nicht nur dein Körper auf eine Frau reagiert, sondern dein ganzes Wesen in Aufruhr gerät. Dann musst du verflucht noch mal, aufpassen!"
Claude schaute ihn irritiert an, so heftig hatte er Laurent noch nie sprechen hören.
„Hör mir zu", fuhr er fort, „ ich werde dir jetzt den Rest deiner Geschichte, unserer Geschichte erzählen und ich möchte, dass du aufmerksam zuhörst!"
Laurent atmete tief durch und sprach mit tiefer Ernsthaftigkeit.
„Was du jetzt erlebst, gehört zum Erwachsenwerden dazu, jeder probiert sich aus und das gilt ganz besonders in Verbindung mit dem anderen
Geschlecht. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange es auf beiderseitigem Einverständnis beruht. Es ist auch völlig normal, wenn sich dabei ein Gefühl der Verbundenheit, der Verliebtheit einstellt."
Claude wurde zunehmend befangener, das war doch kein Thema das zwischen Großvater und Enkel besprochen werden sollte, aber ehe er etwas einwenden konnte, fuhr Laurent schon fort:
„ Wir, als Oberste der Stämme haben jedoch auch für den Fortbestand der Dynastie zu sorgen und dazu beizeiten einen Thronfolger zu zeugen. Wann das sein wird ist ungewiss, aber das es kommen muss steht außer Frage.
Ich zeugte deinen Vater vor etwa fünfzig Jahren. Ich war wie du, oben in der Außenwelt unterwegs, auch ich hatte so meine Abenteuer", ein leicht amüsiertes Grinsen huschte über Laurents Gesicht, als ob er sich noch recht gut an die vergangenen Zeiten erinnerte.
„Man hatte mir gesagt, dass ich es merken würde. Es merken würde, wenn die Eine, die Richtige käme, mit der ich einen Sohn haben würde. Man hatte mich auf die Mächtigkeit der Gefühle hingewiesen, die mit dieser Verbindung einhergehen würden und doch traf es mich unerwartet heftig als ich sie das erste Mal sah. Deine Großmutter war eine wunderschöne Frau. Ich sah sie zum ersten Mal in einem Cafe'. Wir verliebten uns auf der Stelle ineinander und machten die tollsten Zukunftspläne. Noch ahnte sie nichts von meiner wahren Identität, aber ich plante sie mitzunehmen hierher, sie zu meiner Königin zu machen wenn es soweit wäre. Ich hatte ja keine Ahnung!"
Laurent blickte müde und mit großem Schmerz auf Claude und fuhr leise fort, „ Wir heirateten in der Außenwelt, denn ich musste ja vor ihr und ihren Eltern den Schein waren. Ich war mir sicher, dass sie mir folgen würde, wenn wir erst verheiratet wären."
Er seufzte „ Sie wurde schwanger, mit deinem Vater, und der Rat der Stämme schien äußerst zufrieden mit mir. Ich war glücklich und ich war dumm und naiv. Der Rat verweigerte die Aufnahme von Louise in unser Land. Keine rein menschliche Frau sollte Aloronice betreten. Ich war verzweifelt, mein Vater, der Regent verstarb, noch während Louise unser gemeinsames Kind unter dem Herzen trug. Ich musste den Vorsitz des Rates sofort übernehmen, dazu musste ich mich aber in Aloronice aufhalten, gleichzeitig wollte ich bei Louise sein. Der Rat gewährte mir eine Gnadenfrist und ich durfte zwischen der Außenwelt und Aloronice hin und her pendeln. Dein Vater Jerome wurde geboren und ich musste mich entscheiden. Ich blieb in Aloronice, wie es unsere Bestimmung war und ist, seit Anbeginn. Ich sorgte dafür, dass mein Sohn einen Gefährten zur Seite bekam und einen weisen Begleiter, einen erfahrenen Metamorph. Er wohnte im selben Haus wie Louise und war der gute Onkel von nebenan. Dann verließ ich die beiden Menschen, die ich mehr als alles auf der Welt liebte und ging zurück zu meiner Pflicht. Ich habe Louise damit das Herz gebrochen, ich weiß es. Sicher fragst du dich, warum ich nicht weiter zwischen Aloronice und der Außenwelt gependelt bin, aber wir dürfen unsere Söhne in der Außenwelt nicht sehen. Sie sollen aufwachsen wie ganz normale Menschenkinder und was noch viel wichtiger ist, die Mütter dürfen auf gar keinen Fall von Aloronice erfahren, schon zu ihrem eigenen Schutz. Louise zog unseren Sohn auf, doch sie war zart und kränklich, kurze Zeit nach Jeromes fünfzehntem Geburtstag starb sie, ich hatte sie nicht mehr wiedergesehen. Dein Vater kam in die Obhut seiner Großeltern. Als seine Zeit gekommen war, erhielt er die gleiche Ausbildung wie du jetzt und ich war überglücklich ihn bei mir zu haben. Wenigstens ein Teil von Louise war mir geblieben."
