Thomas Hölscher

Der Pferdestricker


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Sau! Er weiß auf dem armseligen Gaul die Vorzüge seines Körpers in Szene zu setzen wie kein anderer!

      Aber gleich beim ersten Mal hat es sich auch wieder gezeigt, dass Jonas ebenfalls ein durch und durch oberflächlicher Mensch ist. Zum Hamlet wirklich so geeignet wie eine Kuh zum Klavierspielen. Nicht, dass ich eifersüchtig bin – keine Spur davon, und doch glaube ich manchmal, er ist ein ziemlich von sich überzeugter Tölpel, den es unglaublich anmacht, wenn er mit seinen bewusst gewählten Sprüchen und seinem Gehabe bei Georg seine Wirkung nicht verfehlt. Manchmal habe ich sogar die Befürchtung, der Kerl ist lediglich ein kleiner Sadist, dem es Spaß macht, das Tier zu quälen, und sonst gar nichts, und das würde mich stören, wäre mir auf keinen Fall genug. Heute Abend kann sie wieder zu ihren Kumpels, hat er gesagt, als wir am Morgen schon mit dem Vieh losgezogen und durch die Dünen gegangen sind; aber jetzt gehört sie mir. Aber jetzt gehört sie mir! Und das war auch so!

      Und außerdem zeigt er völlig ungeniert, wie sehr er es genießt, wenn Georg fast die Augen aus dem Kopf fallen, weil er seine Blicke nicht mehr von Jonas Hintern und Schwanz abwenden kann, wenn die Hose immer transparenter wird, je weiter er das Vieh ins Meer treibt.

      Ich bin nicht eifersüchtig, auf Georg schon gar nicht und auf Jonas auch nicht; aber wo ich bei dem ganzen Spiel bleiben soll, das weiß ich noch nicht.

      29.5.2002

      Es ist hier wirklich wie im Paradies! An dem menschenleeren Strand ist Jonas heute praktisch den ganzen Tag durch das seichte Wasser geritten. Ob die Hose transparent wird oder nicht, spielt keine Rolle mehr: er zieht sie gar nicht mehr an. Das Bild haut einen wirklich um, vor allem wenn wir am Abend im Hotelzimmer die Videoaufnahmen betrachten.

      (Manchmal wird mir fast angst und bange, wenn ich sehe, mit welcher Brutalität Jonas zu Werke geht. Dann schäme ich mich fast, dass ich so etwas geil finde.)

      Aber das ist es.

      Ich will jetzt hier keine weiteren Aufzeichnungen mehr für das Tagebuch machen; ich habe ohnehin keine andere Chance als jede Sekunde mit Jonas zu genießen. Ich freue mich schon auf den Höhepunkt!

      Jonas hat ihn schon angekündigt, und ich will ihn auch nicht mehr beeinflussen. Morgen Abend kommt die Ärmste nicht mehr zurück zu ihren Kumpels zurück, hat er nur gesagt. Ich will nur noch der Beobachter und Chronist sein in einer Geschichte, deren Ablauf ohnehin feststeht.

      In einem Mythos eben.

      31.5.2002

      Irgendetwas ist völlig schiefgelaufen, und ich kann immer noch nicht genau sagen, was.

      Da war zunächst diese ekelige Alte, die uns ganz offensichtlich bei einem unserer Ausflüge beobachtet hat. Wir haben sie nur durch Zufall entdeckt, als wir abends im Hotelzimmer unsere Videoaufnahmen angesehen haben. Ganz deutlich war sie da im Hintergrund zu sehen, und ich wusste sofort, dass sie im gleichen Hotel wohnte wie wir.

      Was mich allerdings überrascht hat, das war die Tatsache, dass der Tod der alten Vettel so wenig Aufsehen erregt hat. Ich glaube auch nicht, dass sie zuvor bei der Polizei gewesen ist. (In Spanien würden die sich doch über so eine dumme Kuh und ihr Problem ohnehin nur totlachen!)

      Was mich viel mehr gestört hat, das war Georgs Reaktion. Er ist völlig zusammengebrochen und mir fürchterlich auf die Nerven gegangen.

      Ach was, das ist doch Unsinn! Auf die Nerven gegangen! Für mich ist, was seine Person betrifft, eine Welt zusammengebrochen, und das tut weh. Wie kann man denn bloß den großen Seher spielen, und wenn es dann darauf ankommt, sich benehmen wie eine kleine Schickse aus dem Mädchenpensionat! Was glaubt dieser Mann eigentlich, was wir da gemacht haben? Ich empfinde für diesen Kerl eine riesige Verachtung.

      Im Augenblick kann ich nur hoffen, dass dieser erbärmliche Mensch den Mund hält. Ich bin jetzt heilfroh, dass er weder meinen Namen, noch meine Adresse kennt. Es könnte sonst heikel werden.

      Die Videoaufnahmen von Jonas habe ich auf jeden Fall.

