach einer Weile?", fügte er noch hinzu, da ihm die Geschichte seines Großvaters immer noch vor Augen stand.

      Laurent sah seinen Enkel an, wie er so vor ihm saß, die Augen weit geöffnet und das Gesicht leicht erhitzt. Er wusste, der Schmerz ließ nach mit der Zeit, aber er verschwand nie völlig. Immer würde ein Rest der großen Liebe in einem zurück bleiben. Das war ihm so gegangen und auch seinem Sohn, nur sein Sohn hatte damit nicht leben wollen.

      Er wollte Claude nicht unnötig ängstigen, darum stand er jetzt auf und sagte:" Doch Claude, wir vergessen und wenn es furchtbar schlimm wird, gibt es auch noch die Möglichkeit der Heiltränke, die es uns leichter machen."

      „Heiltränke? Was für Heiltränke?", im Geiste ratterte Claude alle Bezeichnungen von Heiltränken durch, die er während seiner Ausbildung auswendig gelernt hatte.

      „Lass es für heute gut sein", Laurent legte ihm seine Hand auf die Schulter, „es wird sich beizeiten schon finden. Noch hast du ja Zeit, noch hast du die Frau die du suchst gar nicht gefunden!"

      „Ich suche nicht!". Claude sprang auf, „ich will nicht suchen und ich will dieses ganze Erbe-Theater auch nicht mitmachen!" Er war wütend, er war frustriert, welcher junge Mann wollte auch hören, dass sein Lebenszweck überwiegend darin bestand einen Sohn zu zeugen, das war doch absurd!

      „ Es ist gut", Laurent drehte sich zu seinem Enkel um „ es ist gut! Du wirst nicht gezwungen etwas zu tun, was du nicht möchtest. Genieße dein Leben, noch bin ich da und kann dir die meiste Verantwortung abnehmen. Genieße dein Leben, aber vergiss nie, was ich dir eben erzählt habe. Sei dir deiner Verantwortung stets bewusst."

      Es war gut, dass Claude den Ausdruck auf Laurents Gesicht nicht sah, als dieser den Raum verließ, dieses wissende Gesicht, welches Erwachsene gern machen, wenn sie den Ausführungen ihrer Kinder lauschen. Dieses wissende Gesicht, das zu sagen schien: „Warte nur ab! So war ich auch einmal, auch ich habe geträumt, aber auch du wirst merken, dass es anders kommt als du glaubst!"

      Der Rat

      Laurent schloss die Tür, er seufzte, er wusste, dass er einen wütenden und aufgelösten jungen Mann verließ, der im Moment gegen alles rebellierte, was sein Weltbild in Frage stellte. Er wusste, dass schwierige Zeiten auf Claude zukommen würden und es tat ihm leid.

      Dann aber straffte er seine Schultern und gab sich einen Ruck. Es gab auch noch andere, zurzeit vielleicht sogar wichtigere Dinge zu regeln.

      Der Rat hatte eine Versammlung anberaumt, Gesandte der Drachenjäger waren auf die Burg gekommen, es gab Unruhen an der Grenze des Landes. Hakon, der Oberste des Golemclans, rüstete zum Widerstand. Noch war unklar, ob er eine tatsächliche Bedrohung darstellte, oder ob es sich um reines Säbelrasseln handelte.

      Das Erdvolk war tief verwurzelt mit dem Land auf welchem sie lebten und hatte seinen Ursprung in den Geheimnissen und Kräften der Erde. Seit ewigen Zeiten waren sie die Hüter aller Erdschätze. Zu ihren Clans zählten sowohl die Zwerge, als auch die Gnome und Trolle. Ihre Kultur war geprägt durch Gewalt aber auch Schönheit. Man sagte ihnen nach, mit allen und jedem im Krieg zu sein, der ihre Heimat, ihr Land nicht ausreichend respektierte.

      Nun gab es also beunruhigende Nachrichten und Laurent und der Rat mussten über mögliche Konsequenzen beraten.

      Während er durch die zahlreichen Gänge der Burg schritt, sammelte er seine Gedanken und versuchte, sich auf die ihm bevorstehende Ratssitzung einzustimmen.

      Er betrat den großen Sitzungssaal und stellte fest, dass alle Mitglieder des Rates bereits Platz genommen hatten.

