Anna J. Heeb

Sieben Farben


Скачать книгу

Die Bilder waren sehr fein ausgearbeitet. Peter fand sie sehr schön. Lara stand neben ihm und schien noch gedankenverlorener zu sein.

      „Sag mal“, flüsterte sie, „hast Du schon mal einen Knonk gesehen?“

      Peter schaute sie erstaunt mit großen Augen an. „Geht es Dir nicht gut?“ Was sollte das denn sein, ein Knonk? Peter fing an, sich Sorgen zu machen.

      „Nein, ist alles in Ordnung.“ Lara verzog das Gesicht und schlurfte weiter. Komische Sachen passierten hier… wirklich komische Sachen…

      Peter schaute ihr kurz nach und folgte ihr dann.

      Im nächsten Raum waren einige Gemälde aus der Romantik ausgestellt. Ein Wanderer schwebte verloren über den Wolken. Er sah aus, als wäre er der einzige Mensch auf der ganzen Welt. Peter schauderte es. Er blickte zum nächsten Bild. Ein paar Leute saßen an irgendwelchen Felsen und blickten aufs Meer. Das gefiel ihm. Er ging weiter. Da lag ein Schiff ziemlich kaputt unter einem Haufen von Eisschollen. Das war sehr traurig.

      ‚Wer hängt sich denn so was ins Wohnzimmer?’ dachte er.

      Lara schaute sich derweil das Gemälde von der Felsenküste genauer an. Moment… Das Bild schien von Nahem betrachtet richtig zu flirren. Und dann geschah etwas Merkwürdiges. Das Blau wurde immer milchiger und blasser und dann verschwand es plötzlich ganz. Nur ein ganz blasses Grau mit einem leichten Lilastich blieb erhalten. Die anderen Farben verblassten ebenfalls, eine nach der anderen. Das Bild war innerhalb von Sekunden fahl. Lara stutzte. Das war eben in dem anderen Raum doch auch mit einer Vase passiert. Gerade war sie noch schwarz-rot gewesen und plötzlich hatte sie die Farbe in ein gräuliches Lila gewechselt. Jetzt reichte es aber. Was war das denn hier für ein seltsamer Ort?

      Sie ging zu dem Referendar, der sich zum wiederholten Male die Brille zurechtrückte. „Äh, Herr Krenzler, das Bild hier hat gerade die Farbe gewechselt.“

      Herr Krenzler drehte sich zu Lara und lächelte freundlich. „Aber Lara, das kann nicht sein. Wahrscheinlich… äh… hat gerade die Sonne durch das Oberfenster geschienen und auf Grund der neuen Lichtverhältnisse hat sich die Farbwirkung des Bildes etwas geändert. Lass uns mal weitergehen.“

      Lara schüttelte leicht den Kopf. Sie schaute das Bild nochmals an. Nein, es war wirklich aschfahl mit einem leichten Lilaeinschlag. Sie schaute Herrn Krenzler entgeistert hinterher und folgte ihm widerwillig. Dabei drehte sie sich noch mehrmals nach dem verblassten Bild um.

      Im nächsten Raum befanden sich Bilder, deren Maler offensichtlich ein Problem hatten, den Pinsel ruhig zu halten. Alles war getupft, nirgends war eine richtige Linie zu erkennen. Zudem wirkten ihre Farben recht blass. Manche Bilder sahen aus, als wären sie regelrecht vergammelt.

      „Was ist denn hier passiert?“ fragte Herr Krenzler den kleinen, untersetzten Mann, der ziemlich entsetzt vor einem sehr ergrauten Bild stand und den er offenbar kannte.

      „Hans, Mensch, lange nicht mehr gesehen…“ Der Mann erkannte Herrn Krenzler. „Tja, wir vermuten Schimmel. Das Labor kann aber auch nix genaues sagen. Also, mit einem Wort: Wir haben keine Ahnung.“ Der Mann schaute ziemlich resigniert drein und schüttelte hilflos den Kopf.

      „Und warum habt Ihr diesen Raum nicht für Besucher gesperrt? Sieht ja echt schlimm aus.“

      „Dieser Raum war bis vor einer Stunde noch nicht befallen, ansonsten hätten wir ihn doch zugemacht. Das hier ist mir gerade aufgefallen, als ich noch mal einen Rundgang machen wollte. Wir müssen den Saal sofort schließen.“

