Lara Johnson

Große Füße


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argumentierte er. So ein Blödsinn, schwachsinniges Herausreden war das für mich, mehr nicht. Das ganze Theater klang eher ganz danach, als wolle er einfach nur den Chef raushängen lassen und mal 'ne Runde schlechte Laune verbreiten. “Ist das schon mal vorgekommen? Hat sich schon mal jemand beschwert?”, fragte ich. “Nein, aber könnte ja mal passieren”, antwortete er. “Ja nee, ist klar, aber sonst noch alles tutti?”, war mein letztes Wort bevor ich mich umdrehte, ihn stehen ließ und meiner Arbeit nach ging.

      Ich war so sauer, innerlich am Kochen. Gerade er war für solche Sachen ein schlechtes Vorbild und sollte sich lieber mal selbst an die eigene Nase fassen. Ich wusste, dass ich in dem Punkt im Recht war, allerdings wusste ich auch, dass ich so hätte nirgendwo anders reagieren können, ohne sofort die Kündigung zu bekommen. Doch anstatt mich zu beruhigen und es auf sich beruhen zu lassen, nö, kochte ich über und fuhr Frank nach. Er war mittlerweile im Aufenthaltsraum.

      Kaum hatte ich die Türe auf, keifte ich sofort los: “Was ist eigentlich los mit dir? Drehst du jetzt völlig am Rad. Was ist da in deinem Kopf nicht ganz normal im Moment? Früher wäre dir das vollkommen Wurscht gewesen.” “Ja und was ist, wenn diese Dinge hinterher so weit gehen, dass da einer von euch nachher noch im Laden steht und Kaffee trinkt?”, fragte Frank. “Ja sonst noch was? So übertreiben würde das keiner”, antwortete ich wütend. “Ich weiß nicht, kann ja sein. Würde mich hier auch nicht mehr wundern”, sagte er mit einem leicht sarkastischen Lächeln. “Wie lange willst du diese Show eigentlich noch abziehen?”, fragte ich ihn patzig. “Wieso denn, was denn?”, stellte er sich auf doof. “Jetzt tu doch nicht so. Du wendest dich ab von allen. Redest kaum noch ein Wort mit dem Chef. Verhältst dich wie ein Offizier beim Militär. Ziehst eine Fresse, als wenn gleich die Welt untergehen würde und machst deine Arbeit auf einmal total lieblos. Jeder hat hier seine Probleme und sein Päckchen zu tragen, nur keiner verhält sich so wie du”, keifte ich ihn an. “Ich guck, dass ich hier meine acht Stunden um bekomme und fertig. Wenn der Chef irgendwas will, soll er es sagen. Mir ist das alles so egal”, antwortete er. “Ich finde das scheiße wie du dich verhältst und auf mich kannst du in Zukunft nicht mehr zählen, nicht, wenn du so weiter machst”, sagte ich wieder wesentlich ruhiger jedoch immer noch bestimmend und verließ den Raum.

      Dies sollten dann vorerst meine letzten Worte sein, die ich mit ihm sprach. Ich kam einfach mit seiner neu erworbenen, ungerechten Art, seinem ständigen Befehlston und seiner fortschreitenden, schlechten Laune nicht mehr klar. Traurig machte mich nur, dass er vor einigen Monaten noch ganz anders war.

      Auch wenn mir diese Situation innerlich schon sehr weh tat, ließ ich es mir gegenüber ihm und den anderen Kollegen nicht anmerken. Schauspielern konnte ich echt verdammt gut, was so etwas betrifft.

      Nach diesem unschönen Gespräch mit Frank, fuhr ich raus mit meiner Maschine, versteckte mich ein paar Minuten und weinte vor Enttäuschung. “Wie kann man sich nur so drehen? So langsam reicht es mir, schon wieder ein Mann weg, die sind doch alle bekloppt, ich kann es nicht begreifen”, dachte ich bedrückt. Dann dachte ich an Kai und daran, dass es gleich wieder halb fünf sein würde. Ich lächelte verträumt, während mir die Tränen herunterkullerten und freute mich auf den Feierabend.

      Kapitel 4

      Tanken mal anders

      Allmählich wurde es herbstlich. Trotz der vergangenen Ereignisse und der bevorstehenden depressiven Jahreszeit, wollte ich mich nicht hinsetzen und Trübsal blasen. Zwar wäre es schön gewesen, hätte es eine Art Resetknopf in meinem Kopf gegeben, doch das war nun mal nicht der Fall. Buddha sagt: “Akzeptiere was du nicht ändern kannst”, habe ich mal irgendwo gelesen. “Gut, tun wir dies und weiter geht's, geht es ja schließlich im­mer irgendwie, auch ohne langjährige, gute Freun­de, verdammt”, dachte ich schon leicht wehleidig.

      Jetzt stand mir erst einmal eine kleine Überraschung ins Haus. Man soll es kaum glauben, aber da war ich doch glatt auf Boris Geburtstag eingeladen, wo ich absolut nicht mehr mit gerechnet hatte. Er feierte diesen wie jedes Jahr bei sich im Garten inklusive Lagerfeuer und allem Pi Pa Po. Mit gemischten Gefühlen und Sunny im Schlepptau ging ich brav dort hin. Hätte ich damals gewusst, dass ich diesen Garten zum letzten Mal betrete, dann hätte ich seine volle Schönheit wohl mehr be­achtet.

