aus Akustikgitarren, Orgel und Harmonika erinnern an alte Polaroids mit Patina. Eine Platte, die man im Zwielicht hören sollte, wenn die Grillen erwachen und die lästige Sonne endlich damit aufhört, die bittersüßen Stimmungen aufzuhellen. Neil Halstead nämlich weiß Bescheid: „The sun don’t love me/and it’s easy to cry.“
Monaco
„Monaco” (2000)
Es gibt kaum einen Musiker, der an seinem Legendenstatus leichter trägt als Peter Hook. Er wurde mit Joy Division unsterblich, auch wenn die Band mit Ian Curtis’ Selbstmord verschied. Mehr als 15 Jahre nach dem Ende der Legende formierte er mit David Potts die luftigleichte Popband Monaco, deren erstes Album 1997 Ohrwürmer im halben Dutzend abwarf. Die andere Hälfte fiel ab, und die neue CD liegt irgendwo dazwischen. Keine so hartnäckigen Popphrasen mehr wie auf Hälfte eins von Album eins, aber ein höheres Gesamtniveau als auf Hälfte zwei. Dieser Elektropop ist stets im Fluss, ein leichter Überschwang der Gefühle ist immer spürbar, und manchmal – wie in „Ballroom“ – schwappt alles über und hinterlässt seifige Pfützen auf dem Parkett. Darauf schliddern wir dann lächelnd durch den Tag.
Motörhead
„We are Motörhead” (2000)
Es ist Frühling, ein neues Motörhead-Album liegt auf dem Tisch wie jeden Frühling, es ist das 19. in der Bandgeschichte und klingt wie alle Motörhead-Alben, okay, nächste Platte … Halt, stopp: „We are Motörhead“ klingt doch nicht wie alle Motörhead-Alben. Sondern härter, schneller. Speed- statt Hardrock. Sie covern sogar „God save the Queen“, wo sie mit Johnny Rottens Worten behaupten, die Königin sei kein menschliches Wesen und habe keine Zukunft, was schon 1977 nicht ganz richtig war – aber jetzt, wo der Exilbrite Lemmy seine fetten alten Tage in Los Angeles am Pool verbringt, klingt das noch eine Spur bizarrer. Egal. Es ist Frühling, und Motörhead knüppeln die Blüten aus den Knospen. Schon in Ordnung so.
Nadine
„Lit it up from the Inside” (2000)
Schwer zu sagen, was aus Adam Reichmann (g, voc) und Todd Schnitzer (dr, keyb) aus St. Louis geworden wäre, hätte sich nicht irgendwann ein dürrer Hecht namens Neil Young aus Toronto gen USA aufgemacht, um die Rockwelt zu verändern. Dieses Album gäbe es jedenfalls nicht. Ihr Young-Epigonentum ist von seltener Unverblümtheit, daran ändern auch die später hinzugestoßenen Nadine-Mitglieder Steve Rauner (g, keyb) und Ann Tkach (b) nichts. Was Young auszeichnet – Herz, Schmerz und eine geringe Affinität zum sauberen Klang – haben auch Nadine, und manchmal haben sie sogar Songs, bei denen Neil anerkennend mit der Braue zucken würde. Aber wetten würde ich darauf nicht.
Neil Young
„Silver & Gold” (2000)
Das Leben ist gewöhnlich ein langer schäumender Fluss, wenn man Neil Young heißt, aber diesmal ist es ein ruhiger. Initiiert gleichsam als Endpunkt einer Trilogie, die 1972 („Harvest“) begann und 1992 („Harvest Moon“) fortgeführt wurde, ist „Silver & Gold“ fast schon das Resümee einer Hälfte seiner Karriere: der akustischen. Die eruptive andere, durchstürmt mit Crazy Horse, muss noch reflektiert werden. Hier aber zittert sich Youngs Stimme durch zehn intime Songs, die eins gemeinsam haben: den versöhnlichen Grundton. Hinreißend die nostalgisch aufgehellte Erinnerung an seine erste große Band in „Buffalo Springfield again“. Seinen alten Freundfeind Stephen Stills wird es rühren. Und wir stellen diese CD neben „Harvest“ ins Regal, auch wenn selbst einem Genie wie Young keine Songs wie „Heart of Gold“ mehr gelingen. Vielleicht ist sein Album deshalb so nostaglisch: weil auch er das weiß.