      Der Saal war groß und hell, jetzt jedoch waren die schweren Vorhänge zugezogen und nur die großen Versammlungskerzen erhellten den Raum. Direkt gegenüber, am Ende des Saales war der lange Tisch aufgebaut, der sowohl als Runde zusammengestellt, als auch als eine Art Richterbank in einer Linie aufgebaut werden konnte. Zu dieser Sitzung war er im Halbrund aufgestellt, so dass sich die Vertreter des Rates ansahen, wenn sie miteinander sprachen, es aber auch eine Öffnung gab, durch die die auf der Burg angekommenen Gesandten der Drachenjäger zum Bericht gerufen werden konnten.

      Alle hatten sich bereits versammelt, das Gemurmel verstummte, als er den Raum betrat.

      Ganz links am Tisch erkannte er die fünf Abgeordneten der Elfengleichen. Ganz außen saßen die Lichtelfen Ellylon und Akberet, direkt daneben die Wassernymphen. Zuerst die Quellnymphe Sonia, dann die Meernymphe Panopeia. Als letzten Vertreter der Elfengleichen erkannte Laurent den Nachtelben Evul.

      Evul hatte eine besondere Stellung im Rat inne, als Nachtelbe stand er den Erdvölkern näher, als alle anderen Elfengleichen. Sein Clan lebte ebenso wie sie unter der Erde und war den Erdvölkern durch den gemeinsamen Lebensraum stärker verbunden, als die anderen Lichtgestalten. Auf ihm ruhte heute auch die große Hoffnung Laurents, etwas Klarheit über den tatsächlichen Ablauf der bisherigen Ereignisse zu erhalten.

      Laurent nickte den Abgesandten der Elfengleichen zu und ließ seinen Blick weiterschweifen, auf die Menschenähnlichen. Neben Evul saß groß und bullig wie ein Bär, Alexander der Drachenjäger. Seit vielen tausend Jahren schon lebte sein Clan in Gemeinschaft mit den körperlich stärksten Wesen von ganz Aloronice in einer Symbiose, die von gegenseitigem Respekt geprägt war. Selten sah man einen Drachenjäger ohne seinen ihm anvertrauten Drachen, oder den Drachen ohne seinen Drachenintimus. Die Bezeichnung Drachenjäger war vielleicht etwas irreführend, denn die Drachenjäger jagten die Drachen nicht, oder nicht mehr. Es mag am Anfang der Zeit gewesen sein, da haben die ersten

      Menschen Jagd auf die Drachen gemacht, aber das war lange vorbei. Inzwischen suchten die Drachen sich ihre Menschengefährten unmittelbar nach ihrer Geburt selber aus und blieben dann ein Leben lang mit ihnen verbunden. Laurent kannte den Drachen, der zu Alexander gehörte gut. In den vergangenen Jahren war er oft mit Levian und Alexander durch das Land gereist.

      Laurent schmunzelte bei dem Gedanken, dass sich Levian, wie immer, wenn er auf der Burg war, bestimmt im hinteren Teil des Gartens niedergelegt hatte und vermutlich mit seiner Körpermasse die sorgsam gepflegten Blumenbeete der Hauswalterin Henriette restlos zerstörte.

      Zur Laurents Rechten saß sein Vasall Leon, seit ewigen Zeiten sein treuer Gefährte. Er war, ebenso wie Laurent ein Metamorph. Seine zweite Gestalt war die einer Antilope und sie hatten als Wolf und Antilope, aber auch als Menschen schon viele Zeiten durchlebt, immer in innigster Freundschaft verbunden. Leon hatte Laurent auch immer wieder im Rat vertreten, wenn dieser sich um Claude in der anderen Welt gekümmert hatte. Im Gegensatz zu Laurent war Leon klein und zierlich, sein Haar, inzwischen von blond zu grau gewechselt, war immer noch lang und fiel ihm über seinen Rücken. Trotz seines Alters wirkte er unglaublich agil und behände und strahlte eine unglaubliche Energie und Lebensfreude aus. Im Laufe der Jahre hatte er sich zu einem angesehenen und überaus begabtem Heiler entwickelt, dessen Rat in ganz Aloronice sehr gefragt war.

      Der Stuhl neben Leon war frei, es war der prächtigste Stuhl von allen, mit einer hohen Rückenlehne aus rotem Samt. Oberhalb der geschnitzten Rückenlehne prangte das Wappen mit dem Wolfsgesicht. Irgendwann in naher Zukunft würde dort ein schwarzer Panther zu sehen