      Boris wurde so einiges in die Wiege gelegt. Seine Mutter besaß ein großes, schönes Haus mit ei­nem Garten so groß, dass genügend Platz für mein Pferd gewesen wäre. Er selbst wohnte dort in seiner eigenen, separaten Wohnung.

      Der Abend war, trotz des großen Vergnü­gungsangebotes recht trocken, anders als sonst. Es wurde zwar wie üblich getrunken, Tischtennis ge­spielt, gekickert, Musik gehört und gegrillt, doch von Boris sah man nichts. Gerade eben war es mög­lich ihm alles Gute zu wünschen und zu fragen wie es ihm geht und zack war er wieder verschwunden. Sogar mit seiner neuen Freundin sprach ich, wenn auch nicht viel, aber immerhin mehr, als mit ihm. Eigentlich machte sie einen ganz netten Eindruck, obwohl ich mich mit ihr sicherlich nicht groß unter­halten hätte, wenn sie nicht mit Boris zusammen ge­wesen wäre. Sie war einfach nicht mein Typ. Hat man ja schon mal. So wirklich auf einer Welle schwammen wir nicht, aber ich denke wir wären si­cher irgendwie miteinander ausgekommen.

      Mehr oder weniger saßen Sunny und ich hinterher nur dumm da rum. “Alle mal her hören bitte, ich habe eine Rede, die ich gerne halten wür­de”, ertönte eine Stimme aus der Menge, welche zu Boris Freundin gehörte. “Na das kann ja was werden”, dachte ich, verdrehte die Augen und beobachtete die Reaktio­nen der anderen Gäste. “Ey, irre ich mich oder kennen die zwei sich erst seit ein paar Wochen”, ging mir durch den Kopf und was Boris von solchen Reden hielt, wusste ich auch, nämlich nix. Zumindest war dies bisher so.

      Leider kann ich heute den genauen Inhalt des Vortrags nicht mehr wieder geben, doch eines weiß ich noch mit Sicherheit, es war das absolut Schnulzigste, was ich bis dato in meinem Leben gehört hatte. Jede Milch wäre, wenn dort vorhanden gewesen, auf Anhieb sauer geworden und hätten wir nicht unter freiem Himmel gesessen, wären sicherlich alle von der heruntergestürzten Decke erschlagen worden.

      Ich dachte, ich brech ins Essen, als ich das hörte. Oh… mein… Gott. Mein Grinsen verbarg ich hinter meiner Hand, besser war es. Das Boris sich ein wenig schämte sah man ihm an, doch er trug es mit Fassung, versuchte es zu verbergen und bedankte sich bei seinem herzallerliebsten Schnuckelmäuschen. Also Romantik ist ja schön und gut. Verliebt sein und es zeigen, auch schön und gut. Sich nette Worte sagen, sicherlich auch gerne, aber bitte doch unbedingt alles in Maßen und nicht so übelst, dermaßen übertrieben wie in dieser Rede. Na ja, jedem das seine, dachte ich und konnte mein Lachen kaum zurückhalten, umdrehen half dagegen.

      Damals habe ich wirklich gedacht: “Ach du heilige Scheiße, was sind die zwei bekloppt.” Heute aller­dings sehe ich das alles etwas anders. Zwar finde ich dieses Liebesgeschnulze immer noch zu über­trieben, jedoch nicht ihr gemeinsames Miteinander. Sicherlich war es nicht unbedingt richtig alles andere und vor allem jeden anderen um sich herum zu vergessen, doch das was die beiden gefunden hatten, danach suchen täglich Millionen von Menschen, mich eingeschlossen. Wenn es offensichtlich so passt zwischen Männchen und Weibchen, dass sie noch nicht einmal eine große Kennenlernphase benötigen und wenn ihr Verlangen nacheinander so groß ist, dass sie sich jeden Tag und jede Sekunde sehen wollen und nicht mehr ohne den anderen sein möchten, dann ist das etwas ganz besonders Seltenes. Jahrelang hatte Boris nichts Vergleichbares und war offensichtlich unglücklich. Es sei ihm sein Glück von Herzen gegönnt.

      Auch ich hatte gedacht, so etwas Besonderes gefunden zu haben, seitdem sich meine Gedanken nur noch um Kai drehten. Ich hatte völlig neue Gefühle kennengelernt und so langsam wurde mir klar, dass sich die Liebe in meinem Leben noch im Reifeprozess befand. Wenn man was nicht kennt, kann man nicht wissen wie es sich anfühlt und muss es erst erfahren. Nun stand für mich fest: Mirko hatte ich damals lieb gehabt und nicht geliebt, denn schon für Kai empfand ich mehr. Er war der beste Whisky für mich, Mirko dagegen nur billiger Fusel. Tja, nun gab es aber schließlich seine Madame und wenn nicht, wäre trotzdem ein großes Fragezeichen in meinem Kopf, ob dieses Empfinden nur auf Einseitigkeit beruhte.

      Dann kam die Sache mit meinem Radio. Er bot sich an mir