Neues Glas Aus Alten Scherben
„Live” (2000)
Neues Glas Aus Alten Scherben: Der Name sagt schon alles. Mit Rio Reisers Tod wurden die Berliner Anarchorocker Ton Steine Scherben Geschichte; NGAAS, rekrutiert aus Scherben wie Dirk Schlömer und Reisers Begleitband aus seiner Solophase, wollen sie dennoch fortschreiben. Denn Geschichte wird gemacht, und nicht nur von den Bonzen, nicht wahr? In einem feurigen Liveset spielen sie sich durch einen Klassiker nach dem anderen, wobei das größte Risiko – der Sänger – sich als kongenial erweist. Michael Kiessling klingt wie Rios Wiedergänger, nicht nur stimmlich, auch in puncto Engagement. Erleben wir gerade die Avantgarde einer linken Renaissance? Eine Dekade nach dem Untergang des immer und trotz alledem sinnstiftenden Ostblocks könnte die Lethargie sich legen und eine neue, unschuldigere Lust am Widerstand auflodern. „Der Traum ist aus“? Nein, nach diesem furiosen Rockspektakel ist zumindest „Land in Sicht“.
Nguyên Lê Trio
„Bakida” (2000)
Manchmal erinnert der transparente Sound von Nguyên Lê an seinen norwegischen Gitarrenkollegen Terje Rypdal, vor allem im Titelstück. Lê allerdings vermeidet das melancholische Pathos, in das Rypdal bisweilen verfällt, fängt es ab mit folkloristischen Figuren, die Tino di Geraldo perkussiv unterstützt. Der Frankovietnamese Lê ist ein Ausnahmekönner auf der Gitarre; asiatische Traditionen und Stimmungen treffen in seinem Spiel auf Rock- und Jazzmuster, er verschmilzt Lyrik mit Härte, die Weite des Klangraums mit intimer Innerlichkeit. Großartig auch der quirlige Bass von Renaud Garcia-Fons, den der Rhythmusjob keinesfalls ausfüllt, weshalb er sich immer wieder in die melodische Textur der Stücke einmischt. Ein weltmeisterliches Trio des Weltjazz, ergänzt durch viele Gäste aus dem Hause Act.
Nick Cave
„The secret Life of the Love Song” (2000)
„Words endure, flesh does not“, sagt diese volle, sonore Stimme, die hinwegfließt über die Worte, bis sie ankommt beim t und es klingen lässt, als explodierte der Körper einer Ameise, die man über ein Streichholz hält. Nick Cave ist ein großer Musiker, vielleicht ein noch größerer Vorleser. Seinem fast 50-minütigen Vortrag über „Das geheime Leben des Liebeslieds“ verfällt man binnen kurzer Zeit, auch wenn Caves selbstanalytische These wunderlich erscheint, der Tod seines Vaters habe ihm eine religiöse Lücke offenbart, die er erst mit der kultischen Handlung des Liebesliederschreibens wieder schließen konnte. Zwischendurch spielt Cave am Klavier Songs wie „Sad Waters“, und plötzlich scheint die wunderliche Selbstanalyse nichts weniger als die reine, transzendente Wahrheit.
Novastar
„Novastar” (2000)
Joost Zweegers heißt einer jener farblosen Jungs, die zu Hause herumsitzen und schöne Songs zur Gitarren schreiben, weil sie damit Mädchen erobern können, die sich sonst für farblose Jungs nicht interessierten. Doch nicht nur Mädchen, auch die Charts – zumindest in seinem Heimatland Belgien – hat Joost erobert, als „Novastar“. Novastar: Ganz schön großspurig für einen farblosen Jungen, aber vielleicht gar nicht so falsch. Er hat epische Melodien und mindestens einen Hit („Wrong“), und seine Songs stecken in Gitarrenpopklamotten, die auch außerhalb Belgiens in Mode kommen sind. Vielleicht erobert der farblose Junge bald auch deutsche Mädchen.
Oasis
„Standing on the Shoulder of Giants” (2000)
Wie hätte ich mich 1970 gefühlt, wenn mir in einer kleinen Bar unter konspirativen Umständen das „White Album“ der Beatles vorgespielt worden wäre – euphorisiert, irritiert, bewegt? All das wahrscheinlich, auf einmal. Und wie fühle ich mich heute, nachdem man mir unter konspirativen Umständen das neue Album von Oasis vorgespielt hat? Gleichgültig. Ich habe mich geärgert über die Kollegen, die respektlos gequatscht haben die ganze Zeit. Immer lauter, je länger die Platte lief. Ich habe mich geärgert, aber wahrscheinlich war es nur gerecht. Vielleicht hat das Album sogar Marks Geste verdient, die er irgendwann bei Stück neun über den Tresen zu mir rüberschickte: drei Finger in den Mund. Nein, das ist doch zu hart. Ein Oasis-Album hat noch immer Liams Gesang, diesen gepressten,