      „Habt Ihr denn noch mehr solcher Fälle?“

      „Und ob, im rechten Trakt mussten wir schon sechs Säle schließen und im linken drei. Hier in der Mitte waren es bis jetzt zwei. Und wir sind nicht das einzige Museum mit diesen Problemen. Überall verblassen die Bilder über Nacht, wie von Geisterhand. Bis jetzt hat noch keiner herausbekommen, woran es liegt. Wie gesagt, wir tippen bis jetzt auf Schimmel, aber man kann keine Spuren eines Schimmelpilzes an den Bildern feststellen. Man kann genau genommen gar nichts feststellen. Die Oberfläche ist vollkommen unbeschädigt. Die Farbsubstanz ist unverändert. Schau hier, an der Struktur hat sich nichts geändert. Man sieht immer noch die Pinselspuren. Es ist, als wären die Farben einfach aus den Bildern verschwunden und es bleibt nur noch ein seltsames Grau mit einem leichten Lilastich…“

      „Ja, dass Ihr Hornochsen das Problem nicht erkennt, ist mir klar. Und das ist erst der Anfang.“ Lara hatte ganz vergessen, dass sie ja einen kleinen Verfolger hatte. Peter schaute erst ihn und dann sie ungläubig an.

      „Wo hast Du denn den Kobold her?“

      „Ich bin…“ wollte der Knonk gerade in lautem Ton ansetzen, da hielt Lara ihm den Mund zu.

      „Pst“, zischte sie ihm zu. Dann schaute sie Peter wieder an. „Das ist ein Knonk. Den hab ich in dem anderen Raum getroffen. Ich weiß auch nicht, wo er herkommt. Aber ich glaube, er ist sehr anhänglich.“

      Der Knonk schaute die beiden böse an. Lara warf ihm einen drohenden Blick zu und nahm dann die Hand von seinem Mund. Er verkniff sich weiteres Geschwätz, wirkte aber äußerst entnervt.

      Herr Krenzler verabschiedete sich von dem Mann und lotste die Gruppe in einen anderen Ausstellungsraum. Hier hingen Bilder, die zeigten nichts außer Farben. Eine Leinwand war ganz violett. Lara stutzte. Was sollte das denn nun?

      Was ist ein Knonk?

      „Hast Du Hunger?“ Lara schaute den Knonk an. Sie waren noch ein bisschen im Großen Museum herumgegangen. Da aber eine ganze Reihe von Sälen wegen der seltsamen Verfärbungen der Bilder geschlossen war, musste die Exkursion früher beendet werden als erwartet. So konnte die Schulklasse schon um eins nach Hause gehen. Jetzt saß Lara zusammen mit Peter in ihrem Zimmer und versuchte herauszubekommen, wer ihr anhänglicher Besucher eigentlich war.

      „Ja“, antwortete der etwas kleinlaut. Offensichtlich fühlte er sich in der ungewohnten Umgebung nicht wohl. Lara ging in die Küche herunter und kam mit Brot, Käse und Saft wieder hinauf in ihr Zimmer. Der Knonk musste sehr hungrig und durstig sein, denn er schlang alles in sich hinein ohne ein einziges Mal zu meckern. Dann lehnte er sich zufrieden im Bett an das Kopfkissen und entspannte sich sichtlich.

      „Also“, setzte Peter an, „wer bist Du und was machst Du hier?“

      „Ich bin ein Knonk, das hab ich doch schon gesagt.“

      „Was ist ein Knonk?“ fragte Lara.

      Das kleine Wesen verdrehte die Augen. Immer diese dummen Palidonier. „Ein Knonk ist ein Knonk. Ganz einfach. Ich frag ja auch nicht, was ist ein Palidonier…“

      „Palidonier?“ Peter schaute noch ungläubiger.

      „Ja, Du bist ein Palidonier. Ich bin ein Coloranier. Ist doch klar.“

      „Aha“, entfuhr es Lara.

      „Also“, der Knonk merkte, dass er es wohl mit sehr unwissenden Zeitgenossen zu tun hatte. Er musste also ganz von vorn anfangen. „Ich bin aus Coloranien nach Palidonien entsendet worden. Von der Weißen Königin. Sie schickt mich, um einen oder mehrere Sehende zu finden, die ihr und damit uns allen aus der dummen Misere helfen, in die wir geraten sind.“

      „Und was ist diese Misere?“ hakte Lara nach.

      „Die Lila Bleiche greift um sich.“

      „Lila Bleiche?“ wiederholte Lara fragend.

      „Naja, eigentlich heißt das Problem Palioviolettuenziaria.“

      „Das kann ja keiner aussprechen!“ rief Peter da.

      „Ja, genau. Deshalb wird das Ganze ja auch von allen nur Lila Bleiche genannt“, erklärte der Knonk.

      „Und was heißt das jetzt genau?“ wollte Lara wissen.

      „Unsere Welt bleicht aus. Wir verlieren die Farbe.“

      „Wie die Bilder im Großen Museum?“ warf Peter da ein.

      „Ja,