      9.6.2002

      Mir ist heute die Idee gekommen, dass ein gewisser Georg Wenzel aus München zahlen muss für das, was er mir angetan hat.

      Ich habe inzwischen herausbekommen, dass er tatsächlich verheiratet ist. Als wir auf Mallorca waren, war er für seine Familie auf Montage im Ausland. Dieser Mensch ist wirklich eine ganz ekelhafte Wurst. Auf jeden Fall wird es jetzt teuer für ihn.

      30.6.2002

      Georg zahlt tatsächlich, und damit bin ich vorläufig meine Geldsorgen weitgehend los. Irgendwie beruhigt das.

      Das andere ist allerdings viel wichtiger. Eigentlich wusste ich von Anfang an, dass Georg nicht derjenige war, den ich suche. Und jetzt kann ich wieder von vorne beginnen. (Nicht einmal Jonas Z. kann ich mehr fragen; es fühlt sich an, als sei der umgezogen, und ich weiß nicht mal mehr, wo er jetzt wohnt.) Nur gelegentlich schaue ich mir noch die Videoaufnahmen an. Die sind wirklich unglaublich. Aber letztlich führen sie einem immer nur vor Augen, dass Jonas Z. auch nicht mehr da ist.

      28.7.2002

      Ich habe einzelne Filmsequenzen aus Mallorca bei Youtube ins Internet gestellt; natürlich nur solche, bei denen niemand zu erkennen ist. Die Reaktionen sind enorm. Binnen kürzester Zeit sind begeisterte Kommentare aus der ganzen Welt eingetroffen. Natürlich auch negative, zumeist von kleinen Ziegen, die Angst um ihre Pferdchen haben. Ich hatte es ja gewusst! Im Grunde spornt einen das aber bloß noch mehr an!

      Was mich schon seit geraumer Zeit stört ist die Tatsache, dass diese Art der Kommunikation im Internet keine wirkliche Kommunikation ist, sondern ein völlig belangloses Absondern von Meinungen und Befindlichkeiten, weil sich jeder hinter irgend einem beliebigen Kunstnamen versteckt und anonym bleibt. Irgendwie ist das eine bodenlose Feigheit, ein Leben in einer billigen second-hand Realität, das einen nicht befriedigt.

      25.8.2002

      Ich halte es nicht mehr aus. Wenn die meisten Menschen Probleme bekommen durch ein Zuviel an Reizen, so ist das bei mir ganz offensichtlich völlig anders. Es gibt nichts mehr, was mich anmacht, und das ist unerträglich. Das ganze Leben hat in dieser Spannungslosigkeit gar keinen Sinn mehr. Wenn ich morgens wach werde, ist alles grau, und den ganzen Tag über bleibt alles grau, bis ich abends ins Bett gehe, um gar nichts zu träumen.

      Heute hat jemand unter meine Mallorca Filme im Internet als Kommentar geschrieben: Get a life! You are a silly retard! Ich habe nachgesehen und herausgefunden, dass es sich um ein 15jähriges Mädchen gehandelt hat. Ich will nicht, dass diese kleine dumme Ziege so etwas schreibt. Sie soll ihren verdammten Mund halten.

      28.11.2002

      Gestern habe ich aus Wut und Verzweiflung meinen Computer demoliert, weil alles, was dieses Ding produziert, Schwachsinn ist, der mit der Realität nichts zu tun hat. Und nur das zählt: die Realität. Get a life, denke ich jetzt oft selber, you are a silly retard. (Es tut mir allerdings schon ein klein wenig leid: als Hilfsmittel, um sich die Realität gefügig zu machen, kann dieses Gerät doch gute Dienste leisten. Aber dazu müsste mich die Realität erst wieder interessieren. Und das tut sie nicht. Wenn ich jetzt durch die Stadt gehe und die überall schon vorhandene Weihnachtsbeleuchtung sehe, könnte ich Leute ermorden.)

      Am schlimmsten ist es, wenn ich die Bilder von Jonas sehe und nichts mehr empfinden kann. Wenn sein geiler Körper auf einmal auch nichts anderes mehr ist als ein von der Evolution hervorgebrachter ebenso hässlicher wie überflüssiger Verdauungssack, der zu allem Überfluss auch noch auf zwei Stelzen gestellt wurde.

      21.2.2003

      Heute habe ich es gewagt, in Essen in den Puff zu gehen. Ich weiß selber nicht, warum, und wie es dazu kommen konnte. Es war grauenhaft, ein völliges Desaster! Sie wollte es mir mit der Hand machen, aber es lief gar nichts. Ich schäme mich zu Tode. Diese Schweineweiber und ihre ekeligen Aufpasser werden dafür noch bezahlen.

      5.3.2003

      Tiefer geht es nicht.

      Und wenn es tiefer nicht geht, dann kann es ja angeblich nur noch aufwärts gehen.

      Ich habe einen Selbstmordversuch hinter mir und liege im