Laurent griff zur Wasserkaraffe, die auf einem kleinen Tischchen vor ihm stand, goss sich ein Glas davon ein, nahm einen tiefen Schluck, schloss kurz die Augen und fuhr leise fort." Dein Vater war ein ebenso ungestümer junger Mann wie du heute, du siehst ihm übrigens recht ähnlich, nur deine Augen erinnern an deine Mutter. Deine Mutter, sie hieß Sarah, lernte dein
Vater auf einem seiner Streifzüge durch die Stadt kennen. Es war wie bei Louise und mir, Liebe auf den ersten Blick. Jerome und Sarah mussten nicht heiraten, die Zeiten hatten sich geändert. Bevor die Sache zu ernst wurde, habe ich mit Jerome gesprochen, so wie jetzt mit dir. Ich habe ihn auf die Notwendigkeit eines Thronfolgers hingewiesen, habe ihm aber auch die Bedingungen und die daraus folgenden Konsequenzen eindeutig geschildert. Ich hatte den Eindruck, er hatte mich verstanden und war bereit, die Konsequenzen ebenso zu tragen wie ich es einst getan hatte. Aber er war auch ein Kind von Louise und dass wohl mehr, als ich geglaubt hatte. Er brachte Sarah heimlich mit hierher, hier in die Burg, sie war schwanger, schwanger mit dir und Jerome bestand darauf, dass sie bei ihm bliebe. Die Zeit der Schwangerschaft waren sie überglücklich miteinander, ich brachte es nicht übers Herz die beiden zu trennen. Wir alle drei versuchten das drohende Unheil zu ignorieren, denn auch der Rat hielt ganz still und schien Sarahs Aufenthalt in Aloronice zu dulden. Es war noch nie eine rein menschliche Frau für eine derart lange Zeit in unserem Land gewesen. Sarah lebte unter uns wie unter Ihresgleichen. Es war abgesprochen, dass sie nach der Geburt das Land wieder verlassen sollte, schon damals gab es Tränke die sie Aloronice und ihren Aufenthalt hier hätten vergessen lassen. Dann kam der Tag der Geburt, deiner Geburt. Du hattest es sehr eilig und kamst zu früh auf diese Welt. Ich spürte, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte. Die Schatten kamen näher, die Schatten sammelten sich um Sarah, ich konnte sie spüren, ich konnte sie sehen, aber es war zu spät. Die Zeit war zu knapp um sie zurück zu bringen, die Geburt stand unmittelbar bevor. Es war ein Tag der Freude, du wurdest geboren und Aloronice hatte seit ewigen Zeiten wieder einen Thronfolger, der im eigenen Land geboren war, du bist also in mehrfacher Hinsicht etwas besonderes, selbst hier in Aloronice. Es war aber auch ein Tag der Trauer, denn unmittelbar nachdem du geboren warst und somit das Einzige was Sarah körperlich mit uns verbunden hatte aus ihrem Körper entschwunden war, verlor sie die Fähigkeit in diesem Land am Leben zu bleiben. Kurz nach der Geburt verstarb sie, wir konnten sie nicht mehr rechtzeitig zurück bringen. Jerome stürzte in tiefste Verzweiflung. Als wir auch dich von ihm trennen mussten, verlor er zunehmend seinen Lebensmut. Ich versuchte ihn zu trösten, indem ich deine Erziehung übernahm, ich bin nicht dein Vater und konnte diese Regelung vor dem Rat durchsetzen. Jerome reichte dieser Trost jedoch nicht, er stürzte sich als Tiger in unsinnige und überaus gefährliche Kämpfe an der Grenze des Reiches. Er war zum Kamikaze geworden und eines Tages erreichte uns die Nachricht von seinem Tod, ich glaube er hat ihn gewollt."
Laurent unterbrach seine Erzählung und schaute Claude intensiv in die Augen. „Das musst du wissen, Claude! Du musst wissen: Wenn dir die Eine begegnet, dann wirst du sie haben können, aber nicht behalten. Genauso wenig wird sie dich behalten können! Das musst du wissen und - bedenken - !"
Die Erzählungen seines Großvaters gaben Claude eine Menge Stoff zum Nachdenken und nach einer längeren Pause sah er Laurent an und fragte: „ Du sprichst immer von DEM Erben, ist es denn noch nie passiert, dass eine Erbin geboren wurde?"
„Soweit ich zurückdenken kann nicht, es mag sein, dass unter der Regentschaft anderer Stämme eine Thronfolgerin geboren wurde, es spricht ja auch im Prinzip nichts dagegen, aber bisher hat sich in unserem Hause nur die männliche Linie durchgesetzt."
„Verzeih, „ Claude schien seine Gedanken weiterhin zu sortieren, „ aber ist das Ganze nicht ein wenig, wie soll ich sagen, an der Zeit vorbei? Ich meine heutzutage warten die Frauen doch nicht wirklich mehr auf den einen Prinzen, dem sie dann einen Erben gebären können, oder?" „Nein", seufzte Laurent, „das tun sie heutzutage wirklich nicht mehr. Darum ist es für dich ja auch besonders schwer mit dieser Bestimmung umzugehen. Und auch wieder nicht."
„Wieso nicht?", fragte Claude „ Ich kann mir kaum vorstellen, dass sich ein Mädchen in meine Arme wirft und sagt: „Ich will ein Kind von dir! " Abgesehen davon, dass ich das auch reichlich bizarr fände!" er schüttelte sich ein wenig